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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
"Mit CO2-Steuer Ausgaben der Flüchtlingskrise decken"
Zwischenüberschrift:
Klimaexperte: Wir verschleudern die Kohle viel zu billig – Edenhofer: Konferenz in Paris sollte Zwei-Grad-Begrenzung festschreiben
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Im Interview spricht Ökonom Ottmar Edenhofer zum Klimagipfel in Paris und zum Ausstoß von Kohlendioxid (CO2). Er ist Direktor am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin.
Prof. Edenhofer, Sie haben einmal gesagt, auf dem Klimagipfel in Paris werde nur ein diplomatischer Erfolg erreichbar sein. Muss man Paris daher schon vorab als gescheitert betrachten?
Nein. Aber mit den freiwilligen und lediglich angekündigten Selbstverpflichtungen der Staaten lässt sich das Ziel, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad zu begrenzen, noch nicht erreichen. Aber es darf auch niemand erwarten, dass das Zwei-Grad-Ziel allein durch Selbstverpflichtungen erreicht werden kann.
Warum nicht?
Trotz der Selbstverpflichtungen bleibt in der Klimapolitik das Kooperationsproblem. Wer zuerst tatsächlich CO2 reduziert, muss fürchten, dass andere nicht mitmachen. Das gilt vor allem für ärmere Länder. Für sie haben ihre Entwicklungschancen hohe Priorität, und wir sollten in Paris klären, wie sie finanzielle Unterstützung erhalten, damit sie sich beim Klimaschutz beteiligen.
Was erwarten Sie von der Klimakonferenz in Paris?
Ich erwarte, dass in einem Klimavertrag die Zwei-Grad-Begrenzung festgeschrieben wird. Außerdem wird über die Klimafinanzierung gesprochen. Beides sind gute Voraussetzungen, um über den dritten Schritt zu reden: einen globalen Mindestpreis für den CO2-Ausstoß.
Wie soll das gehen? Wird es für Äthiopien und Indien denselben CO2-Preis geben wie für die USA und die Europäer?
Ja, der gleiche Mindestpreis soll für alle gelten. Aber das wird nur gelingen, wenn es einen Ausgleich zwischen den Armen und Reichen geben wird. Dafür gibt es die Klimafinanzierung, zum Beispiel den Green Climate Fund. Wer mitmacht und bereit ist, den Mindestpreis zu erhöhen, sollte aus dieser Klimafinanzierung Ausgleichszahlungen bekommen. Das wäre richtig, wird in Paris aber noch nicht geschehen. Daher ist es wichtig, den Einstieg für die Zeit danach zu finden. Die Klimadiplomaten sagen: Weil freiwillige Selbstverpflichtungen vorliegen, wird Paris ein Erfolg werden. Das glaube ich nicht.
Warum nicht?
Weltweit werden im großen Stil Kohlekraftwerke geplant. Selbst wenn nur ein Drittel gebaut wird, würden wir schon zusätzlich 113 Gigatonnen CO2 emittieren je nachdem, welche Laufzeit man für die Kraftwerke ansetzt. Die vorhandenen Kraftwerke stoßen schon 730 Gigatonnen aus. Zusammenaddiert ist damit das Kohlenstoffbudget von 1000 Gigatonnen, das wir noch in der Atmosphäre deponieren können, um die Zwei-Grad-Begrenzung einzuhalten, schon fast aufgebraucht. Aber die Kohle-Renaissance setzt sich in Asien fort, und selbst europäische Staaten wie die Türkei investieren in Kohlekraftwerke.
Kohle als Energielieferant ist sehr billig. Wie lässt sich trotzdem der CO2-Ausstoß verhindern?
Mit den jetzigen Preisen wird sich das nicht verhindern lassen. Kohle ist zwar billig, aber mitnichten die günstigste Form der Energieversorgung. Allein wenn man die Gesundheitskosten einbezieht, sieht man, dass wir Kohle viel zu billig verschleudern. Dann kommt man schnell auf eine erschreckende Zahl: Im Durchschnitt subventionieren wir weltweit die Tonne CO2 mit 150 US-Dollar. Das sollten wir durch die flächendeckende CO2-Bepreisung ändern.
Würde das nicht die ärmeren Haushalte belasten?
Ja, aber man kann die ärmeren Haushalte kompensieren oder über eine ergänzende Einkommensteuerreform nachdenken. In vielen ärmeren Ländern würde eine CO2-Bepreisung dann den ärmsten Menschen helfen, zum Beispiel durch Investitionen in die Infrastruktur, in sauberes Wasser, in sauberen Strom, in Telekommunikation, in Straßen und Sanitäranlagen. Das würde sich positiv auf das Leben und die Gesundheit der Ärmsten auswirken. Es ist möglich, die CO2-Bepreisung oder CO2-Steuer so sozial gerecht auszugestalten, dass es nicht überproportional die ärmeren Haushalte belastet, sondern die reicheren.
Im Moment steht in Deutschland die Flüchtlingspolitik im Fokus. Fehlt dadurch Geld beim Umweltschutz?
Mit einer CO2- Steuer oder einer effektiven Reform des europäischen Emissionshandels würde man in Deutschland Einnahmen schaffen, die dazu beitragen könnten, die Ausgaben der Flüchtlingskrise zu decken. Zugleich könnte man ein Signal für den Umbau der Wirtschaft zugunsten CO2-freier Technologien senden.
Haben Sie mit Bundes finanzminister Wolfgang Schäuble darüber gesprochen?
Nein. Im Augenblick ist das Finanzministerium an so einer CO2-Steuerreform wenig interessiert. Es ist auch bedauerlich, dass das Umweltministerium kaum Möglichkeiten sieht, jetzt so zu intervenieren, dass wir eine wirksame Reform des europäischen Emissionshandels bekämen. Dort liegen die Preise leider am Boden. Weil dieser Markt nicht richtig funktioniert, ist er zum Wettbüro für Politik geworden. Das hat uns in Deutschland in eine dramatische energiepolitische Zwickmühle gebracht.
Wieso?
Durch den Preisverfall beim CO2 ist zwar der Anteil der Erneuerbaren am Strommix gestiegen, aber auch die Braunkohle wieder rentabel geworden. Bei einem vernünftigen CO2-Preis wäre uns das erspart geblieben. Jetzt subventionieren wir die Erneuerbaren und zugleich die Braunkohle dafür, dass sie vom Netz genommen und in die Klimareserve eingestellt wird. Das ist keine rationale Klima- und Energiepolitik. Eine vernünftige Reform des europäischen Emissionshandels würde bedeuten, dass man einen stetig steigenden Mindestpreis für CO2 einführt.
Sollten einzelne Staaten als Vorreiter auftreten?
Im Augenblick bewegen Vorreiterpositionen die anderen leider nicht dazu mitzumachen. Es lohnt sich für sie eher, sich als Trittbrettfahrer zu verhalten in der EU und auch weltweit. Es ist zwar schon viel passiert. Aber das hat nicht dazu geführt, dass die weltweiten CO2-Emissionen gesunken sind. Im Gegenteil, sie sind im letzten Jahrzehnt sogar gestiegen.

Bildtext:

Ottmar Edenhofer aus Berlin

Foro:

MCC
Autor:
Christof Haverkamp


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