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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
"Anschlag auf unsere Freiheit"
Zwischenüberschrift:
2500 Osnabrücker bei Paris-Schweigeminute am Rathaus
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. 2500 Osnabrückerinnen und Osnabrücker haben gestern um 12 Uhr vor dem Rathaus der Opfer des Terroranschlags von Paris gedacht. " Wir lassen und nicht einschüchtern und unsere Freiheit nicht nehmen", sagte Oberbürgermeister Wolfgang Griesert, der gemeinsam mit Landrat Michael Lübbersmann auf der Rathaustreppe stand. Viele Schulen, Firmen und Kaufhäuser beteiligten sich.

Die größte Gruppe auf dem Marktplatz stellten Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Carolinum. Auch von der benachbarten Ursulaschule waren einzelne Klassen gekommen. Neben verschiedenen Vertretern von Rat und Verwaltung, Vertretern von Wissenschaft und Kunst sowie Angehörigen des Runden Tisches der Religionen standen viele Bürger, die ihre Anteilnahme zum Ausdruck bringen wollten. " Wir sind Europa, deshalb ist nicht allein Frankreich betroffen, sondern wir alle", meinte eine Teilnehmerin.

Ähnlich äußerte sich auch der Oberbürgermeister, der nach dem Glockengeläut von St. Marien das Wort ergriff: " Das, was die Feinde unserer Freiheit als , pervers′ bezeichnen, lieben wir. Das, was die Feinde unserer Freiheit als , dekadent′ bezeichnen, wollen wir nicht anders: Wir wollen abends ausgehen und die Musik hören, die uns gefällt. Wir wollen die Kleidung anziehen, die uns gefällt."

" Unsere Freiheit ist die Freiheit unseres Denkens im Namen der Toleranz." Diese Toleranz präge unseren Lebensstil, nicht nur in Paris, sondern in ganz Europa, auch im Landkreis Osnabrück und in der Friedensstadt Osnabrück. Ermordet worden seien Menschen, " die gefeiert haben, die ihre Freiheit genossen haben, die andere Menschen geliebt haben, Menschen wie wir!"

Eine Gruppe von Polizisten in Uniform nahm " als Bürger und Menschen" an der Schweigeminute teil, sagte der Leitende Polizeidirektor Michael Maßmann. Auch ihnen sei es ein Herzensanliegen, ihre Solidarität mit den Opfern auszudrücken.

So ruhig, wie die vielen Menschen zusammengekommen waren, leerte sich der Marktplatz anschließend. Um 12.11 Uhr standen nur noch vereinzelt einige Menschen zusammen, um sich über die schrecklichen Ereignisse von Paris auszutauschen.

Trikolore-Beleuchtung

Kurz vor 12 Uhr herrscht bei L+ T entspannte Einkaufsstimmung: Die Dekoration mit Tannengirlanden ist schon dezent auf Weihnachten ausgerichtet, durch das Geschäft wabert eine dezente Geräuschkulisse aus klirrenden Kleiderbügeln und leisen Beratungsgesprächen. An den Kassen händigen freundliche Verkäuferinnen die Ware aus, irgendwo spielt ein Kind zwischen Mänteln Verstecken. Auch in den Cafés und Bistros herrscht geschäftiges Treiben. Eine Ansage informiert die Kunden über die geplante Schweigeminute um Punkt 12 Uhr, Stephan Rehse und seine Kollegen von der Haustechnik stehen bereit. Als der Gong ertönt, stoppen sie die Rolltreppen. Für eine kurze Minute kommt der Einkauftstrubel fast zum Erliegen. Dann der zweite Gong, die Rolltreppen laufen wieder an, die Einkäufe können weitergehen.

Auch Galeria Kaufhof beteiligte sich in ähnlicher Form bundesweit an der Schweigeminute.

Außer am Rathaus stand am Mittag auch an vielen anderen Orten in Osnabrück die Welt für einen Moment still. Im VW-Werk war es in der Mittagsminute ebenfalls sehr ruhig. Alle Bänder wurden angehalten. Die Mitarbeiter waren aufgerufen, an ihren Arbeitsplätzen im Gedenken an die Opfer von Paris zu verharren und zu schweigen. " Wir machen das auch in Solidarität mit unserer Partnerstadt Angers", sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Gerhard Schrader unserer Redaktion. Bei KME beteiligten sich die Beschäftigten abteilungsweise an der Schweigeminute geplant. Am DGB-Haus gingen um 12 Uhr die Lichter aus.

Außerdem gedachten die Schulen in Osnabrück der Opfer der Terroranschläge von Paris. Am Graf-Stauffenberg-Gymnasium etwa läutete ein Gong um 12 Uhr die Schweigeminute in den Klassenräumen ein. Außerdem wurden die Attentate im Unterricht thematisiert. Am Berufsschulzentrum Westerberg lief ein entsprechender Aufruf seit dem Morgen über die Informationsbildschirme.

