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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Mit Holz und Häusern gewachsen
Zwischenüberschrift:
Zimmermeister Wiemeyer begründete vor 140 Jahren ein Gewerbe am Arndtplatz
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Die " Fruchtfolge" auf dem Gelände südlich des Arndtplatzes lautete: Zimmereibetrieb mit Holzhandel Garagenvermietung mit Tankstelle Supermarkt mit Parkplätzen. Eines ist jedoch über 140 Jahre geblieben: das Wohnhaus Arndtplatz 1, das der Zimmermeister, Baumeister und Holzhändler Wilhelm Heinrich Wiemeyer 1875 für sich und seine Familie errichtete. Es war eines der ersten Häuser außerhalb des Martinitores und das erste am Arndtplatz.

Wie es sich für einen Zimmermann gehört, baute er ein Fachwerkhaus. Dem Bauherrn war gleichzeitig an einem urbanen Eindruck gelegen, deshalb blendete er gelb gebrannte Klinker davor. Wiemeyers Urenkelin Anneliese Fischer (83) wohnt mit ihrem Mann Otto bis heute in dem Haus und hat seine Geschichte über viele Jahrzehnte hautnah miterlebt, einschließlich der Bombenangriffe im letzten Krieg. 1944 rasierte eine Sprengbombe die rückwärtige Außenmauer des Hauses hinfort, aber das restliche Haus stand wie eine Eins. " Der Statiker hat hinterher bestätigt, dass wir das dem soliden Fachwerk-Grundgerüst zu verdanken haben", erzählt Anneliese Fischer. Was auch erhalten blieb, sind die unter Denkmalschutz stehenden, kunstvoll verzierten Holzdecken in den Räumen der Beletage.

Wiemeyer war nicht nur ein tüchtiger Zimmer- und Baumeister, er hatte auch ein geschicktes Händchen für Immobiliengeschäfte. Er verstand es, aus den damals von den Laischaften, der Stadt und der Marienkirche " vor dem Thore" angebotenen Grundstücken sich die Rosinen herauszupicken. So gehörte ihm vorübergehend das Areal zwischen Martinistraße 59 und der Weidenstraße, auf dem Villa und Fabrik Karmann entstanden. Filetstücke in der Arndtstraße, Friedrichstraße, Weißenburger und Lotter Straße kaufte er an und verkaufte sie später nicht ohne Gewinn an Bauwillige. Es liegt auf der Hand, dass die zukünftigen Bauherren dabei verpflichtet wurden, Zimmerei- und Tischlerarbeiten in seiner Firma zu bestellen. Wiemeyer war gut für Dachstühle und Holzveranden genauso wie für Fenster und Türen oder Kassettendecken und Einbaumöbel. Als Architekt und Baumeister übernahm er auch ganze Rohbauaufträge. 1893 war er am Bau des Regierungsgebäudes am Wall beteiligt.

Wilhelm Heinrich Wiemeyer stand in hohem Ansehen. Bereits 1875 wurde er in den Stand eines Großmeisters der Freimaurerloge erhoben. Von 1909 bis 1912 vertrat er als Bürgervorsteher die Interessen seines Stadtbezirks im Rat. Außerdem war er Vorsitzender der Baugewerken-Innung, vereidigter Schätzer und Sachverständiger sowie Lehrer an der Gewerbeschule. In eigener Sache erwarb er 1875 zusammen mit dem Holzhändler J. W. Abeken von der Martinianer- und der Heger Laischaft eine Fläche " vor dem Martinithore, links neben der Martinistraße". Die sogenannte Gülkenwiese lag zwischen Martinistraße, dem " Großen Canal", wie der verrohrte Pappelgraben im Zuge des Schnatgangs hieß, und den städtischen Pferdeweiden. Noch im gleichen Jahr vereinbarten Abeken und Wiemeyer eine Teilung, Wiemeyer behielt die nach dem Arndtplatz hin gelegene Fläche von 4217 Quadratmetern und errichtete darauf eine Holzlagerhalle, eine Tischlerei-Werkstatt, ein Kontorgebäude und das stattliche Wohnhaus.

Wiemeyers Tochter Louise verliebte sich ausgerechnet in einen Bankangestellten. Das passte dem alten Wiemeyer überhaupt nicht. Carl Ellermann musste ein ehrbares Handwerk erlernen, sonst würde er seine Louise nicht kriegen. Carls Liebe war stärker als alle bisherigen Karrierepläne. Er sollte Geschäftsträger bei der Deutschen Bank in London werden er blies die Sache ab und ging stattdessen bei seinem künftigen Schwiegervater in die Zimmermannslehre, erwarb den Gesellen- und den Meisterbrief und besuchte anschließend noch das Holztechnikum Lemgo mit dem Abschluss als Architekt.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und in der Inflationszeit liefen die Geschäfte nicht mehr so gut. Carl und ab 1922 auch dessen Sohn Heinrich Ellermann legten sich ein neues Standbein zu, das wegen der wachsenden Motorisierung Zukunft versprach: Sie bauten auf einem Teil des Betriebsgeländes einen Garagenhof und vermieteten die teils sogar beheizten Garagen an Autobesitzer in der Weststadt. Garagen direkt am Wohnhaus kannte man noch nicht. Andererseits waren die teils aus Holz bestehenden Karossen nicht so wetterfest wie heutzutage und in einer geschlossenen Garage besser aufgehoben. 1929 kamen zu den " Central-Garagen" zwei Benzin-Zapfstellen und eine Werkstatt hinzu. Ende der 1930er-Jahre gab Heinrich Ellermann die Zimmerei ganz auf, einen Teil der Werkstätten verpachtete er an den Furnierhandel Terhörst.

1940 beschlagnahmte die Wehrmacht alle Garagen, um dort requirierte Privatfahrzeuge zusammenzuziehen. Bei einem der ersten Bombenangriffe 1942 wurde der Garagenhof von Brandbomben getroffen, die vollgetankten und zum Ausrücken bereitgestellten Autos boten dem Feuer reiche Nahrung. 1945 folgten die Engländer. Ihnen fiel nichts Besseres ein, als den Hof auch wieder zu beschlagnahmen und für ihren Fuhrpark zu nutzen. Nach der Rückübertragung 1950 ging Heinrich Ellermann gleich an den Wiederaufbau der Garagen. Die Nachkriegs-Motorisierung sorgte bald wieder dafür, dass alle 88 Garagen vermietet waren. 1987 entschieden die heutigen Eigentümer, den inzwischen nicht mehr zeitgemäßen Garagenhof abzureißen und Platz zu schaffen für den Bau eines Coop-Supermarkts. Coop machte pleite, Comet übernahm den Markt, und heute versorgt er unter der Flagge Rewe die vordere Wüste und die angrenzende Weststadt mit allem Lebensnotwendigen.

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Bildtexte:
Acht Pferde mussten angespannt werden, um den dicken Eichenstamm zum Zimmermeister Wiemeyer zu bringen. Vor dessen Wohnsitz Arndtplatz 1 und dem kleineren Kontogebäute (links daneben) legte man einen Foto-Stopp ein. Das vor 1900 entstandene Foto entstammt dem Archiv Wiemeyer/ Ellermann
Äußerlich nahezu unverändert, überwacht das Wohnhaus nach wie vor den Arndtplatz.
Foto:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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