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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
5700 Kilometer mit dem Rollstuhl
Zwischenüberschrift:
Andreas Pröve reiste von Vietnam nach Tibet – Donnerstag Vortrag im Haus der Jugend
Artikel:
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Originaltext:
Seit 1981 sitzt Andreas Pröve (58) aus Wathlingen bei Celle im Rollstuhl, und seit über 30 Jahren reist er mit seiner Kamera um die Welt. Am Donnerstag, 11. Februar, ist Pröve im Haus der Jugend zu Gast und zeigt seine Multivisionsshow " Abenteuer Mekong".
Herr Pröve, Sie reisen seit über 30 Jahren mit dem Rollstuhl um die Welt, halten Vorträge über Ihre Reisen und schreiben Bücher. Wie kam es dazu?
Zu ersten Mal bin ich bereits 1979 nach Indien gereist. Damals noch als Fußgänger. Das Land hat mich sofort gegriffen, auch wenn ich es bis heute nicht komplett begriffen habe. Indien ist unglaublich vielschichtig. 1981 hatte ich den Motorrad-Unfall und bekam die Diagnose: Querschnittslähmung.
Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, nicht weiter um die Welt zu reisen. Also habe ich es einfach gemacht - gegen die Bedenken der Ärzte, des Krankenhauses und auch der Familie. Mit dem Rollstuhl durch die Welt? Das war Anfang der 80er noch komplett abwegig.
Woher kam dann die Idee, das Ganze beruflich zu machen?
Nach meiner ersten Reise im Rollstuhl wurde ich vom Behindertenverein in meinem Dorf gefragt, ob ich darüber vor Publikum berichten möchte, und bekam dafür 50 Mark! Es kamen 30 bis 40 Leute. Da wuchs in mir die Idee, das Ganze beruflich anzugehen. Im Anschluss daran habe ich die Chefärzte der 25 Querschnittzentren in Deutschland angeschrieben und habe damit offene Türen eingerannt. Schnell stand so meine erste Tournee. In den Zentren bin ich dann zumeist vor " frisch Verletzten" aufgetreten und habe meine Geschichte erzählt und von meinen Reisen im Rollstuhl.
Was glauben Sie, warum kommen die Zuschauer zu Ihren Vorträgen? Steht das Thema im Vordergrund oder, dass da jemand im Rollstuhl auf der Bühne sitzt und von seinen Abenteuern erzählt?
In erster Linie kommen die Leute, weil sie hochwertige Fotos sehen wollen und sie das Thema interessiert: das Land und die Sehenswürdigkeiten. Vielleicht planen sie gerade eine Reise oder waren selbst schon mal vor Ort.
Ich erlebe sogar des Öfteren, dass Zuschauer ziemlich verdutzt schauen, wenn sie merken, dass ich im Rollstuhl sitze. Nicht selten werde ich dann gefragt, ob ich nach der Reise einen Unfall hatte.
Ein wenig ist der Rollstuhl aber auch Teil der Vermarktung. Es gibt mir ja auch ein Alleinstellungsmerkmal.
Nur einmal habe ich von einem Veranstalter eine negative Kritik weitergeleitet bekommen. Ein Gast hat sich beschwert, dass er Fotos vom Mekong sehen wollte und keinen Rollstuhlfahrer auf der Bühne.
Auf Ihrer Reise entlang des Mekong von Vietnam nach Tibet sind Sie 5700 Kilometer durch fünf Länder gereist. Wie kamen Sie mit den Straßenverhältnisse und dem Wetter klar?
Die Tour am Mekong habe ich in drei Abschnitten bewältigt, knapp die Hälfte davon in " Handarbeit". Aber bei Steigungen ab sieben bis acht Prozent wird es schwierig. Besonders Tibet besteht aus sehr vielen Hochmooren, und im Winter sind die komplett vereist oder unter einer Schneedecke. Daher habe ich diesen Teil im Mai absolviert. Aber außerhalb der Städte sind die meisten größeren Straßen halbwegs vernünftig geteert. Da bin ich gut vorangekommen.
Allerdings lauerte hier auch stets die größte Gefahr auf meinen Reisen: der Verkehr. Wenn gerade einmal zwei Lastwagen auf den Landstraßen nebeneinander - passen, ist kein Platz für einen Rollstuhl. Daher musste ich hier immer enorm aufpassen.
Sie sind zumeist allein unterwegs. Wie transportieren Sie Ihr Gepäck, bzw. was nehmen Sie mit?
