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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Schweiger plant Kita für Flüchtlinge
 
Schweiger: Respekt, Respekt, Respekt
Zwischenüberschrift:
Schauspieler und Pistorius besuchen Osnabrücker Erstaufnahme-Einrichtung
 
Schauspieler ergriffen vom Schicksal der Flüchtlinge und beeindruckt von Osnabrück
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück/ Berlin. Filmemacher Til Schweiger hat am Mittwoch bei einem Besuch im Osnabrücker Flüchtlingshaus erste konkrete Plane für eine Unterstützung durch seine neu gegründete " Til Schweiger Foundation" bekannt gegeben.
Danach sind der Bau einer Kita, Räume für Sprachunterricht und die Einrichtung eines Fitnessraumes in Osnabrück vorgesehen. Schweiger besichtigte mit seinem Stiftungsmitstreiter Thomas D von der Band " Die Fantastischen Vier" und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Erstaufnahme-Einrichtung des Landes.
Pistorius hatte Schweiger vorgeschlagen, sich in Osnabrück einzubringen, weil sich die Pläne für ein neues Flüchtlingsheim in Osterode am Harz verzögern, das der Schauspieler unterstützen wollte. Das Haus in Osnabrück befinde sich noch im Aufbau, daher könnte noch einiges an der Struktur beeinflusst werden, sagte Pistorius.
Unterdessen haben die Grünen den Vorschlag aus der Union und Teilen der SPD kritisiert, den Solidaritätszuschlag für die östlichen Bundesländer in einen Solidaritätszuschlag für Flüchtlinge umzuwandeln. In einem Gespräch mit unserer Redaktion sagte Grünen-Chefin Simone Peter: " Solidarität heißt gerade nicht, dass wir verschiedene Gruppen in Deutschland gegeneinander ausspielen." Die Einnahmen aus dem Soli sollten weiterhin in den allgemeinen Haushalt fließen, forderte Peter. Dort würden sie auch gebraucht, " in Zukunft zur Stärkung strukturschwacher Regionen unabhängig von der Himmelsrichtung".
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach sich dafür aus, " Transitzonen" an der deutschen Grenze mit Schnellverfahren für Asylbewerber einzurichten. Das Ministerium arbeite bereits an einem Gesetzentwurf dazu, der in den nächsten Tagen in die Ressortabstimmung gehen solle, sagte ein Sprecher. De Maizière warb persönlich für ein solches Prozedere nach dem Vorbild des " Flughafenverfahrens".
Die CSU fordert einen solchen Schritt schon länger. Mehrere CDU-Politiker unterstützen die Pläne. Linke und Grüne kritisierten solche möglichen " Transitzentren" dagegen als inhuman und als " Abschottung in Reinform". Bereits jetzt ist klar, dass der September ein Rekordmonat wird wohl mit so vielen neuen Flüchtlingen wie zuletzt in einem ganzen Jahr. Angesichts der Entwicklung hatte die Regierung am Dienstag ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht auch mit einigen Verschärfungen.
Bei der Registrierung von Flüchtlingen läuft bislang einiges schief. Der neue Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, sagte, Schätzungen nach seien 290 000 Flüchtlinge in Deutschland noch nicht registriert. Bisher gebe es keinen guten Überblick, wie viele Menschen ins Land kämen und wo sie sich aufhielten. Hier müsse dringend mehr Klarheit her. Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise soll das Personal beim BAMF verdoppelt werden. Weise will auch die Arbeitsprozesse mit anderen Behörden, Ländern und Kommunen verbessern und bei der IT aufrüsten.
Bildtext:
Filmemacher Til Schweiger und Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (links) sprachen gestern mit Kindern vor dem Osnabrücker Flüchtlingshaus. Schweiger will mithilfe seiner Stiftung in der Erstaufnahme-Einrichtung ein Fitness-Center und eine Kita errichten.
Foto:
Jörn Martens

Kommentar
Was Deutschland braucht

Natürlich löst das Engagement des Filmemachers Til Schweiger nicht das Flüchtlingsproblem. Doch sein Vorgehen ist vorbildlich. Und wenn möglichst viele Menschen ebenso mit anpacken Prominente und weniger Prominente –, ist viel geholfen.

