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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Bombensuche unter Wasser
Zwischenüberschrift:
Im Osnabrücker Stichkanal tauchen Kampfmittelexperten nach Blindgängern
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Nein, die rote Mütze darf nicht fehlen: Hartmut Padel lässt sich in seinem schwarzen Tauchanzug auf einen der Poller an Bord der Tauchschute fallen und streift sie lässig über das graue Haar. Es dauert einen Moment, dann taucht das Bild tief aus dem Bodenschlamm der Erinnerung auf: Jacques-Yves Cousteau. Das wettergegerbte Gesicht des Franzosen mit der roten Kopfbedeckung flimmerte in den 70er-Jahren regelmäßig über die Bildschirme.

Nein. Dies ist nicht das Deck der Calypso. Und im Hintergrund sind nicht die fast unendlichen Weiten der Meere, sondern die Ufer des Osnabrücker Stichkanals zu sehen. Padel taucht in Osnabrück nach Bombenblindgängern. Er gehört zu dem Team, das derzeit Nacht für Nacht den Stichkanal nach den Überresten des Zweiten Weltkrieges absucht.

Mittwoch, 19.45 Uhr: Die Haster Schleuse und der Stichkanal liegen im fahlen, orangen Licht. Das Betriebsgelände wirkt wie ausgestorben. Nur am Ende der Schleuse dringt aus den Kajütenfenstern eines kleinen, gelb gestrichenen Schubverbands einladend warmes Licht nach draußen.

In der kleinen Kajüte mit der abgegriffenen Resopalausstattung dampft schon der Kaffee. Frank Braun, hier vor Ort der Taucheinsatzleiter, deutet auf eine Karte. Sauber eingetragen sind die Koordinaten der 84 Verdachtspunkte, die die Kampfmittelräumer näher in Augenschein nehmen müssen. Harmloser Schrott oder gefährliche Bombenblindgänger? Das müssen die drei Taucher herausfinden. Nachts ab 21 Uhr, in der Betriebspause auf dem Stichkanal.

Während sich Padel in der Kabine auf der angekoppelten Tauchschute umzieht, geht Braun noch mal die Ergebnisse der vergangenen Nacht durch. Wurden alle Funde sauber dokumentiert? Es geht dabei weniger um den Arbeitsnachweis gegenüber der Behörde, sondern mehr darum, dass das Areal anschließend tatsächlich als geräumt gelten kann. Zehn der insgesamt 83 Punkte haben die Taucher in der vergangenen Nacht kontrolliert, zehnmal war es nur Schrott.

Während an Bord die Vorbereitungen laufen, legt ein Teammitglied mit dem kleinen Beiboot ab, steuert von einem GPS-Gerät geleitet die ersten Verdachtspunkte dieser Tauchnacht an und markiert sie mit kleinen Bojen.

Die Einstiegsöffnung an Padels Trockentauchanzug ist inzwischen geschlossen. Sein Kollege hat die Gewichte an den Beinen befestigt und ihm beim Anlegen der Taucherflasche geholfen. Sie dient als Sicherheitsreserve, während der Arbeit werden die Taucher durch einen langen Schlauch aus zwei Druckflaschen an Bord der Schute mit Atemluft versorgt. Rote Mütze ab, gelber Tauchhelm auf, mit einem Klicken rastet der Verschluss ein. Die Geräusche des Atemreglers erinnern irgendwie an das Röcheln von Darth Vader. Ein kurzes Klopfen auf den gelben Tauchhelm. Hartmut Padel nickt. Alles okay, es kann losgehen.

Mit bleibeschwerten Schritten geht es zu der Leiter, über die er zum Grund des Kanals herabsteigen wird. Stufe für Stufe taucht Padel in das kalte, trübe Nass ein, bis er unter der Wasseroberfläche verschwindet. " Alles in Ordnung?", fragt Braun über die Gegensprechverbindung. " Ja, alles in Ordnung", kommt postwendend die Antwort. Allein ist man eben auch unter Wasser nicht. Knapp unter der Wasseroberfläche flammt die Helmlampe auf. Der Kegel wird mit jedem Schritt in Richtung Kanalsohle kleiner.

Um die Verdachtspunkte zu orten, schleppt Padel einen Eisendetektor mit. Auch dessen Werte werden hochgeleitet. Am Ziel beginnt dann die eigentliche Arbeit: Was auch immer da im Boden wartet, es muss erst freigelegt werden. Der große Bagger auf der Tauchschute kommt dabei selten zum Einsatz: Nur bis auf rund einen halben Meter darf man sich maschinell an die potenziellen Blindgänger ranarbeiten, danach ist wieder schweißtreibende Handarbeit gefragt.

Das spezielle Problem unter Wasser: Durch den aufgewirbelten Schlamm und Schlick verliert der Taucher die Sicht, arbeitet wie in einem dichten, braungrünen Nebel. Da hilft auch der Scheinwerfer am Helm nicht. Was genau freigelegt wird, lässt sich deshalb oft nur ertasten und erahnen. Hilfe bietet zumindest an Bord eine Datenbank, die beim genauen Identifizieren von Kampfmitteln und der damit verwendeten Zündsysteme hilft.

Und wenn die Taucher fündig werden? Braun und einer seiner Kollegen sind nicht nur Taucher, sondern auch ausgebildete Feuerwerker. Sie können Blindgänger unschädlich machen. Die Absprache für den Stichkanal ist aber eine andere: Dort ist dann der niedersächsische Kampfmittelräumdienst am Zug. Muss eine Bombe entschärft oder gesprengt werden, greifen am Vormittag die lange vorbereiteten Evakuierungspläne.

Bislang ist es am Stichkanal noch nicht dazu gekommen. 21 Verdachtspunkte wurden in den ersten drei Nächten sondiert, keiner davon erwies sich als Blindgänger. Der bislang dickste Brocken lag fast 2, 5 Meter unter der Kanalsohle: Er entpuppte sich als ein Stück Erz, das die Metalldetektoren bei der Vorsondierung hatte ausschlagen lassen. Also wieder nichts. Geht es nach Jürgen Wiethäuper von der Stadt Osnabrück, könnte es ruhig so bleiben.
Bildtexte:
Blindgängersuche unter Wasser: Hartmut Padel arbeitet sich an den mit einer kleinen Boje markierten Verdachtspunkt heran.
Passt, wackelt und ganz wichtig hat Luft: Bei der Vorbereitung für einen Tauchgang sind die Männer auf Unterstützung angewiesen. Sie werden über einen Schlauch mit Atemluft versorgt.
Der kleine Schubverband bildet die Basis für die Kampfmittelsuche im Osnabrücker Stichkanal.
Warten auf den ersten Tauchgang der Nacht: Noch fehlen Atemluftflasche und Tauchhelm.
Es kann losgehen: Die Tauchschute liegt in der Nähe des Verdachtspunktes, die Leiter ist schon ausgebracht.
Fotos:
Swaantje Hehmann
Autor:
Frank Wiebrock


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