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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wohin mit einem vergessenen Gedenkstein?
Zwischenüberschrift:
Stadt nicht zuständig – Osnabrücker Wolfgang Hofmeister bewahrt das Denkmal privat auf
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Was macht man mit einem privaten Gedenkstein, der auf einer öffentlichen Fläche gefunden wird? Nach wochenlangem Hin und Her scheint das Ehrenmal für einen im Zweiten Weltkrieg gefallenen Osnabrücker Wehrmachtsoffizier nun endlich einen Platz gefunden zu haben.

Auch wenn der Gedenkstein nicht besonders groß ist: Hochheben kann ihn ein Einzelner nicht, das musste auch der Verfasser dieses Textes feststellen, als er den Stein für das Foto mit großer Mühe umwälzte. " Mein Sohn ist extra mit einem Anhänger aus Bad Essen gekommen, um den Stein zu mir zu bringen", sagt Wolfgang Hofmeister, in dessen Garage das Ehrenmal momentan liegt.

Mit dem Verstorbenen, der in diesem November 100 Jahre alt geworden wäre, hat Hofmeister überhaupt nichts zu tun trotzdem sind alle Beteiligten froh, dass er sich des Gedenksteins angenommen hat, denn in den vergangenen Wochen haben sich viele Leute darüber Gedanken gemacht, wo dieser dauerhaft bleiben kann.

Der Erste in der Reihe war Jürgen Tepel. Der Chirurg wohnt am Brahmshof, nicht weit entfernt vom Büdchen auf dem Westerberg. In der Nähe seines Grundstücks auf einer Brachfläche unter Obstbäumen hat er den Stein zusammen mit seinen Kindern gefunden. " Mir fiel auf, dass er eine Inschrift hatte, und dann habe ich mich erst mal an die Stadt gewandt." Sein erster Gedanke sei gewesen, dass es sich um Vandalismus handele und jemand einen Grabstein gestohlen und dann weggeworfen habe.

Eine Mitarbeiterin der Stadt fand dann heraus, dass eine andere Erklärung schlüssiger ist: Der Bruder des Soldaten, dem der Stein gewidmet ist, wohnte jahrelang in der Nähe der Stelle, an der Jürgen Tepel nun den Gedenkstein gefunden hat.

Offenbar hatte der Bruder, der inzwischen verstorben ist, den Gedenkstein in seinem Garten stehen. " Das Grundstück wurde dann veräußert, und vermutlich hat einer der Nachbesitzer den Stein da auf der Fläche abgeworfen", sagt Jürgen Tepel. " Der kann da schon Jahre gelegen haben."

Nachdem der Osnabrücker Servicebetrieb, der für das Bestattungswesen in der Stadt zuständig ist, die Herkunft des Steins recherchiert hatte, war laut Pressesprecherin Katrin Hofmann eines schnell klar: " Wir sind nicht zuständig." Die Stadt betreibe zwar Denkmalpflege und Kriegsgräberfürsorge, aber hier handele es sich eindeutig um einen privaten Gedenkstein.

Als Jürgen Tepel davon erfuhr, überlegte er, den Stein in seinem Garten aufzustellen. Über den Fund war er mit seinen Kindern ins Gespräch über den Zweiten Weltkrieg gekommen und darüber, dass dort viele Menschen ums Leben gekommen sind. " Für unsere Kinder war das eine anrührende Geschichte."

Welche Rolle der Osnabrücker Soldat namens Siegfried Gehrke im Krieg spielte, bevor er mit 26 Jahren fiel, ist wie bei den meisten unbekannt. Ein " Mitteilungsblatt der Staatlichen Oberschulen für Jungen" verrät lediglich, dass Gehrke seit Oktober 1937 freiwillig im Heer diente und als Geschützführer in einer Panzerjägerkompanie kämpfte.

Siegfried Gehrkes Einsatzort war die Ostfront, gefallen ist er vor fast genau 73 Jahren am 3. September 1942 in einer der Schlachten um Rschew. Auf russischer Seite kamen hier Millionen ums Leben, auf deutscher Seite geschätzte 400 000 Soldaten.

Dass die Wehrmacht und das vor allem in der Sowjetunion nicht nur gekämpft, sondern in großer Zahl Kriegsverbrechen begangen hat, ist mittlerweile unumstritten. Vollkommen klar ist auch, dass auch Wolfgang Hofmeister, der den Gedenkstein für Gehrke mittlerweile aufbewahrt, alles andere als ein Revisionist ist. Man muss das wohl dazusagen, denn natürlich gibt es unter denjenigen fast immer sind es Männer –, die sich für Memorabilia aus dem Zweiten Weltkrieg inte ressieren, eine große Zahl Geschichtsvergessener oder sogar Neonazis.

Wolfgang Hofmeister hingegen geht es darum, die Geschichte zu dokumentieren. Aus diesem Grund sucht er in der ganzen Region Denkmäler für Gefallene, sammelt und archiviert deren Namen und weitere Informationen. Außerdem besitzt er selbst einige Gedenktafeln und - steine, die er bald auch der Öffentlichkeit zugänglich machen will.

Eva Güse, beim Osnabrücker Servicebetrieb zuständig für Bestattungswesen und Friedhöfe, wusste von Hofmeisters Engagement. Sie rief ihn an und fragte ihn, ob er sich um den Gedenkstein von Siegfried Gehrke kümmern könne. Hofmeister sagte Ja und verfrachtete den Stein wie eingangs erwähnt in seine Garage.

Doch konnte der Stein dort einfach liegen bleiben? Die Stadt hatte mittlerweile he rausgefunden, dass eine Nichte des Gefallenen in Köln lebt. Man nahm Kontakt mit ihr auf, die Nichte kam nach Osnabrück, schaute sich den Stein an, als er noch bei Jürgen Tepel lag, und zeigte sich laut Tepel " sehr erfreut darüber, dass der Stein nicht zertrümmert ist".

Mitnehmen konnte und wollte die Nichte ihn allerdings nicht. Ob sie irgendwelche anderen Pläne mit dem Stein hatte, war allerdings auch nicht klar bis schließlich Wolfgang Hofmeister nach mehreren Telefonaten von ihr erfuhr, dass die Frau froh sei, wenn er den Stein verwahre und ihn bald auch der Öffentlichkeit zugänglich mache. Das soll dann Ende des kommenden Jahres geschehen, wenn Wolfgang Hofmeister in seinem neuen Haus in Bad Rothenfelde eine Bibliothek und ein Dokumentationszentrum eröffnen will.

Nachdem er vom Grundstück des Bruders des toten Soldaten auf eine in der Nähe liegende Wiese verfrachtet worden war, von dort aus zu Jürgen Tepel an den Brahmshof kam und von ihm wiederum in die Garage von Wolfgang Hofmeister im Stadtteil Westerberg wanderte, wird der Stein dann 2016 in den Südkreis überführt. Ob dies die letzte Station seiner Odyssee ist, wird sich zeigen.
Bildtexte:
Zwischen Fahrrädern und alten Farbeimern der Gedenkstein für den Osnabrücker Soldaten Siegfried Gehrke steht zurzeit noch in der Garage von Wolfgang Hofmeister.
Dieses Foto von Siegfried Gehrke erschien kurz vor seinem Tod im " Mitteilungsblatt der Staatlichen Oberschulen für Jungen".
Wolfgang Hofmeister (links) sucht gemeinsam mit Michael Ahrenhövel nach vergessenen Gefallenendenkmälern in der Region und dokumentiert sie.
Foto:
Hendrik Steinkuhl, Ratsgymnasium,
Autor:
Hendrik Steinkuhl


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