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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Eine Stadt trotzt dem Wasser
Zwischenüberschrift:
Wie Beira in Mosambik versucht, mit den Auswirkungen des Klimawandels zu leben
Artikel:
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Originaltext:
Beira. Überschwemmungen, Dürren, Zyklone: Der Küstenstaat Mosambik in Südostafrika hat besonders mit den Auswirkungen von Wetterextremen aufgrund des Klimawandels zu kämpfen. Doch es gibt Ansätze, die Menschen besser davor zu schützen mit Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Stumm schaut Jaime Tanguene aufs Meer. Dort, wo eben noch die rückwärtige Wand seiner Fischerhütte gestanden hat, lecken nun die Wellen gierig über abgesplitterte Holzbalken. Der Indische Ozean hat sich ein Stück von Tanguenes Existenz geholt. Und dem Mosambikaner bleibt nicht mehr, als hilflos danebenzustehen, die Beine in zu kurzen Hosen, in der Hand eine schwarze Schirmmütze, während das Wasser in seine Hütte schwappt.

Früher, sagt der 52­Jäh rige, sei das Meer mehrere Hundert Meter weit entfernt gewesen von diesem Strand in der mosambikanischen Küstenstadt Beira. Mit einer Armbewegung weist er vage in die glitzernde Ferne, ein Tankschiff zieht am Horizont vorbei. Mangrovenbäume hätten hier damals gestanden, viele davon, und noch weitere Häuser, dort, wo inzwischen Wasser ist. Jetzt fressen sich die Wellen in den lehmigen Boden direkt an einer Straße mit kleinen Marktständen, daneben ein paar Fischerboote und ­hütten, von denen eine Tanguene gehört.

Im Dezember wird die Weltgemeinschaft in Paris über die neuen internationalen Klimaschutzziele verhandeln, unter anderem über die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad, um einen weiteren Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern. Für Städte wie Beira im südostafrikanischen Mosambik geht es dabei um die Existenz. Nur wenige Meter liegen Teile der Stadt über dem Meeresspiegel. Wetterextreme wie Starkregen und Zyklone, die vom Indischen Ozean auf die Küste prallen, haben hier besonders fatale Auswirkungen.

Wenig Schutz

Hinzu kommt, dass Mosambik als eines der zehn ärmsten Länder der Welt bisher so gut wie keine Katastrophenvorsorge betreibt. Ungebremster Raubbau an der Natur wie die Abholzung von Mangrovenwäldern trägt sein Übriges dazu bei, dass die Bevölkerung Sturmfluten und Überschwemmungen schutzlos ausgeliefert ist. Um dies zu ändern, unterstützt die deutsche Förderbank KfW im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) mehrere Projekte in Mosambik, unter anderem in Beira.

Ein paar Kilometer weiter südlich des Strands, an dem Tanguenes Fischerhütte steht, mündet der Fluss Chiveve in den Ozean oder das, was von ihm übrig ist: ein Rinnsal. Beiras Bürgermeister Daviz Simango stapft durch das ausgetrocknete Flussbett, der Boden ist rissig. Bald soll das Wasser hier wieder fließen. Die Stadt brauche den Chiveve zur Entwässerung, sagt Simango, denn: " Solange der Fluss das Regenwasser nicht ins Meer transportiert, erleben wir immer wieder Überschwemmungen."

Deshalb will die Stadt den Chiveve renaturieren. Derzeit ist er versandet, und bis vor Kurzem war er auch noch völlig vermüllt. Menschen hatten ihre Hütten in das trockene Flussbett hineingebaut. Seit einigen Monaten schreiten die Arbeiten voran: Der Müllteppich ist verschwunden, die Menschen wurden in feste Häuser im Stadtzentrum umgesiedelt. Schwere Maschinen baggern das Flussbett aus und verbreitern es. Zusätzlich sollen am Ufer Mangroven gepflanzt werden.

" So kann der Chiveve künftig Sturmfluten und Regen auffangen", erläutert Christof Griebenow, Projektmanager bei der KfW. Die Förderbank finanziert das Programm mit 13 Millionen Euro. Klimaanpassung ist das Stichwort, unter dem solche Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit stehen: die Menschen vor Ort fit dafür machen, mit den Folgen des Klimawandels zu leben.

Damit das Wasser abfließen kann, entsteht an der Mündung des Chiveve zum vorgelagerten Hafen außerdem ein Gezeitenbauwerk. Nach Angaben der KfW rechnen Experten bis 2050 mit einem Anstieg des Starkregens um 30 Prozent, weil sich das Klima verändert. Diese Entwicklung soll das Gezeitenbauwerk abfedern: Wenn sich Starkregen ankündigt, wird es geschlossen, damit das Meer nicht zusätzlich in den Fluss drücken kann. Bei Ebbe wird dann die Schleuse wieder geöffnet, um das Wasser abfließen zu lassen. " Wir müssen lernen, mit dem Wasser zu leben", sagt Bürgermeister Simango. Er klingt nicht resigniert, sondern kämpferisch.

