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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Der vergessene Jüdische Tennisplatz
Zwischenüberschrift:
Zufluchtsort am heutigen Uhlenfluchtweg
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Inmitten des Wohnblocks, der von Katharinen-, Arndt-, Roland- und Herderstraße begrenzt wird, lag einst der Jüdische Tennisplatz. In der Nazizeit übernahm ihn der Osnabrücker Turnverein (OTV) und bespielte ihn auch noch in der Nachkriegszeit bis 1967. Heute ist nichts mehr davon zu sehen die Bungalows des Uhlenfluchtwegs nehmen seinen Platz ein.

Die Entstehung der Sportstätte an diesem eigentlich nicht sonderlich gut dafür geeigneten Ort ist darauf zurückzuführen, dass der " bürgerliche" Osnabrücker Tennisverein genau wie der OTV bereits lange vor Beginn der NS-Herrschaft Juden aus seinen Reihen ausschloss. Jedenfalls belegen das die Forschungsergebnisse von Martina Sellmeyer und Henry Wahlig. Im Falle des OTV haben die Historiker nachweisen können, dass der größte Turnverein der Stadt auf seiner Hauptversammlung Ende 1923 beschloss, nur noch " vaterländisch gesinnte Personen" aufzunehmen. Der Vorstand unter dem " Vereinsführer" Fritz Frömbling konnte fortan praktisch im Alleingang beschließen, wen er dazu zählte und wen nicht.

Der erfolgreiche Seifenfabrikant Frömbling war Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und verkehrte im rechtsextremen Freikorpsmilieu. Nach dem von Freikorpsleuten verübten Mord am Zentrums-Politiker Matthias Erzberger im Juni 1922 wurde Frömbling festgenommen. " Auch wenn Frömbling schon bald wieder freigelassen wurde, da seine Mittäter- oder Mitwisserschaft nicht nachgewiesen werden konnte, untermauern die Ermittlungsakten eindeutig deutlich die rechtsextreme und antisemitische Gesinnung des Turnführers", schreibt Wahlig.

Die Änderung der OTV-Satzung über den Ausschluss von Juden trat 1924 in Kraft, und das gleiche Jahr wird als Gründungsdatum des " Jüdischen Turn- und Sportvereins" genannt. Wahlig vermutete einen Zusammenhang. Den fand er bestätigt in Notizen des Osnabrücker Turnlehrers Ernst Sievers. Der gehörte als Übungsleiter dem OTV-Vorstand an. Als überzeugter Sozialdemokrat trug er den Beschluss über den Juden-Ausschluss nicht mit. Empört darüber, dass der Verein solvente jüdische Mitglieder wie Siegfried Flatauer und Philipp Nussbaum erst zu großen Spenden veranlasst hatte und sie dann ausschloss, verließ er den OTV und trat stattdessen als Nicht-Jude dem neu gegründeten Jüdischen Sportverein bei.

Im Osnabrücker Tennissport muss die Entwicklung parallel verlaufen sein, wobei die Aktenlage hier dünner ist. Wahlig führt als " Kronzeugin" die 1914 geborene Grete Falk an, Tochter des jüdischen Miteigentümers des Kaufhauses Alsberg (heute L + T). Wahlig hatte 2009 Gelegenheit, die 1934 nach Palästina emigrierte und seitdem Lea Levy heißende Dame zu interviewen. Sie erinnerte sich noch sehr gut an ihre Zeit im OTV, wo sie als Vorturnerin viel Anerkennung fand, und an den plötzlichen Vereinswechsel, den sie damals als Zehnjährige nicht verstand. Genau wie ihre Geschwister war auch sie eine begeisterte Tennisspielerin, und wie ihre Geschwister fand sie sich 1924 im frisch gegründeten jüdischen Tennisclub " Schwarz-Weiß Osnabrück" wieder. Das historische Foto zeigt sie (mit Hündchen auf dem Arm) in einer Reihe mit ihren Geschwistern Ilse, Paul und Hans Falk auf dem Tennisplatz zwischen Katharinen- und Rolandstraße.

Eigentümer der Doppelplatzanlage waren zu gleichen Teilen Siegfried und Raphael Flatauer, Ernst Jacobson, Max Netheim und Rudolf Wolf alles prominente Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, die den Ort wohl ausgewählt hatten, weil er nah bei ihren Wohnsitzen lag und auch die Synagoge und die jüdische Volksschule nicht weit entfernt waren.

