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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Als der Karneval wegen des Golfkrieges ausfiel
Zwischenüberschrift:
Vor 25 Jahren: Tausende gehen auf die Straße, um für den Frieden in der Welt zu demonstrieren
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Vor 25 Jahren eskalierte der Golfkrieg. Am 17. Januar 1991 begann eine internationale Allianz damit, das vom Irak eroberte Kuwait mit militärischen Mitteln zu befreien. In Osnabrück gingen Tausende auf die Straße, um für Frieden zu demonstrieren. Der Karnevalsumzug am Ossensamstag, 9. Februar 1991, wurde abgesagt.
Das bevorstehende westliche Eingreifen in den " Zweiten Golfkrieg" löste in der Osnabrücker Öffentlichkeit große Betroffenheit und Angst aus. Schockartig wurde allen bewusst, dass mit dem Zerfall des sowjetischen Machtblocks und dem Ende des Kalten Krieges noch keinesfalls der ewige Weltfrieden garantiert war. Was man bislang als regionalen Konflikt im ewigen Pulverfass Nahost eher beiläufig registriert hatte, wurde plötzlich zu einem großen Krieg mit unabsehbaren Risiken.
Drei Tage vor Ablauf des UN-Ultimatums an den Irak gingen in zahlreichen Städten Europas und der USA Menschen auf die Straßen und protestierten gegen den drohenden Krieg. Auch in Osnabrück. 1500 waren es, die sich zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz einfanden, anschließend zu einem Bittgottesdienst in die Marienkirche gingen und dann einen Demonstrationszug durch die Stadt unternahmen. Aufgerufen dazu hatten die Grünen in Stadt und Kreis, die Osnabrücker Friedensinitiative (OFRI), Pax Christi und weitere Friedensgruppen. Horst Simon, damals Ratsmitglied der Grünen, rief vor dem Rathaus dazu auf, " das Ultimatum als völlig ungeeignetes Mittel zur Lösung der Golfkrise sofort auszusetzen". Eine Wirtschaftsblockade sei das einzig legitime Mittel, um Saddam zum Rückzug zu bewegen. Deutschland trage eine Mitschuld an der Krise durch seine früheren Waffenexporte in die Region.
Zwischenfall mit Jeep
Bei dem ansonsten friedlichen Demonstrationszug kam es in der Herrenteichs straße zu einem Zwischenfall. Etwa auf der Hasebrücke begegnete den Demonstranten ein britischer Militär-Jeep. Offensichtlich fühlte sich der Fahrer provoziert, jedenfalls gab er nach Augenzeugenberichten hörbar Gas und hielt auf einen Mitmarschierer zu, der auf der Gegenfahrbahn ging. Der junge Mann konnte in letzter Sekunde zur Seite springen, wurde aber noch von dem Jeep touchiert und leicht verletzt.
Am 15. Januar waren es 300 Schüler und Lehrer der Berufsbildenden Schulen Natruper Straße, die mit selbst gemalten Schrifttafeln wie " Frieden schaffen ohne Waffen" auf einem Schweigemarsch durch die Innenstadt zogen. Am nächsten Tag gingen mehrere Tausend Schüler und Studenten spontan auf die Straße. Initiatoren waren diesmal Schüler der Berufsschulen am Schölerberg, die sich nach der vierten Schulstunde auf den Weg in die Innenstadt machten und andere Bildungseinrichtungen von ihrem Vorhaben informierten. In der Innenstadt angekommen, wurden sie von rund 1500 Studenten unterstützt. Die hatten sich zuvor schon in der Aula des Schlosses versammelt und über Mahnwachen vor militärischen Einrichtungen beraten.
Als sie nun die Schüler auf dem Neuen Graben hörten, schlossen sie sich spontan an. Unter Sprechgesängen wie " Kein Blut für Öl kein Krieg am Golf" zogen sie zum Ledenhof und danach zum Rathaus. Für eine Stunde nahmen sie die Eingangshalle des Rathauses in Beschlag und forderten ein Gespräch mit einem verantwortlichen Politiker. Der war nicht greifbar. Oberstadtdirektor Dierk Meyer-Pries sprang in die Bresche und stellte sich den Fragen der Jugendlichen. Aus ihnen sprach die große Angst der Jugendlichen vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit weitreichenden Folgen. Immer wieder forderten sie, die Politiker sollten sich für eine friedliche Lösung des Konflikts einsetzen.