In der Siedlung Goto ein paar Kilometer flussaufwärts tritt Chaimel vor die kleine Hütte, die er mit seiner Familie bewohnt. So hoch stehe hier das Wasser, wenn es viel regne, sagt der 18-Jährige und deutet auf sein Knie. Und dann? Er zuckt mit den Schultern. " Dann warten wir, bis es irgendwann wieder trocken ist." Tage könne das dauern. Solange waten die Menschen durch die Fluten und später durch den tiefen Schlamm.

Mehr als 10 000 Einwohner zählt Goto, viele von ihnen sind bitterarm. Die Hütten stehen dicht beieinander, dazwischen unbefestigte Gassen, durchzogen von Abwasser-Rinnsälen, überall Müll. Moskitos tanzen darüber. Krankheiten wie Malaria und Cholera sind Dauergäste in diesem Viertel. Während der Regenzeit ab November gehören Überschwemmungen zum Alltag.

Chaimel und seine Nachbarn hoffen, dass bis dahin die Kanäle fertig sind, die Goto entwässern und den Regen in den nahen Chiveve leiten sollen. Auch dies ist Teil des KfW-geförderten Projektes und wird von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betreut. Darüber hinaus wurde ein lokales Komitee zur Katastrophenvorsorge ins Leben gerufen, das die Bewohner warnen soll, wenn besonders heftige Regenfälle anstehen.

Zugleich hat die GIZ gemeinsam mit der Stadtverwaltung eine Abfallsammlung entwickelt, die von den Einwohnern selbst organisiert wird. Seither zieht der Mülldienst durch die Gassen, eine Trillerpfeife im Anschlag. Ertönt ein Pfiff, bringen die Anwohner ihren gesammelten Abfall hinaus, der wiederum zu einer Deponie gefahren wird. Eine kleine ehrenamtliche Theatergruppe tourt mit einem kurzen Stück durch Goto, das vor den Risiken durch unachtsam weggeworfenen Müll warnt. Es gilt, die Menschen sensibel für dieses Problem zu machen.

Gleich neben der Fischerhütte von Jaime Tanguene am Strand von Beira begutachtet Aida die Schäden am Häuschen. Die Händlerin hat einen Stand auf dem nahen Markt. Hat sie schon einmal etwas vom Klimawandel gehört? Aida schüttelt den Kopf und lächelt fast entschuldigend, während das Wasser zu ihren Füßen gegen die Küste brandet und Stück für Stück den Boden fortreißt.

Der Fischer Tanguene wird warten, bis Ebbe ist. Dann wird er die Rückwand seines Hauses reparieren, so gut es geht. Und schauen, was bei der nächsten Flut passiert. Vielleicht wird das Wasser dann noch ein Stückchen weiter in sein Haus eindringen. Er weiß es nicht. Er schaut stumm aufs Meer.

Leben in Beira: Szenen aus Mosambik auf noz.de/ politik
Bildtext:
Die Flut hat die Rückwand dieser Fischerhütte in Beira fortgerissen (oben). Bürgermeister Daviz Simango (links) sagt: " Wir müssen lernen, mit dem Wasser zu leben:" Das Stadtviertel Goto (rechts) ist regelmäßig überschwemmt. Ein Theaterstück klärt über die Notwendigkeit der Müllentsorgung auf.
Eine ehrenamtliche Theatergruppe führt in Goto ein Stück auf, das die Müllproblematik thematisiert.
Zur Entwässerung der Sied lung werden hier Kanäle gebaggert.
Ein Rinnsal Abwasser läuft aus einer Hütte in Goto.
Die Rückwand der Hütte von Jaime Tanguene in Beira wurde vom Wasser fortgerissen.
Fotos:
Franziska Kückmann

Mosambik
Das Land Mosambik liegt im Südosten Afrikas. Es ist etwas mehr als doppelt so groß wie Deutschland. Dort leben aber nicht einmal halb so viele Menschen. Die Mosambikaner sind sehr arm: Viele haben nicht genug zu essen, nur jeder Zweite hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung sehr schlecht ist und viele Menschen an Krankheiten wie Malaria, Cholera und Aids leiden. Zahlreiche Kinder gehen nicht zur Schule und fangen schon sehr früh an zu arbeiten. So helfe sie ihren Familien. Nur die Hälfte der Erwachsenen kann lesen und schreiben. Mosambik ist eines der zehn ärmsten Länder der Welt. Mehr als 500 Jahre war es eine portugiesische Kolonie, bevor es 1975 unabhängig wurde. Ein Jahr später brach ein blutiger Bürgerkrieg aus, der 16 Jahre dauerte. Der Krieg zerstörte das Land, fast eine Million Menschen starben. Unter den Folgen des Konflikts leidet Mosambik bis heute. Zugleich wird der Staat mit einer Küste von 3000 Kilometer Länge am Indischen Ozean immer wieder von Naturkatastrophen wie Dürren, Stürmen und Fluten heimgesucht. Auch das macht den Mosambikanern zu schaffen.
Autor:
Franziska Kückmann


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