Das Ratsgymnasium und das Gymnasium " In der Wüste" beteiligten sich mit allen Klassen an der europaweiten Aktion. Um 9.30 Uhr wurden die Schüler mit einer Durchsage informiert. Im Schulzentrum Sonnenhügel ertönte um 12 Uhr ein besonderes Klingelzeichen, der Unterricht wurde unterbrochen. Die Lehrer waren aufgerufen, in den Klassen die Attentate von Paris altersgerecht zu besprechen. " Wir wollen vor allem die europäischen Werte und Toleranz thematisieren", sagte der Leiter des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums, Hartmut Bruns.

Auch die beiden bischöflichen Gymnasium Angelaschule und Ursulaschule erklärten auf Nachfrage unserer Redaktion, sich an der Gedenkveranstaltung zu beteiligen. Einzelne Klassen der Ursulaschule nahmen an der Schweigeminute vor dem Rathaus teil.

Auch im Zoo gab es um 12 Uhr eine Durchsage für Mitarbeiter und Besucher.

Die Niedersächsische Staatskanzlei in Hannover ordnete am Montagmorgen die Trauerbeflaggung für alle öffentlichen Gebäude an. Den der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wurde empfohlen, ihre Dienstgebäude ebenfalls halbmast zu beflaggen.

Auch Mitarbeiter und Patienten im Klinikum gedachten der Terroropfer von Paris.

In den Bussen der Stadtwerke herrschte um 12 Uhr ebenfalls Stille. Um kurz vor 12 Uhr wurden die Fahrgäste der Linie 31 Richtung Dodesheide zunächst vom Fahrer auf die folgende einminütige Pause hingewiesen. Anschließend erklang eine kurze Ansprache über Funk: " Liebe Fahrgäste, aufgrund der Terroranschläge in Paris beteiligen sich auch die Stadtwerke an der Schweigeminute." Die Fahrgäste wurden eingeladen, ebenfalls zu schweigen. Der Bus hielt anschließend mit laufendem Motor am Straßenrand. Die ohnehin schweigsamen Fahrgäste ließen die Blicke von ihren Smartphones aus den Fenstern schweifen. Nach 60 Sekunden setzte der Bus seine Fahrt fort.

Seit dem gestrigen Abend leuchten zudem die zwölf Fenster im Rathaus in den Farben der Trikolore. " Den Schatten des Terrors überstrahlen wir mit Licht", begründet Oberbürgermeister Griesert die Illumination. Eine Woche lang wird die Solidaritätsaktion in den Morgen- und Abendstunden zu sehen sein.

Bildtext:

Innehalten und der Opfer gedenken: Schweigeminute nach den Anschlägen von Paris auf dem Osnabrücker Marktplatz um 12 Uhr am Montagmttag.

Fotos:

Jörn Martens, Gert Westdörp, Michael Gründel

Auf dem Weg zum Marktplatz entdeckt: Solidaritätskundgebung am Kunstquartier in der Bierstraße.

Einige der Teilnehmer auf dem Marktplatz hatten Kerzen mitgebracht.

Kommentartext:

Miteinander schweigen, aber auch reden

Vor einer beeindruckenden Kulisse hat Oberbürgermeister Wolfgang Griesert um 12 Uhr am Montag die Schweigeminute für die Terroropfer von Paris eingeleitet. Allein die Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler vom Gymnasium Carolinum sorgte dafür. Aber auch viele Bürgerinnen und Bürger waren zum Rathaus gekommen, hatten ihre Mittagspause vorgezogen oder Sitzungen unterbrochen, um ihre Solidarität zu zeigen.

Ein ähnlich imposantes Bild hatte es auf den Tag genau vor zehn Monaten gegeben, als Paris schon einmal von Terroristen überfallen worden war. Es ist den Osnabrückern wichtig, ihre Anteilnahme durch einen symbolischen Akt auszudrücken.

Miteinander zu schweigen ist aber nicht alles. Alle, die dabei waren, sollten auch reden, das Gespräch suchen. Sie sollten reden mit denen, die Angst haben vor dem Terror. Sie sollten reden mit denen, die jetzt ihre Vorurteile weiter ausleben. Sie sollten reden mit denen, die nach den Anschlägen von Paris einen Sündenbock suchen und ihn in Flüchtlingen finden.

Osnabrück führt den Titel " Friedensstadt" im Namen. Es gibt eine gute Möglichkeit, diesem Titel gerecht zu werden: Wenn sich die Osnabrücker nicht durch Mörder verunsichern lassen, sondern sich noch mehr mit denen solidarisieren, die vor Terror geflüchtet sind.
Autor:
Ulrike Schmidt
 
Annalena Klein
 
Frank Wiebrock


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