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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Wann kommt denn nun die Wertstofftonne?
Zwischenüberschrift:
OSB fürchtet Nachteile durch neues Gesetz – Landtag für Abschaffung des gelben Sacks
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Es könnte ganz einfach sein: eine Tonne für gebrauchte Verpackungen und Plastikabfall. In Osnabrück-Eversburg funktioniert das, warum nicht überall? Antwort: weil viele an dem Rohstoff verdienen wollen.

Unsere Müllspalterei treibt manchmal seltsame Blüten: Nicht das Material entscheidet über den Verwertungsweg, sondern die Funktion. Beispiel Kleiderbügel: Wer ein Hemd kauft, das auf einem Kleiderbügel hängt, kann den Bügel als " Verpackung" im gelben Sack entsorgen. Ein isoliert gekaufter Bügel gehört dagegen, wenn er seinen Dienst erfüllt hat, in den Restmüll. Wer das im Alltag beherzigt, verdient eine Auszeichnung für gewissenhafte Müllsortierung. Alltagstauglich ist diese Unterscheidung nicht, weshalb auch der Gesetzgeber einen gemeinsamen Verwertungsweg für Verpackungen und " stoffgleiche Nichtverpackungen (stNVP)" einführen will. Kurz gesagt: die Wertstofftonne.

Doppelte Wege

Im Osnabrücker Stadtteil Eversburg gibt es sie seit 2011 als Pilotprojekt. Zunächst wurden der gelbe Sack und die Wertstofftonne getrennt vom Osnabrücker Service-Betrieb abgeholt am selben Sammeltag mit zwei unterschiedlichen Fahrzeugen. Seit Anfang 2015 dürfen die etwa 900 Haushalte im Testgebiet Plastikschüsseln, Spielzeug, Töpfe oder Altholz zusammen mit dem Verpackungsmüll in die Tonne mit dem orangefarbenen Deckel werfen. Die Tonne wird nun alle vier Wochen vom OSB als Subunternehmer der Firma Augustin (Meppen) geleert. Die Firma Tönsmeier sortiert die Wertstoffe.

An dieser Dreieckskooperation OSB, Augustin, Tönsmeier wird deutlich: Am Wertstoff wollen viele verdienen, und deshalb ist die Gesetzgebung so kompliziert. Seit Jahren wird daran gebastelt, im Herbst 2014 wollte das Bundesumweltministerium einen Arbeitsentwurf für ein neues Wertstoffgesetz vorlegen. Mit einem Jahr Verspätung liegt es seit Oktober vor, und Osnabrücks Chef-Entsorger Detlef Schnier ist besorgt, dass damit die kommunalen Entsorger ausgebootet werden.

Das Umweltministerium wolle Sammlung, Sortierung und Verwertung der Wertstoffe privatisieren und den Betreibern des Dualen Systems übertragen, meint auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Den kommunalen Entsorgern wie dem OSB würde damit eine Einnahmequelle genommen.

Der OSB weiß den Niedersächsischen Landtag an seiner Seite. Der forderte in der vergangenen Woche mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen die Bundesregierung auf, " ein neues, bürgernah organisiertes und transparentes Erfassungs- und Verwertungssystem" zu schaffen, das Wertstoffe wie Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackung gemeinsam erfasse. Die " Organisationsverantwortung" solle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern übertragen werden, um das duale System in diesem Bereich entbehrlich zu machen.

" Völlig absurd"

Martin Bäumer aus Glandorf, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, äußerte sich erfreut über den klaren Landtagsbeschluss, der nach seinen Angaben auf einem Vorschlag der CDU fußt: " Die separate Entsorgung von eigentlich stoffgleichen Joghurtbechern und Kleiderbügeln, wie sie derzeit praktiziert wird, ist völlig absurd und mit unnötigem Aufwand verbunden." Die Kommunen sollten die Möglichkeit bekommen, die Wertstoffentsorgung in ihrer Zuständigkeit zu regeln, damit die Bürger nur einen einzigen Ansprechpartner für alle Müll-Angelegenheiten haben, so Bäumer. Auch der Landkreis Osnabrück will die Wertstoff-Entsorgung selbst regeln. Der Kreis gehört zu den vier Gründungsmitgliedern der " Gemeinschaftinitiative zur Abschaffung der Dualen Systeme" (Gemini).

Das Pilotprojekt in Eversburg endet am 31. Dezember 2016. Wird die Wertstofftonne danach flächendeckend eingeführt, oder werden 2017 die Behälter im Pilotgebiet wieder abgezogen? Selbst der Leiter Abfallwirtschaft beim OSB, Detlef Schnier, wagt keine Prognose, wohin die Reise geht. Wenn es nach ihm geht, wird der gelbe Sack abgeschafft und die Wertstofftonne in der ganzen Stadt eingeführt. Eine zentrale Stelle könnte die Sammlung, Sortierung und Verwertung der Wertstoffe ausschreiben.

Höhere Gebühren

Setzt die Bundesregierung das Wertstoffgesetz in der geplanten Fassung durch und überträgt die Wertstofferfassung komplett den sogenannten Systembetreibern des Grünen Punktes, könnte die Stadt an Mitsprache verlieren, befürchtet Schnier. Dann entschieden die privaten Entsorger zum Beispiel allein über den Sammelrhythmus. Und: Der OSB könnte Gewinne aus der Wertstoffsammlung nicht zur Verlustabdeckung in anderen Bereichen einsetzen, was am Ende zu Gebührenerhöhungen führen werde.

Bildtext:

Wertstofftonne in Eversburg. Das darf zum Beispiel rein: Verpackungen, Schüsseln, Plastiktöpfe, Spielzeug, Wasserschlüche, Blechdosen, Pfannen, Töpfe, Werkzeuge. Nicht zulässig: Holz, Papier, Glas, Restmüll.

Archivfoto:

Jörn Martens

Kommentartext:

Weg damit

Es droht eine Rosinenpickerei, wenn die Umweltministerin ihr Vorhaben zur Wertstoffsammlung durchsetzt. Die privaten Entsorger können sich auf die lukrativen Wertstoffe stürzen, während die kommunalen Unternehmen die Reste aufkehren dürfen. Die Gewinne fließen in private Taschen, die Gelackmeierten sind die Gebührenzahler.

Aber es gibt Hoffnung: Auf Länderebene hat sich eine breite Front gegen das geplante Gesetz gebildet. Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, NRW, Schleswig-Holstein und Thüringen fordern die Abschaffung des Dualen Systems und eine einheitliche Wertstofferfassung unter Verantwortung kommunaler Entsorger. Das ist der richtige Weg. Weg mit gelbem Sack und Grünem Punkt.

Bei dem Geschacher scheint aber ein wichtiges Ziel aus dem Blick zu geraten: Wo sind eigentlich die Anreize für Industrie und Handel, weniger Verpackungen in Umlauf zu bringen?
Autor:
Wilfried Hinrichs


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