Wie lange die neuen Herrscher den jüdischen Tennisverein nach 1933 noch gewähren ließen, ist nicht bekannt. Aktenkundig sind aber die Kaufverhandlungen, die Heinz Frömbling als Nachfolger seines Vaters an der Spitze des OTV ab März 1938 führte. Im Februar 1939 war der Deal abgeschlossen: Für 10 000 Reichsmark übernahm der OTV den 1889 Quadratmeter großen Platz " samt Inventar". Dieser unter Repressionen zustande gekommene Preis löste nach dem Krieg Nachforderungen der jüdischen Vorbesitzer und ihrer Erben aus. Nach jahrelangem Rechtsstreit erhielten sie in einem Vergleich nochmals 5500 DM vom OTV zugesprochen.

Im Jubiläumsheft " 100 Jahre OTV" aus dem Jahr 1961 wird die ruhmlose Zeit der braunen Vereinsführung komplett ausgeblendet. Zum Neustart der OTV-Tennisabteilung heißt es da lediglich: " Im Jahre 1953 war es dem Vorstand des OTV unter dem Vorsitz von Dr. Otto Höltje endlich gelungen, die sehr schwierigen Grundstücksfragen unserer Anlage an der Herderstraße zu klären." Bevor die Anlage ab 1. April 1954 wieder bespielbar war, diente sie den Jungen aus der Nachbarschaft als wilder Fußballplatz. An diese Zeit hat unser Leser Dieter Mehring lebhafte Erinnerungen: " Die eine Hälfte der alten Tennisanlage war dem Frauen- und Mädchenheim Katharinenstraße 42 als Wäschebleiche zugeteilt worden, auf der anderen Hälfte durften wir kicken. Natürlich flog unser Ball, schön mit rotem Sand noch vom Tennisplatz behaftet, mehr als einmal auf die ausgelegte Weißwäsche. Dann war was los!"

13 Jahre nutzte der OTV den wiederhergerichteten Tennisplatz. Zehn bis zwölf Turniere fanden jeden Sommer statt, was die Anwohner der umgebenden Blockbebauung zunehmend nervte. 1967 baute der Verein schon im Hinblick auf die angestrebte und schließlich 1969 vollzogene Fusion mit dem MTV zum OSC an der Hiärm-Gruppe-Straße neue großzügige Tennisplätze. Damit wurde der Innenhof frei für eine Wohnbebauung.

Nach einigen Startschwierigkeiten die Anbindung an die Rolandstraße oder an die Katharinenstraße war umstritten entstanden zwischen 1970 und den Achtzigerjahren sechs Wohnhäuser auf dem Areal. Ein Anlieger hatte die historische Wegebezeichnung " Uhlenfluchtweg" für die Erschließungsstraße ausgegraben. Anlieger Ingo Dauer weiß aus alten Sitzungsprotokollen, dass dieser Namensvorschlag im Rat zunächst Heiterkeit auslöste – " wohl, weil das so wenig großstädtisch klang". Heute seien aber alle Nachbarn stolz auf den Namen, weil nicht nur die hier verlaufende Nord-Süd-Wegeverbindung zu den ältesten in der westlichen Vorstadt gehört, sondern auch der Name selbst. " Außerdem gibt es in ganz Deutschland keinen weiteren Uhlenfluchtweg wir sind einmalig!", erklärt CDU-Ratsherr Dauer selbstbewusst.

Von der jüdischen Vergangenheit der einstigen Tennisanlage hätten er und wohl auch die meisten anderen Anlieger erst in jüngster Zeit erfahren. Dauer: " Wir gehen mit größtem Respekt mit diesem bislang kaum bekannten Schauplatz der Osnabrücker Stadtgeschichte um."

Stadt im Wandel: mehr Texte und Fotos auf www.noz.de/ historisch-os
Bildtexte:
Aus den Häusern Katharinenstraße 38 und 40 blickt man heute auf Wohnbebauung und Garagenhof des Uhlenfluchtwegs.
Die Geschwister Grete, Ilse, Paul und Hans Falk (von rechts) posieren mit Hündchen um 1930 auf dem Jüdischen Tennisplatz. Im Hintergrund sieht man die Hofseite der Häuser Katharienenstraße 36, 38 und 40. Das Foto aus dem Privatbesitz von Lea Levy (geborene Grete Falk) wurde veröffentlicht in: Peter Junk/ Martina Sellmeyer, Stationen auf dem Weg nach Auschwitz, herausgegeben von der Stadt Osnabrück, Verlag Rasch, Bramsche 1988.
Der Tennisplatz unter der Regie des OTV im Jahr 1960. Das Foto hat uns Leser Dieter Mehring zur Verfügung gestellt, der damals im 1. Stock des Hauses Katharinenstraße 44 wohnte. Ganz links, halb unter Zweigen versteckt, ist das Vereinsheim der OTV-Tennisabteilung zu erkennen und im Hintergrund Villen an der Rolandstraße sowie der Turm der Bergkirche.
Fotos:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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