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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Tanz neben der Ruine
Zwischenüberschrift:
Neustädter Volksschule ging 1944 unter – Heute steht dort das Arbeitsamt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Das Arbeitsamt am Johannistorwall will uns weismachen, es hätte schon immer dort gestanden. Schließlich hat es ja auch schon einige Male seinen Namen gewechselt und zu Beginn der 1990er-Jahre eine üppige bauliche Umgestaltung erfahren. Die Wahrheit ist aber, dass die Arbeitsverwaltung erst nach dem letzten Krieg an die Johannismauer zog. Vorher stand dort die Neustädter Volksschule.

Die historische Ansicht zeigt die Hauptfassade der Schule, die parallel zur Laischaftsstraße stand und auf die Straße Johannismauer im Hintergrund (seit 1958: Johannistorwall) zulief. Das Straßenpflaster, auf dem die Kinder Ringelrein mit Anfassen spielen, gehört jedoch nicht zur Laischaftsstraße, die etwas weiter links verläuft, sondern zu einer kleinen namenlosen Stichstraße. Zwischen dieser Stichstraße und der Laischaftsstraße war eine Parkanlage gestaltet. Auf dem Amtlichen Innenstadtplan von 1935 ist denn auch zu erkennen, dass der Gebäuderiegel der Schule etwa in der Mitte zwischen Laischaftsstraße und Hermannstraße lag.

Das Schulgebäude wurde " an Michaelis" (29. September) 1876 eingeweiht. Es zeigt einen typischen preußischen Schulbau mit auf der Schauseite reich gegliederter Fassade, der den Setzkasten mit den Architekturelementen des Historismus zurückhaltend einsetzt. Die Fensterlaibungen sind kunstvoll in Ziegelstein gestaltet, die Blenden darüber zeigen verschiedene Ausprägungen von " Eselsrücken".

Die Neustädter Volksschule ist genau wie die Altstädter Volksschule (1884), die Volksschule III am Pottgraben (1896), die Volksschule IV am Schützenwall (1902) und die Volksschule V an der Teutoburger Straße (1907) ein Ergebnis der Neuordnung des evangelischen Volks- und Bürgerschulwesens durch Bürgermeister Johannes Miquel. Miquel sorgte für die Aufhebung der alten Kirchspielschulen und leitete die kommunale Trägerschaft ein.

Leider ist über die Schulgeschichte nicht sehr viel bekannt. Zum Glück leben aber noch einige Zeitzeugen, die die Schule besucht haben. Eine von ihnen ist die heute 88-jährige Marianne Rennemann, geborene Kamlage. Sie ging erst zur katholischen Rosenplatzschule. 1938 verfügten die nationalsozialistischen Machthaber die Auflösung aller Bekenntnisschulen. Die Schulbezirke wurden neu aufgeteilt. Da sie in der Spindelstraße wohnte, musste Marianne Kamlage nun zur Neustädter Schule wechseln. " Wir waren eine reine Mädchenklasse", erinnert sie sich. In jedem der acht Jahrgänge habe es eine Jungen- und eine Mädchenklasse gegeben. Den Schulhof durchzog eine Mauer, sodass die Trennung auch während der Pausen galt. " Zum Ende der Pause mussten wir in Zweierreihen antreten, und dann ging es sittsam und geordnet durch den Mädchen-Eingang ins Klassenzimmer hoch." Nur manchmal, wenn bei den Jungen etwa der Musiklehrer krank war, kamen die Jungen in die Mädchenklasse zum Musikunterricht herüber. " Das war immer furchtbar aufregend", denkt Marianne an ihre Backfischtage zurück.

Wenn man austreten musste, hatte man einen längeren Weg vor sich. Denn die Toiletten befanden sich draußen auf dem Schulhof. Deutlich vor Augen steht ihr ihr Klassenlehrer Lilienthal, der auch Schulleiter war. Er trat meistens in SA-Uniform vor die Klasse, " war aber sonst eigentlich ganz in Ordnung". Als der Luftkrieg eingesetzt hatte, übte er mit den Mädchen das Aufsetzen und die richtige Handhabung der Gasmasken. Wenn nachts Luftalarm gewesen war, fing der Unterricht am nächsten Morgen erst um 10 Uhr an.

1942 ging Marianne Kamlage aus Klasse 8 ab und setzte ihre Schulkarriere in der Handelsschule fort. 1944 wurde ihre alte Volksschule durch Sprengbomben zerstört, was sie hautnah mitbekam, da sie ja nur einen Steinwurf weit entfernt in der Spindelstraße wohnte. 1946 oder später war auf dem Schulhof ein kleines Tanzcafé in einer Baracke eröffnet worden, das Kamlage gern besuchte. " Es war schon ein komisches Gefühl, da haben wir direkt neben der Ruine unserer alten Schule ausgelassen getanzt."

1992 haben die ehemaligen Neustädter Schülerinnen den 50. Jahrestag ihrer Schulentlassung gefeiert, 20 Damen kamen damals zusammen. " Beim letzten Jubiläum 2012 waren wir nur noch zu zweit ich fürchte, ich muss bald allein zum Klassentreffen gehen", scherzt die rüstige Seniorin.

Ein Neuaufbau der Schule stand nicht zur Debatte. Das Niedersächsische Landesarbeitsamt hatte ein Auge auf den Neustädter Schulplatz geworfen, als es einen neuen Standort für das Osnabrücker Arbeitsamt suchte. Das Amt an der Alten Poststraße war zerbombt worden und durfte dort nicht wiederaufgebaut werden, weil Stadt und Reichsbahn das Areal für eine geplante Verlegung des Hauptbahnhofs freihalten wollten. Es kam zum Grundstückstausch zwischen Stadt und Land, und 1951 konnte der Neubau des Arbeitsamts an der Johannismauer, seinerzeit Osnabrücks " größtes Behördenhaus", eingeweiht werden.

Anfang der 1990er-Jahre reichten Größe und Zuschnitt der Räumlichkeiten trotz Hinzunahme des ehemaligen Gesundheitsamts zwischen Spindel- und Heinrichstraße nicht mehr aus. Der alte Komplex wurde abgerissen und ein aufwendiger Neubau, größer und schöner als je zuvor, an die Stelle gesetzt. Weil dabei die Kosten nicht so sehr in den Blick genommen wurden, interessierte sich auch der Bundesrechnungshof für den Osnabrücker Arbeitsamts-" Pa last". Doch das ist eine andere Geschichte.

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Bildtexte:
Die Neustädter Volksschule im Jahr 1911. Vorn der Eingang für Jungen, hinter dem Mittelrisalit der für Mädchen. Im Hintergrund sind Wohnhäuser an der Johannismauer zu erkennen. Die Ansichtskarte des Verlags J.H. Evering Wwe. stammt aus der Sammlung von Helmut Riecken.
Die heutige Fassade der Agentur für Arbeit ist näher an die Laischaftsstraße herangerückt.
Foto:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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