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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Baumeister und Universal-Handwerker
Zwischenüberschrift:
Die Tiemannstraße in Schinkel-Ost erinnert an den langjährigen Obermeister der Bau-Innung
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Wenn man an die heutige Ausdifferenzierung der Handwerksberufe gewöhnt ist (" Hochbaufacharbeiter/ in mit Schwerpunkt Bauwerksmechanik für Abbruch und Betontrenntechnik"), dann kann man nur staunen, wie vielgestaltig frühere Bauhandwerker ihre Brötchen verdienten. Der Namensgeber der Tiemannstraße im Stadtteil Schinkel-Ost war im Laufe seines Berufslebens Tischler, Zimmerer, Maurer und Bauschlosser. Er krönte seine handwerklichen Tätigkeiten mit zahlreichen Ehrenämtern und der Berufung zum vereidigten Sachverständigen.
Doch der Reihe nach. Hermann Tiemann wurde am 9. August 1873 in Küingdorf bei Melle geboren. Als Sohn eines Handwerkers war ihm ebenfalls dieser Weg vorgezeichnet. Bei Meister Schlechter in Osnabrück ging er in die Tischlerlehre, die er 1892 mit der Gesellenprüfung abschloss. Sein Gesellenstück war ein Beichtstuhl im neugotischen Stil. Der überstand den Krieg und ist noch heute im Seitenschiff von St. Johann zu bewundern, auch wenn er nicht mehr genutzt wird.
Es war damals Brauch der freigesprochenen " zünftigen" Handwerksgesellen, hinaus in die weite Welt zu gehen und den eigenen Horizont zu erweitern, was Arbeitstechniken und allgemeine Lebenserfahrung anging. In vielen Zünften waren drei Wanderjahre sogar Voraussetzung, um sich um den Meistertitel bewerben zu können. Die Walz trug Tiemann nach Walsrode, Holzminden, Dortmund, Greifswald und Oldenburg. Noch im hohen Alter flocht er in seine Erzählungen gern Episoden aus den Herbergen ein, wo in jener Zeit eine Übernachtung 20 Pfennig kostete. Es muss eine unbekümmerte, fröhliche Zeit gewesen sein, wie man sie den jungen Leuten gerne zugestand. Gleichzeitig galt das ungeschriebene Gesetz, dass man mit 20 Jahren sesshaft zu werden hatte, um nunmehr ernsthaft und verantwortungsvoll seine Existenz aufzubauen und eine Familie zu gründen.
Von Tiemann ist bekannt, dass er nach der Walz die Baugewerksschule in Holzminden besuchte und sich zum Bautechniker weiterbildete. In dieser Eigenschaft fand er Anstellung beim Stadtbauamt in Osnabrück. 1902 heiratete er die Osnabrückerin Marie Luise Lange wand, und im Jahr da rauf machte er sich mit einem Baugeschäft selbstständig. Durch ordentliche Arbeit stand seine Firma bald in gutem Ansehen. Baumeister Tiemann entwarf und baute prominente Häuser wie etwa das Stahlwaren- und Waffengeschäft Fettkötter in der Krahnstraße 53 oder das Möbelhaus König, Dielinger straße 43. Er nahm seinen Schwager als Teilhaber auf, das Unternehmen hieß nun Tiemann & Langewand.
Hermann Tiemann gewann dadurch mehr Freiräume für berufsständische Arbeit, zu der er sich hingezogen fühlte. Er wurde 1908 Schriftführer des Baugewerksamtes, einer freien Innung, und 1918 deren erster Vorsitzender. 28 Jahre lang, bis Februar 1946, blieb er durch alle politischen Wirren und Krieg hindurch Obermeister der Osnabrücker Bauhandwerker. Daneben war er im Arbeitgeberverband für das Baugewerbe und in der Prüfungskommission der Maurer und Zimmerleute ehrenamtlich tätig.
Wohnhaus und Firmensitz in der Heinrichstraße 17a wurden Palmsonntag 1945 zerstört. Ein Jahr lang lebte Hermann Tiemann im notdürftig abgeschotteten Keller unter der Ruine, während Sohn Heinrich den Betrieb übernahm und sich mit den ersten Kriegsheimkehrern an den Wiederaufbau machte. Der Sohn war genau wie der Vater ein universeller Bauhandwerker: Maurer, Zimmermann, Fensterbauer, Bauschlosser alles in einer Person. Der Senior arbeitete unterdessen als vereidigter Sachverständiger an Schätzungen und Gutachten für die Handwerkskammer. Man mochte auf die noch mit der Hand in sauberer Schrift abgefassten Berichte des über Achtzigjährigen nicht verzichten. Am Neujahrstag 1960, nach mehr als 86 Jahren, ging Hermann Tiemanns erfülltes Leben zu Ende.
Sein Enkel Harm Tiemann wohnt noch heute in der Heinrichstraße, allerdings am anderen Ende, denn der alte Familiensitz mit der Hausnummer 17a ging um 1960 in neue Hände über. Das nach dem Krieg mit einfachen Mitteln wiederaufgebaute Haus wurde später abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. " Aber im Hinterhof stehen noch die alten Gebäude, die Tischlerei, der Maschinenraum und das Baustofflager", weiß der 72-jährige Harm Tiemann über seine Kindheitsspielplätze zu berichten. Darin seien jetzt ein Antikmöbelhandel und eine Tanzschule eingezogen. An den Großvater hat Harm Tiemann noch gute Erinnerungen: " Er war an sich ruhig und ausgeglichen, andererseits aber sehr umtriebig und musste immer etwas zu tun haben. Bis kurz vor seinem Tod versorgte er jeden Tag die Hühner und die Kaninchen."
Bildtexte:
Die Tiemannstraße verläuft im Stadtteil Schinkel-Ost zwischen " Im Fange" und der Corthausstraße.
Heinrich Tiemann (1873– 1960).
Fotos:
Joachim Dierks, Archiv
Autor:
Joachim Dierks


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