User Online: 4 | Timeout: 06:08Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Auch GIs haben vergewaltigt
Zwischenüberschrift:
Vortrag in der Volkshochschule über sexuelle Gewalt alliierter Soldaten
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Am Ende des Zweiten Weltkriegs fielen Rotarmisten millionenfach mit sexueller Gewalt über deutsche Frauen her, während amerikanische GIs sie mit Schokolade und Nylonstrümpfen beglückten. Und wenn es nicht bei freundlichen Geschenken blieb, sondern ein " Besatzungskind" entstand, wird die Beziehung wohl einvernehmlich gewesen sein so lautet eine weitverbreitete Überzeugung in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Die Wahrheit sieht jedoch anders aus, hat die Historikerin Miriam Gebhardt herausgefunden.
In ihrem als Buch erschienen Forschungsbericht " Als die Soldaten kamen" räumt die in Konstanz lehrende Professorin mit gängigen Klischees auf und weist nach, dass auch westalliierte Soldaten massenhaft vergewaltigten. In einem leider nicht sehr gut besuchten Vortrag in der VHS stellte sie dem Osnabrücker Publikum ihre wichtigsten Thesen vor und gab Leseproben aus dem Buch.
Das Ausmaß der von Rotarmisten begangenen Vergewaltigungen sei bislang auf ein bis zwei Millionen Fälle geschätzt worden. Dem stellt sie als eigene Hochrechnung die Zahl 500 000 gegenüber. Hinzu kämen, und das ist in dieser Quantifizierung neu, rund 400 000 Vergewaltigungen in den Westzonen zwischen 1945 und 1955. Für die Nennung der Zahlen sei sie angegriffen worden, berichtete die Wissenschaftlerin. Sie habe sie aber stets auch nur als Schätzungen oder Hochrechnungen bezeichnet. Es liege in der Natur der Sache, dass es nichts Genaueres gebe. Selbst heute in unserer freien Gesellschaft müsse man mit hohen Dunkelziffern leben.
Gebhardt stützt ihre Hochrechnungen unter anderem auf Berichte von 540 bayerischen Dorfpfarrern, die ihren Bischöfen über die Vorgänge berichten mussten, und auf Kriminalstatistiken. Sie zog aber auch Gesundheitsakten bei, die wegen der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten aufschlussreich seien, und Quellen zum politischen Diskurs, wenn es um " Kriegsschäden" und " Kriegsrente" ging.
Gebhardt schilderte auch, wie die vergewaltigten Frauen in späteren Jahren immer wieder zu Opfern wurden: von Ärzten, die Abtreibungen willkürlich befürworteten oder ablehnten, von Sozialfürsorgern, die Schwangere in Heime steckten, von Juristen, die Entschädigungen verweigerten. Und nicht zuletzt von einer Gesellschaft, die aus Bündnissolidarität schwieg. Das galt sowohl für die DDR gegenüber der Rotarmee wie auch für die Bundesrepublik gegenüber ihren Nato-Partnern.
Osnabrück ist der nördlichste Punkt in Gebhardts Lesereise durch Deutschland. Osnabrück lag in der britischen Besatzungszone. Britische Soldaten sind nach Gebhardts Hochrechnung " nur" für 45 000 Vergewaltigungen verantwortlich eine deutlich geringere Zahl als bei den Amerikanern (190 000) oder den Franzosen (50 000 in einem sehr viel kleineren Besatzungsgebiet).
Carl-Heinrich Bösling, der VHS-Geschäftsführer, warf die Frage auf, ob das relativ verhaltene Interesse an Gebhardts Vortrag in Osnabrück auch damit zu tun haben könnte, dass in der kollektiven Erinnerung der Osnabrücker sexuelle Übergriffe von britischen Besatzern keine Rolle spielen.
Dieser Vermutung stützte Thorsten Heese, der im Kulturgeschichtlichen Museum Zeitzeugen-Gesprächskreise leitet. " Das können nur Einzelfälle gewesen sein, denn unseren Interviewpartnern ist davon nichts zu Ohren gekommen", sagte er, räumte aber auch ein, dass das Bild nicht repräsentativ sein müsse und für Osnabrück bislang keine systematischen Untersuchungen vorlägen.
Miriam Gebhardt bot die Erklärung an, dass die Briten nur etwa ein Jahr Landkrieg geführt hatten und nicht vier Jahre wie die Russen und zudem auch nicht die Besatzung des eigenen Landes unter Gräueltaten der deutschen Besatzer miterleben mussten. Insofern habe, anders als bei Rotarmisten, das Motiv " Rache" für die Briten wohl keine Rolle gespielt.
Die höhere Neigung der US-Amerikaner zu sexuellen Übergriffen könne damit zusammenhängen, dass in ihren Reihen der Eindruck erweckt worden sei, deutsche " Frauleins" seien ihrer Natur nach dekadent und permissiv. US-Soldatenzeitungen hätten unterschwellig das Bild der deutschen Frau als " Trophäe" vermittelt, die als " Belohnung" nach siegreichem Kampf auf die Befreier warte.

Bildtext:

Die Konstanzer Historikerin Miriam Gebhardt sprach in der Volkshochschule über die Vergewaltigung deutscher Frauen durch alliierte Soldaten.

Foto:

Jörn Martens
Autor:
Joachim Dierks


Anfang der Liste Ende der Liste