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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Amtsarzt: Viele Defizite in Hesepe
 
"Es lohnt sich für jeden einzelnen Flüchtling"
Zwischenüberschrift:
Amtsarzt Gerhard Bojara zieht nach anderthalb Wochen im überfüllten Lager in Bramsche-Hesepe Bilanz
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Bramsche. Über die Schwierigkeiten, auf die er in der Erstaufnahme für Flüchtlinge in Bramsche-Hesepe gestoßen ist, spricht der Leiter des Gesundheitsdienstes für Stadt und Landkreis Osnabrück, Dr. Gerhard Bojara, in einem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Hauptproblem sei die acht fache Überbelegung der Einrichtung. Eigentlich sei die Erstaufnahme für 500 Menschen ausgelegt worden, jetzt seien es vermutlich 4000. Strukturen und Personal seien total überlastet. " Solange diese Situation so bleibt, wird es hier ganz viele Defizite geben."
In einem Aufruf hatte Amtsarzt Bojara um Unterstützung von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen gebeten. Die Resonanz sei sehr erfreulich. Viele seiner Kollegen würden ihre Hilfe anbieten, sobald sie ihre Praxis geschlossen hätten.

Osnabrück. Seit anderthalb Wochen arbeitet der Leiter des Gesundheitsdienstes für Stadt und Landkreis Osnabrück, Dr. Gerhard Bojara, in der Erstaufnahme für Flüchtlinge in Bramsche-Hesepe. Der Amtsarzt hat ein achtfach überfülltes Lager mit Hunderten traumatisierten Flüchtlingen, überforderten Müttern und schreienden Säuglingen vorgefunden. Bojara weiß, dass er das Problem nicht lösen kann, sagt aber: " Es lohnt sich für jeden Einzelnen."
Auf welche Probleme sind Sie in Hesepe gestoßen?
Das Hauptproblem ist, dass die Einrichtung achtfach überbelegt ist, denn sie war eigentlich mal für nur 500 Menschen ausgelegt, jetzt sind es wahrscheinlich mehr als 4000. Dadurch sind die Strukturen und das Personal total überlastet, und das setzt sich dann natürlich fort. Solange diese Situation so bleibt, wird es hier ganz viele Defizite geben.
Sie suchen für Menschen mit ansteckenden Krankheiten Unterkünfte. Gibt es schon Angebote?
Vereinzelt gibt es Windpocken. Da ist es ganz wichtig, dass diese Menschen aus der Einrichtung herauskommen und irgendwo anders untergebracht werden. Leider hat sich da bisher noch niemand gemeldet, sodass wir da weiter ein großes Defizit haben.
Sie haben um Unterstützung von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen gebeten. Wie ist die Resonanz?
Die Resonanz ist sehr erfreulich. Es melden sich ganz viele ärztliche Kollegen, die ihre Hilfe anbieten und uns hier unterstützen, sobald sie ihre Praxis geschlossen haben. Das passiert jetzt immer mehr. Auch von den Hebammen gibt es bereits sehr viele Rückmeldungen. Hier haben wir es mit Müttern zu tun, die während der Schwangerschaft Probleme haben, und Müttern, die mit der Situation und ihrem schreienden Säugling hoffnungslos überfordert sind. Vielleicht können wir die Hebammen dafür gewinnen, sich einer Familie vor Ort anzunehmen und sie mithilfe der Dolmetscher eine halbe Stunde zu beraten.
Warum haben Sie auch um Unterstützung von Zahnärzten gebeten?
Bei unseren Untersuchungen sehen wir Menschen, denen wir natürlich auch in den Mund schauen und dann sehr sanierungsbedürftige Gebisse sehen. Zudem klagen sie über Zahnschmerzen, und es ist natürlich nachvollziehbar, dass die Menschen bei ihrer langen Flucht die Zahnpflege sehr in den Hintergrund gestellt haben. Gerade bei den sofort zu behandelnden Menschen mit Zahnschmerzen gab es einen Engpass und daher diesen Aufruf von mir. Durch die große Resonanz von Zahnärzten ist dieser Bedarf nun aber gedeckt, sodass wir in diesem Bereich keine weitere Unterstützung benötigen.
Benötigen Sie auch Unterstützung von Krankenschwestern?
Auch das wäre sehr wichtig, denn wenn wir mit zwei Ärzten arbeiten, dann benötigen wir mindestens vier, die assistieren. Diese untersuchen die Menschen dann zum Beispiel auf Läuse. Man braucht hier bei der Annahme und beim Schreiben von Laborscheinen natürlich verlässliches Personal. Deshalb ist das Assistenz-Personal genauso wichtig wie das ärztliche. Da ist es natürlich so, dass wir für jeden dankbar sind, der uns hilft. Eine medizinische Ausbildung ist da nicht zwingend erforderlich, aber eine gewisse Praxiserfahrung wäre schon wichtig.
Was passiert mit Ihrer eigentlichen Arbeit, wenn Sie jeden Tag in Hesepe sind?
Ich habe viele Termine verschieben müssen. Das geht natürlich auch nur eine gewisse Zeit. Dringende Sachen muss ich auch weiterhin erledigen, aber meine Priorität liegt jetzt erst einmal hier, abends versuche ich dann, auch noch von zu Hause aus andere Dinge zu erledigen, bis das Limit erreicht ist.
Ehrenamtliche zerreißen sich hier, und Deutschland führt Grenzkontrollen ein. Was fühlen Sie dabei?
Ich möchte mich aus politischen Dingen eigentlich heraushalten. Ich finde es aber sehr schade, dass Europa sich da nicht einig ist. Es wird jetzt viel über Dinge diskutiert, die man längst hätte diskutieren müssen. Jetzt stehen die Menschen vor den Grenzen, und es hilft da wenig, die Grenzen zuzumachen. Irgendwo müssen die Flüchtlinge ja hin. Wir brauchen auf europäischer Ebene schnell Lösungen. Wenn da manche Länder gar keine Flüchtlinge oder nur Christen aufnehmen wollen, dann möchte ich das nicht detailliert kommentieren, kann es aber kaum glauben.
Was war das bewegendste Erlebnis in Hesepe?
Es bewegt mich schon, wenn ich den ganzen Tag die Menschen sehe, denen es zum Teil nicht wirklich gut geht, die psychisch sehr belastet sind, wenn Kinder krank sind und laut schreien. Das nehme
ich schon auch mit nach Hause, aber ich versuche, das irgendwann wieder auszublenden.
Was war Ihr schönstes Erlebnis?
Gleich am Anfang kam eine Gruppe von Syrern, die nicht nur an unser Personal, sondern auch an da s andere Hilfspersonal Blumen verteilten. Einer konnte sehr gut Deutsch sprechen und sagte, sie möchten sich im Namen der Syrer bei den Menschen, die hier mithelfen, sehr herzlich bedanken. Es gibt aber auch sehr viel zurück, wenn Menschen traurig und ängstlich zu uns kommen und mit einem Lächeln nach der Untersuchung wieder herausgehen. Mittlerweile kennen mich viele bereits und winken mir zu. Das tut schon gut. Wir können das Problem hier zwar nicht lösen, aber es lohnt sich für jeden Einzelnen, dem wir helfen konnten.

Das ganze Interview auf www.noz.de/ fluechtlinge
Bildtext:
Mit Blumen bedanken sich die Flüchtling wie dieser Syrer für das Engagement von Dr. Gerhard Bojara.
Foto:
Michael Gründel
Autor:
Jean-Charles Fays


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