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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
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Überschrift:
Eintagsküken sind "das beste Futter"
Zwischenüberschrift:
Verzehr von bis zu 50 000 Stück pro Jahr
Artikel:
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Originaltext:
Im Zoo Osnabrück werden jährlich bis zu 50 000 tote Eintagsküken verfüttert. Sie durch künstliches Futter zu ersetzen sei machbar, aber teuer und aufwendig, sagt der Zoodirektor.
Osnabrück. Mit ihrer Anklage gegen eine Großbrüterei hat die Staatsanwaltschaft Münster Aufsehen erregt. Zum ersten Mal hält in Deutschland eine Justizbehörde die Massentötung von männlichen Eintagsküken für strafbar. Die Tierschutzorganisation Peta feiert das als " historischen Durchbruch". Doch das Landgericht Münster tut sich schwer mit der Klage. Es glaubt nicht, dass das millionenfache Vergasen oder Schreddern von Küken, die weder Eier legen noch fett werden und damit für die Tierindus trie nutzlos sind, gegen geltendes Recht verstößt.
Dem kann Osnabrücks Zoodirektor Michael Böer nur zustimmen. " Die Tötung widerspricht dem Tierschutzgesetz in keiner Weise", sagt der Professor für Tiermedizin. Andernfalls hätte der Zoo Osnabrück wohl ein Problem. Denn Eintagsküken spielen eine wichtige Rolle bei der Ernährung vieler am Schölerberg gehaltener Wildtiere.
" Ja, der Zoo Osnabrück bezieht getötete Küken als natürliches Futtermittel und zwar wahrscheinlich schon seit seiner Gründung vor 80 Jahren", stellte Böer am Freitag auf Nachfrage unserer Redaktion fest. Pro Jahr würden zwischen 35 000 und 50 000 Eintagsküken verfüttert. Die Kadaver stammten von einer Hühnerzucht aus dem Raum Oldenburg, die sie unzerstückelt und " zum Selbstkostenpreis" an den Zoo abgebe. Den genauen Betrag wollte der Zoodirektor zwar nicht nennen, betonte aber: " Das ist eine tolle Unterstützung des Zoos."
In Eintagsküken seien " jede Menge Vitamine und Mineralien" enthalten, die sie für kleinere Fleischfresser zu einem " hervorragenden, essenziellen Futtermittel" machten. Marderartige wie Fischotter und Vielfraße würden damit versorgt, aber auch Füchse, Kleinbären, Erdmännchen, Zebramangusten und Eulen. Der Federflaum rege die Verdauung der Tiere an. Zudem löse die Ganzkörper-Verfütterung von toten Eintagsküken das arttypische Beutefang- und Verzehrverhalten aus. Michael Böer: " Wir könnten uns kein besseres Futter vorstellen."
Sind Eintagsküken damit unersetzlich? Nein, räumt der Zoodirektor ein. Mit angereicherten Fleischklöpsen lasse sich ein Küken ernährungsphysiologisch leicht nachahmen. " Aber das würde uns sehr viel Geld, Zeit und Arbeit kosten." Außerdem wäre solch ein künstlich hergestelltes Futter ohne Haut und Haare " für die Tiere absolut langweilig". Das heißt, der Zoo Osnabrück müsste noch mehr für die Beschäftigung seiner wilden Bewohner tun, wenn diese sich plötzlich nicht mehr mitunter tagelang an echtem Fressen laben könnten.
Ein Drittel Fleischfresser
Im Übrigen sind Eintagsküken längst nicht die einzigen warmblütigen Wirbeltiere, die tot zum Fraß vorgeworfen werden. Auf der Speisekarte von Raubtieren stehen am Schölerberg auch Mäuse, Ratten und Meerschweinchen, außerdem Kaninchen, Tauben, Hühner, Gänse und Fisch. Nicht zu vergessen Ziegen, Schafe, Rinder, Pferde und Esel. Etwa ein Drittel aller Zootiere in Osnabrück seien Fleischfresser, schätzt Böer, der Rest Allesfresser und Vegetarier.
Pflanzliches Futter bezieht der Zoo dabei aus vielerlei Quellen: Obst und Gemüse spendet in rauen Mengen etwa der Marktkauf in Nahne. Stroh, Grassilage und Heu kommt von Bauern aus der Region. Andere Land- und Forstwirtschaften steuern Blätter, Rinden und Weichholz wie Äste und Zweige bei. Darüber hinaus baut der Zoo im Umland selbst Futterpflanzen wie Mais und Gras an. Insgesamt bringt der Zoo nach aktuellen Angaben pro Jahr 358 000 Euro für die Futterbeschaffung auf und erhält dafür 301 395 Tonnen Futter aller Art.

Kommentartext:

Zur Sache

Ein Vielfraß frisst ungefähr 100 Gramm Küken am Tag, ein Waschbär 150 Gramm und ein Silberfuchs 500 Gramm. Hinzu kommen noch Fisch und anderes Fleisch pro Tag. Für seine Löwen benötigt der Zoo Osnabrück im Jahr 10 950 Kilogramm Fleisch. Das sind Futterkosten von 17 520 Euro. Die Seelöwen fressen 9125 Kilogramm Fisch pro Jahr (Futterkosten 12 683 Euro), die Bären vertilgen 10 037, 5 Kilogramm Futter pro Jahr (Futterkosten 7362, 05 Euro). Mit Abstand am meisten Futter benötigen die Elefanten: 128 480 Kilogramm/ Jahr. Da sie sich vegetarisch ernähren, sind die Futterkosten mit 6398, 45 Euro/ Jahr aber vergleichsweise gering. (sst)

Zum Fressen gern

Der Zoo Osnabrück hat Eintagsküken zum Fressen gern. Kein Wunder: Billigeres natürliches Futter für viele am Schölerberg gehaltene Raubtiere ist in dieser Qualität kaum zu kriegen. Der größte Zoo Niedersachsens profitiert damit wirtschaftlich und tiergartenbiologisch vermutlich wie kein Zweiter in diesem Bundesland von den moralisch verwerflichen Auswüchsen massenhafter Hühnerproduktion.

Doch auch wenn er sich durch konstante Abnahme beträchtlicher Mengen von Tierleichen zumindest indirekt mitschuldig daran macht, dass die Industrie notorisch und von möglicher Strafverfolgung unbehelligt an ihrer Praxis des millionenfachen Kükentö tens festhält: Bei der Fütterung fleischfressender Tiere steckt der Zoo in einem Dilemma. Denn der Verzicht auf Eintagsküken als Fraß würde nicht nur weniger artgerechte Haltung bedeuten. Er hätte auch Folgen, die der Besucher spüren würde. So könnte die teure Beschaffung oder Zubereitung von Ersatzfutter zu höheren Eintrittspreisen führen oder zu leeren Gehegen.
Autor:
Sebastian Stricker


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