Die Kunstszene verabredete sich in der Dominikanerkirche. Ein Schauspieler der Städtischen Bühnen las einen Text über den Ersten Weltkrieg, andere malten Transparente, wieder andere übten eine Kabarettszene ein, in der das Deutschlandlied mit abgewandeltem Text erklang: " Deutschland, Deutschland, liefert alles, alles in die weite Welt, daran müssen andre sterben ..." Am späten Abend sangen der Bach-Chor und die Marienkantorei. Intendant Norbert Kleine-Borgmann gab eine Spielplan-Änderung des Theaters bekannt: Anstelle eines Stückes über Arbeitslosigkeit wurde die Premiere des Stücks " El Salvador" vorgezogen. Angesichts der Weltlage sei dieses Stück von geradezu brennender Aktualität, sagte Kleine-Borgmann. Es handelt von Journalisten, die von einem Hotel aus als Kriegsberichterstatter über die militärischen Auseinandersetzungen in Nicaragua berichten gerade so wie die CNN-Journalisten aus ihrem Hotel in Bagdad.
Zwei Tage nach Beginn der Angriffe sagte der Bürgerausschuss Osnabrücker Karneval (BOK) den Ossensamstags-Umzug ab und empfahl allen angeschlossenen 20 Karnevalsvereinen, auf den öffentlichen Sitzungskarneval zu verzichten. BOK-Präsident Hans-Wolfgang Kindervater brachte in einer Presseerklärung zugleich die Solidarität des Osnabrücker Karnevals mit den am Golf eingesetzten britischen Soldaten zum Ausdruck, die ihre friedliche Garnisonsstadt Osnabrück mit den Kampfgebieten in der Wüste tauschen mussten. NOZ-Redakteur Klaus Heinzel erklärte: " Wir werden allenfalls in knappen Texten, jedoch nicht mit Fotos von dennoch stattfindenden Karnevalsveranstaltungen berichten."
Es kamen Vertreter von Karnevalsvereinen zu Wort, die sich in einer äußerst unglücklichen Lage befanden. Die Absage fest gebuchter Veranstaltungen könne Schadenersatzforderungen in fünfstelliger Höhe nach sich ziehen. " Dann können wir nach der Absage der Sitzung gleich zum Konkursrichter weitermarschieren", sagte einer. Die Vorstände müssten mit ihrem Privatvermögen haften. 700 Karten waren für die Prunksitzung der Pumpernickelgarde bereits verkauft worden. Eine Erstattung sei dem Verein kaum möglich, meinte ein mitfühlender Stadthallenchef Günter Valjak, denn das Geld sei großenteils bereits für Werbung und Dekoration ausgegeben worden. " Und wir haben die Speisen fürs Buffet schon vorgekocht", so Valjak. Er hoffe, dass die Stadt für die Vereine in die Bresche springe, zumindest was die Saalmiete angehe.
Trauerflor in Fenstern
Nach Beginn der Luftangriffe und den Meldungen über die ersten Scud-Raketen, die in Israel einschlugen, nahm der Umfang der Demonstrationen nochmals zu. Am 17. Januar waren es 7000, am 18. Januar gar 20 000 überwiegend junge Menschen aus Stadt und Umland. Vor dem Gebäude der Deutschen Bank, die für Exportgeschäfte mit Kriegsgütern als mitverantwortlich angesehen wurde, richtete der Aktionskreis " Kein Krieg am Golf" eine Mahnwache ein. Die Tageszeitung war schon morgens um 10 Uhr überall vergriffen. Erste Nachrichten über " Hamsterkäufe" von Lebensmitteln machten die Runde. Einige Osnabrücker hängten zum Ausdruck ihres Mitgefühls schwarzen Trauerflor aus dem Fenster, andere weiße Tücher mit Anklagen gegen die Kriegsparteien.
Auf das Kreiswehrersatzamt an der Meller Straße verübten Unbekannte einen Brandanschlag. Zwei Molotowcocktails richteten Sachschaden in Höhe von 35 000 DM an zum Glück wurde niemand verletzt. In einem Bekennerschreiben hieß es, das Kreiswehrersatzamt müsse brennen, weil dort junge Männer auf den Krieg vorbereitet würden.
Am 20. Januar beteiligten sich 2000 Friedensbewegte an einer Menschenkette, die vom Rathaus durch die Fußgängerzone bis zur Deutschen Bank an der Wittekindstraße reichte. Der Mainstream der Großdemonstrationen befand alle Kriegsparteien für schuldig, nicht genug zur Erhaltung des Friedens getan zu haben. Es gab aber auch eine kleine Gruppe von 40 Jugendlichen, die ein Zeichen " gegen den immer deutlicher werdenden Antiamerikanismus" setzen wollten. Auf ihren Schildern stand: " Irak raus aus Kuwait" und " Gestern Hitler! Heute Saddam!" Viele vergäßen, so ein Teilnehmer, dass Saddam Hussein der Aggressor sei und nicht die USA.