Nur so lässt sich die Herkulesaufgabe bewältigen, die sich in Deutschland durch den Zuzug von bis zu 10 000 Flüchtlingen pro Tag stellt. Denn nötig ist vieles zugleich: eine dauerhafte Willkommenskultur und ehrenamtlicher Einsatz, eine effektive Leistungsverwaltung und ebenso eine konsequente Abschiebung derjenigen, die keinerlei Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber haben.

Anlass zur Hoffnung gibt die zupackende Art des Verwaltungsexperten Frank-Jürgen Weise, dem zuzutrauen ist, dass er in kurzer Zeit für eine genauere Registrierung der Flüchtlinge und eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge sorgt. Je mehr über konstruktive Lösungen gesprochen wird, desto eher hat Angela Merkels " Wir schaffen das"- Appell die Chance auf Umsetzung.

Was jedoch nicht weiterhilft, sind Bedenkenträger, die einzig und allein von Belastungs- und Kapazitätsgrenzen sprechen. Ebenso wenig zielführend sind Denkverbote oder reflexhafte Reaktionen, etwa auf den Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Transitzonen an der deutschen Grenze zu errichten. Diese Überlegung gleich als unmenschlich abzutun nützt niemandem.

Osnabrück. " Manta, Manta", antwortete das syrische Mädchen auf die Frage, ob es Til Schweiger kenne. Ein weiterer Austausch scheiterte an Sprachproblemen. Der Schauspieler zog am Mittwochmittag einen Pulk von Medienvertretern an und lieferte den Gästen im Osnabrücker Flüchtlingshaus damit eine spannende Abwechslung.

Die vor 14 Tagen gegründete Til Schweiger Foundation will sich in der Osnabrücker Erstaufnahmeeinrichtung des Landes engagieren. Deshalb besuchten der Filmemacher und sein Mitstreiter Thomas D von den " Fantastischen Vier" in Begleitung des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius das ehemalige Bundeswehrkrankenhaus.

Vor Ort wollten die beiden Promis mit Vertretern der Diakonie, die das Haus betreibt, über Möglichkeiten der Unterstützung beraten. Drei Ergebnisse wurden nach einem Rundgang präsentiert: Auf dem Gelände könnte in Schnellbauweise eine Kita gebaut werden. Zudem sollen mehr Räume für Sprachunterricht eingerichtet werden. Bein Anblick einer leeren Halle neben der Fahrradwerkstatt meinte Schweiger spontan, dort könne ein Fitnessraum entstehen.

Dann könnten sich die Männer und Frauen abreagieren, sagte Schweiger. In den Erstaufnahmeeinrichtungen könnten die Menschen nichts anderes tun als warten. " Wenn es dann in Flüchtlingsunterkünften knallt", sei das nur zu verständlich. Wenn man 1000 Deutsche, " nur Christen", auf engstem Raum zusammenpferche, " würden die sich auch die Rübe einhauen", sagte der Schauspieler in seiner flapsigen Art.

Er zeigte aber auch Gefühle nach Gesprächen mit Flüchtlingen aus Syrien und dem Sudan: " Das war so berührend, da muss ich mich zusammenreißen, um nicht loszuflennen." Er möge sich nicht ausdenken, wie es ihm erginge, wenn er mit seinen vier Kindern über Tausende Kilometer fliehen müsste, von anderen ausgenutzt und zusammengeschlagen.

Schweiger zeigte sich auch beeindruckt von den vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern: " Respekt, Respekt, Respekt", sagte er und wurde von Thomas D mit einem kräftigen " Ja, Mann!" unterstützt.

Welche Summe seine Stiftung in Osnabrück stecken werde, sei noch nicht klar. Schließlich wolle seine Stiftung auch andere davon überzeugen, Geld in die Flüchtlingsarbeit zu stecken: " Den Prominenten, die mir auf die Schulter klopfen, sage ich , Tu selber was′." Deshalb würden für die einzelnen Projekte immer Partner gesucht. Bezahlt werde in jedem Fall " so viel, wie′s koschtet, sagt der Schwabe", ergänzte Thomas D.

