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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wie man im Berufsverkehr die Nerven behält
Zwischenüberschrift:
Verkehrspsychologe Andreas Brüggemann über Revierverhalten, Yogaübungen und BMW-Fahrer
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Wenn einem bei einer Stehparty partout kein Gesprächsthema einfallen sollte, kann man sich immer noch über die Neumarkt-Baustelle und den zäh fließenden Verkehr aufregen. Wie man die Zeit im Stau sinnvoll nutzen kann und ob BMW-Fahrer wirklich die schlimmsten sind das erläutert Verkehrspsychologe Andreas Brüggemann im Interview.
Herr Brüggemann, bringt Autofahren das Schlimmste im Menschen zum Vorschein?
Ja, ich befürchte, das ist so. Hier kommt ja auch einiges zusammen. Im Auto benehmen wir uns sehr ungehemmt. Wir fühlen uns geschützt, können fluchen und schimpfen, ohne dafür zurechtgewiesen zu werden, fühlen uns unbeobachtet . . .
. . . was man merkt, wenn man an der roten Ampel mal in den Rückspiegel blickt.
Richtig. Frauen schminken sich, Männer bohren schon mal in der Nase. Hinzu kommt, dass das Auto schallisoliert ist, und wir durch diese Schutzzone auf Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern gehen. Wir bewegen uns im geschützten Raum durch die Straße, also unser Revier, das wir verteidigen wollen. Zugleich begeben wir uns in eine starke Interaktion mit unserem Umfeld und versuchen, unsere eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Also möglichst zügig voranzukommen und unser Ziel zu erreichen. Und natürlich treffen dann auch hier unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlich ausgeprägtem Narzissmus aufeinander.
In Osnabrück regen sich die Autofahrer derzeit über die Neumarktsperrung sowie viele andere Baustellen auf. Leser berichten uns, dass sie für ihren Heimweg statt 15 Minuten plötzlich 45 Minuten brauchen. Sie sitzen fest im Stau. Das totale Ohnmachtsgefühl. Was raten Sie ihnen?
So banal das klingt: zunächst einmal die Autofahrt entsprechend zu planen, also rechtzeitig loszufahren. Auch wenn Autofahrer häufig meinen, sich über die Naturgesetze der Zeit hinwegsetzen zu können . . . Schließlich sollte man sich überlegen, was einem Stress verschafft. Und das ist meistens Termindruck. Gerade bei beruflichen Terminen sollte man, wenn man im Verkehr feststeckt, den Kunden einfach anrufen und die Lage schildern. Komischerweise trauen sich das viele nicht. Etwas anderes ist es natürlich, wenn man ein Kind von der Schule oder dem Kindergarten abholen muss. Das lässt sich nicht verschieben.
Und wenn ich nun meinen Kunden angerufen habe was mache ich die ganze Zeit im Auto?
Sehen Sie sie als Geschenk an! Wir Psychologen sprechen da von Reframing, also einer Umdeutung. Statt sich über vergeudete Zeit zu ärgern, nehmen Sie die Zeit im Auto als willkommene Ruhephase an. Überdenken Sie in Ruhe Probleme, betreiben Sie progressive Muskelentspannung oder Yogaübungen, hören Sie eine gute Radiosendung also nicht unbedingt Formatradio, das wirkt sicherlich weniger entspannend –, oder legen Sie ein Hörbuch ein. Sie können sich auch einmal umschauen, was die anderen Verkehrsteilnehmer gerade so treiben.
Ein Flirt im Stau?
Warum nicht?! Aber es hilft auch, wenn ich einem Geschäftsmann neben mir ein verständnisvolles Lächeln schenke. Durch bewusstes Lächeln werden bestimmte Muskelgruppen aktiviert. Diese Aktivierung lässt uns glauben, dass wir gute Laune haben. Und so kommt es dann auch. Wir können also autosuggestiv den Stress weglächeln.
Sie bereiten unter anderem Autofahrer, denen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, auf die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) vor. Früher sprach man etwas abfällig vom " Idiotentest". Wer kommt denn so zu Ihnen?
Bei uns sind es in 90 Prozent der Fälle Männer. Wenn die Fahrerlaubnis entzogen wurde, dann gibt es dafür drei unterschiedliche Gründe: Alkohol, Drogen oder Verkehrsauffälligkeiten beziehungsweise - delikte. Das Durchschnittsalter unserer Kunden liegt bei Alkohol und Verkehrsdelikten bei etwa 39 und 37 Jahren, bei Drogen etwa bei 29.
Und ist es richtig, dass BMW-Fahrer die schlimmsten Raser und Drängler sind?
Nun, manche Kollegen vom Tüv sagen, Audi-Fahrer seien die schlimmsten (lacht). Doch wer mit offenen Augen über die Autobahn fährt, stellt fest, dass bei den auffälligen Verkehrsteilnehmern vom kleinen Polo bis zum dicken Audi alles dabei ist. Ich möchte daher an dieser Stelle keine Fahrzeugtypen stigmatisieren.
Noch eine kleine Frage: Warum kapiert eigentlich niemand, wie das Reißverschlussverfahren funktioniert?
Danke, danke, danke für diese Frage! Das ist nämlich mein Hauptthema. Wir sprachen ja bereits von der Straße als Revier, in dem ich viele Nachteile durch andere Verkehrsteilnehmer erfahre. In diesen Situationen der gefühlten Hilflosigkeit kommt es zu Stressreaktionen, und aus der Schule kennen wir alle noch die " Flight-or-Fight-Reaktion". Flucht ist nicht möglich, also kämpfe ich: Wenn ich nun zwischen den Kolonnen hin- und herspringe und in eine Lücke links von mir fahre oder die Lücke vor mir schließe, weil ich einem Einfädelnden den Vorsprung nicht gönne, dann habe ich den Eindruck, dies geschehe zu meinem Vorteil. Allerdings geht das auf Kosten des gesamten Verkehrs. In diesem Moment des Konkurrenzdenkens setzt der Verstand aus, das große Ganze wird nicht mehr gesehen. Und weil viele so handeln, entstehen an Engpässen die Staus. Deswegen nochmals deutlich: In der eigenen Spur bleiben und versetzt zur Nebenspur Abstand halten, um das Einfädeln am Ende der Spur zu ermöglichen. Eigentlich ganz einfach.
Fahren Sie denn noch selbst Auto?
Ja, jeden Tag etwa 60 Kilometer zur Arbeit. Da komme ich übrigens auch an mehreren Dauerbaustellen vorbei, an denen ich mich jedes Mal maßlos darüber ärgere, dass das Reißschlussverfahren nicht funktioniert.
Aber bitte ärgern Sie sich doch nicht! Nutzen Sie die Zeit für progressive Muskelentspannung oder ein Hörbuch. Und wenn das nicht hilft: einfach lächeln

Bildtext:

Andreas Brüggemann ist Verkehrspsychologe und Teamleiter bei der Tüv-Nord-Tochter Nord-Kurs, die MPU-Vorbereitungskurse anbietet und für ein Einzugsgebiet von Osnabrück bis Frankfurt zuständig ist. Foto: Brüggemann

Insbesondere auf dem Osnabrücker Ring ist das Vorankommen während der Hauptverkehrszeiten oftmals eine Geduldsprobe, Foto: Archiv/ Gert Westdörp
Autor:
Cornelia Achenbach


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