Bildtext:

2000 Friedensbewegte beteiligten sich am 19. Januar 1991 an einer Menschenkette in der Osnabrücker Fußgängerzone.

Auch sie demonstrierten für den Frieden. Junge Leute am 17. Januar 1991 am Osnabrücker Rathaus.

7000 vorwiegend junge Osnabrücker brachten am 17. Januar 1991 mit einer Demonstration ihre Sorge über den Golfkrieg zum Ausdruck (hier auf dem Neuen Graben).

Schweigend zogen am 24. Januar 1991 rund 1500 Schüler und Lehrer der Realschule Dom, des Carolinums und der Ursulaschule nach einem Gottesdienst durch die Stadt.

Mit einem Panzer aus Pappmaschee und Transparenten demonstrierten Mitte Januar 1991 besorgte Osnabrücker auf dem Platz vor dem Rathaus gegen den Golfkrieg. Archiv-Fotos: Gert Westdörp/ Michael Münch/ Jörn Martens/ Michael Hehmann

Singen gegen den Golfkrieg: Spontan versammelten sich Osnabrücker Künstler und Sänger am 17. Januar in der Dominikanerkirche.

Kommentartext:

Zweiter Golfkrieg 1991: Allianz befreit das vom Irak eroberte Kuwait

Am 17. Januar 1991 begann eine US-geführte Militäraktion gegen den Irak, um ihn aus Kuwait zu vertreiben. Der irakische Herrscher Saddam Hussein hatte den reichen Nachbarstaat am 2. August 1990 völkerrechtswidrig annektiert. Der zunächst innerarabische Konflikt weitete sich durch das Eingreifen der aus 34 Staaten bestehenden Allianz zu einem den Weltfrieden gefährdenden Waffengang aus, zumal der Irak durch Raketenangriffe versuchte, auch Israel in den Krieg hineinzuziehen. In der Rückschau wird der Golfkrieg 1990/ 91 zumeist als " Zweiter Golfkrieg" betitelt. " Erster Golfkrieg" ist demnach der Krieg zwischen Iran und Irak von 1980 bis 1988 und " Dritter Golfkrieg" die Militärinvasion der USA und einiger Verbündeter in den Irak 2003 als Antwort auf die Anschläge auf das World Trade Center 2001. Im Gegensatz zum Dritten Golfkrieg war das Einschreiten der Westmächte im Zweiten Golfkrieg von den Vereinten Nationen gedeckt. In der Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates vom 29. November 1990 ermächtigte dieser die Mitgliedstaaten auch zum Einsatz von Waffengewalt, sofern der Irak sich nicht bis zum 15. Januar 1991 aus Kuwait zurückzieht. Hintergrund der Annexion Kuwaits durch den Irak war unter anderem die hohe Verschuldung des Irak durch die Kosten des Ersten Golfkriegs. Kuwait hatte sich geweigert, den gewährten Kredit in Höhe von 80 Milliarden US-Dollar zu erlassen. Weiterhin ging es dem Irak um die Kontrolle über die Häfen am Golf.

Nach ergebnislosem Verstreichen des Ultimatums löste das Bündnis am 17. Januar 1991 einen massiven Luftkrieg aus. Die Koalitionsstreitkräfte flogen in den ersten 20 Stunden mit über 750 Kampfflugzeugen und Bombern rund 1300 Angriffe auf Ziele im Irak. Dabei setzten sie präzisionsgelenkte Munition und Marschflugkörper ein. Die Mehrzahl der irakischen Kampfflugzeuge wurde noch am Boden zerstört.

Am 24. Februar 1991 begann der Bodenkrieg. Der Vormarsch der Alliierten erfolgte viel schneller, als es die US-Generäle erwartet hatten. Dazu trugen Massen-Desertionen irakischer Soldaten bei, die geschwächt und durch den umfangreichen Luftkrieg demoralisiert waren.

Hundert Stunden nach Beginn der Bodeninvasion wurde Kuwait City befreit. Am 28. Februar verkündete Präsident Bush Waffenruhe, am 5. März 1991 annullierte der Irak offiziell die Annexion Kuwaits. Die US-Truppen hatten 74 Prozent der insgesamt beteiligten 660 000 Soldaten der Koalitionsstreitkräfte gestellt. Die Verluste an Menschenleben betrugen auf irakischer Seite nach Schätzungen zwischen 20 000 und 35 000, aufseiten der Koalition 392. Deutschland leistete erhebliche finanzielle Beiträge und lieferten militärisches Material, stellte aber keine Soldaten.

Bildtext:

Das Wrack eines verlassenen irakischen Panzers steht im April 1991 am Rande einer Wüstenstraße in Kuwait, während im Hintergrund ein brennendes Bohrloch des Al-Ahmadi Ölfeldes zu sehen ist. Foto: dpa
Autor:
Joachim Dierks


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