Til Schweigers Unterstützung habe dem Flüchtlingshaus noch einmal einen " tollen Schub gegeben", freute sich Geschäftsführer Gerhard Töller. Noch am Nachmittag wolle die Diakonie mit dem Schauspieler konkrete Pläne besprechen. Für die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter, die Deutschkurse anböten, sei am Mittwoch die Stelle einer Bildungskoordinatorin ausgeschrieben worden.

Zum Thema Anfeindungen im Internet meinte Thomas D, Angst sei der größte Motor bei Vorurteilen und Beschimpfungen. Ängste müsse man ernst nehmen und die Menschen weiter aufklären. Er selber lese das nicht mehr.

" Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich Menschen einstellen kann, die diese widerwärtigen, menschenverachtenden Drohungen und Kommentare, die unser Recht brechen, lesen und anzeigen", sagte Schweiger und fügte mit kleinem Lächeln hinzu: " Ich habe da meine eigene Fahndungstruppe."

" Ich hab ja versucht, mit denen zu reden, aber die sind so vernagelt wie extreme Linke mit denen kann man auch nicht diskutieren", meinte der Schauspieler. Unter den Internethetzern seien zwar viele " Dummbatzen, aber zugleich richtig böse Leute". Er sei überzeugt davon, dass es mehr hilfsbereite Menschen gebe als solche, die sagten: " Flüchtlinge sollen alle im Meer ersaufen." Das zeige das Beispiel Osnabrücks und seiner Bevölkerung.

Während des gesamten Rundgangs ließ sich Til Schweiger geduldig mit Flüchtlingen und Mitarbeitern fotografieren. Nur zwei Mitarbeiter aus der Küche zeigten sich enttäuscht, dass der Promi-Gast nicht bei ihnen reingeschaut hat, um das Essen zu probieren. Schweiger hat Gulasch verpasst.

Die zwei von der Til Schweiger Foundation wollen in Osnabrück helfen. Foto und Videos vom Besuch auf www.noz.de
Bildtexte:
Die Kleiderkammer stand auf dem Programm beim Rundgang durch das Osnabrücker Flüchtlingshaus: Til Schweiger und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (rechts).
Noch ein Selfie mit Til Schweiger.
Auch Rapper Thomas D konnte den Kameras und den vielen Wünschen nach Selfies nicht entkommen.
Fotos:
Jörg Matrens, David Ebener

Kommentar
Diakonie bleibt dran

Es wurde nur am Rande erwähnt, ist für Osnabrück und das Flüchtlingshaus aber eine gute Nachricht: Die Diakonie bleibt für ein weiteres halbes Jahr Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtung. Der Vertrag wurde am Dienstag unterzeichnet.

Die kurzfristige Verlängerung ist eine pragmatische Entscheidung. Angesichts des ungebrochenen Flüchtlingszustroms hat die Landesregierung anderes zu tun, als zeitraubend die Geschäftsführung des Hauses europaweit auszuschreiben. Eine solche Ausschreibung ist noch geltendes Recht.

Allerdings ist es mehr als eine Vermutung, dass das Land Niedersachsen, wie es auch andere Bundesländer planen, die Vergaberegelungen verändern will und muss. Denn in diesen Monaten und mit dem Herbst wird es vorrangig, den Flüchtlingen ein stabiles Dach über dem Kopf anzubieten. Das darf nicht heißen, dass windige Geschäftemacher eine Chance bekommen können, um mit der Leitung von Flüchtlingshäusern Geld zu machen.

Trotz pragmatischer Entscheidung kann sich die Diakonie freuen: Sie wurde bei Til Schweigers Besuch zu Recht erneut als Vorzeigeeinrichtung bezeichnet. Die logische Schlussfolgerung ist allerdings eine Mammutaufgabe: Das Land müsste aus allen Erstaufnahmen Vorzeigeeinrichtungen machen.
Autor:
dpa, Ulrike Schmidt, Beate Tenfelde, Christof Haverkamp


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