Ich beschränke mich stets auf das Nötigste: Ein großer Rucksack geht nicht, daher nutze ich ein Handbike mit Fahrradtasche und einen kleineren Rucksack mit acht Kilo Fassungsvermögen am Rollstuhl. Die Reise plane ich dann so, dass ich meist auch ohne Jacke reisen kann. Dazu Wechselpullover, T-Shirt und Ähnliches. Alles, was fehlt, kaufe ich unterwegs.
Dazu kommen knapp zwei Kilo Werkzeug für den Rollstuhl. Ich kenne jede Schraube und habe auch nur genau das passende Werkzeug mit.
Wie steht es um die Barrierefreiheit in den asiatischen Ländern?
In Indien hat sich wenig getan seit den 80ern. In Delhi gibt es zwar inzwischen eine U-Bahn, die auch rolligerecht ist, aber auf dem Bahnhof existiert noch immer die eine Rampe am Bahnhof, die es auch schon vor dreißig Jahren gab.
Anders im Iran: Hier gibt es überall Rampen oder Absenkungen an den Bordsteinen. Die Iraner (Reise 2004) begegnen Rollstuhlfahrern mit einem ganz besonderen Respekt. Im öffentlichen Bild sieht man viele Kriegsversehrte aus dem Konflikt mit dem Irak (1980–88, Anm. d. Red.). Menschen mit körperlichen Behinderungen werden oftmals als Kriegshelden verehrt, und nicht selten wurde ich gefragt, in welchem Krieg ich gekämpft habe. Die Enttäuschung der Menschen war dann auch leider dementsprechend groß, als ich sagte, dass ich aufgrund eines Motorradunfalls im Rollstuhl sitze.
Wie war es vor Ort mit der Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit?
Das ist von Land zu Land und von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Besonders in muslimisch geprägten Ländern wird die Gastfreundschaft sehr hochgehalten. In Syrien oder Iran (Reise 2000/ 2001) wurde ich gleich von mehreren Menschen angesprochen und nach Hause eingeladen. Das ging sogar so weit, dass ich quasi " weitergereicht" wurde zu Freunden und Verwandten in anderen Städten. Das hat mitunter meine geplante Reiseroute gestört. Während die Menschen im Iran oder in Syrien überschwänglich hilfsbereit waren, musste ich in China schon mal acht, neun Menschen ansprechen, bis mir überhaupt jemand in den Zug geholfen hat.
Viele dieser Menschen und Orte haben Sie auch fotografiert. Gab es auch kritische Momente?
In der Vergangenheit gab es schon mal Probleme mit einzelnen Motiven. So habe ich im Iran ein wunderschönes Foto von einem Tal gemacht. In der Mitte der Panorama-Aufnahme lag eine kleine Fabrik, der ich keine besondere Bedeutung beigemessen habe. Kurze Zeit später kam das Militär und hat mich direkt verhaftet und anschließend verhört. Es kam raus, dass ich unabsichtlich die geheime Atomanlage in Natanz fotografiert hatte, und mein Gegenüber wollte jetzt herausfinden, ob ich ein israelischer Spion bin. Den Film mit dem Foto musste ich übrigens abgeben. Glücklicherweise hat das iranische Militär meine weiteren Gerätschaften nicht weiter überprüft. Ich hatte unterwegs noch Interviews mit Einheimischen geführt, und einige hatten sich ziemlich kritisch und abfällig über die Regierung geäußert.
Was kommt als Nächstes?
Solange noch kein Foto im Kasten ist, möchte ich nicht darüber sprechen. Aber es gibt noch eine Menge unerfüllte Träume.

Bildtext:

Begegnungen und Neugierde: der Fotograf im Rollstuhl.

Um unterwegs alles zu transportieren, nutzt Pröve ein Handbike mit Fahrradsatteltaschen und einem Kamerakoffer für die Fotoausrüstung.

Fotos:

Nagender Chhikara

Kommentartext:

Vortrag am Donnerstag

Andreas Pröve tritt an diesem Donnerstag, 11. Februar, im Rahmen der " Osnabrücker Fernwehzeit" im Haus der Jugend auf. Eintritt: 12, 50 Euro (ermäßigt: 11 Euro) beziehungsweise 13, 50 Euro (ermäßigt: 12 Euro) an der Abendkasse.

Erhältlich sind die Karten unter www.abenteuer-live-erleben.de oder Kartentelefon 0 54 07/ 3 48 14 13 sowie direkt im Haus der Jugend, Große Gildewart 6, bei der Tourist-Information an der Bierstraße 22–23 und im NOZ-Ticketshop, Große Straße 17 19.
Autor:
Bastian Klenke


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