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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Gefährliche Gäste?
Zwischenüberschrift:
Neue Serie, Teil 1: Wie einwandernde Tierarten unsere Region verändern
Artikel:
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Originaltext:
Meppen. Die Welt wandelt sich, alles ist im Fluss, nur die Natur bleibt, wie sie ist das könnte man jedenfalls denken. Aber das Gegenteil ist der Fall: Neobiota, " neue Lebewesen", erobern und verändern seit Jahrhunderten deutsche Wiesen, Weiden und Wälder.

Mindestens 800 Tier- und Pflanzenarten aus aller Herren Länder leben zusätzlich zur einheimischen Flora und Fauna in Deutschland. Die meisten sind unproblematisch, manche eine Bereicherung, aber das gilt nicht für alle. Sie gelten als invasiv, haben also unerwünschte Nebenwirkungen auf die einheimische Natur.

Auch das Land an Ems, Hase und Vechte beherbergt Dutzende neue Arten, und zum Auftakt unserer neuen Serie über Wildtiere in der Region soll es um die Neubürger unter ihnen, also die Neozoen, gehen. Zunächst sei hier erklärt, was Neozoen überhaupt sind und dass nicht jeder Neubürger dazu zählt. Denn zum Neozoon wird ein Tier nur dann, wenn es sich mit menschlicher Hilfe absichtlich oder versehentlich jenseits der eigentlichen Heimat etabliert.

Tiere, die aus anderen Gründen hier auftauchen, haben einen anderen Status. Dazu zählen Rückkehrer wie Kranich, Seeadler, Kolkrabe oder Wolf. Dann gibt es die " Einwanderer", also Arten, die aus eigener Kraft erstmals nach Deutschland gelangen. Zu ihnen zählen die Wespenspinne und der Silberreiher aus Südeuropa. Drei " Wiederangesiedelte", also gezielt vom Menschen zurückgeholte Arten, sind der Biber, der Europäische Nerz und die Sumpfmaus.

Zu den Neozoen dagegen zählt zum Beispiel die Chinesische Wollhandkrabbe, die vermutlich um 1910 im Ballastwasser von Schiffen aus Asien nach Europa gelangt. Sie gilt als invasiv, weil sie Schäden an den Ufern anrichtet angeblich bis zu 80 Millionen Euro pro Jahr.

Andere Neubürger siedelte der Mensch gezielt an: Waschbären aus Nordamerika zum Beispiel hat man 1934 in Hessen ausgesetzt, um die " heimische Tierwelt zu bereichern". Aus zwei Pärchen wurden Hunderttausende. Die Jagdstrecke in Niedersachsen liegt heute bei 6000 pro Jahr.

Neu im Lande ist auch der Marderhund. Der nachtaktive Allesfresser mit Vorliebe für Insekten stammt aus Ostasien, wurde 1920 zur Pelzgewinnung in Russland eingeführt und breitete sich aus. Das vermutlich erste in Deutschland frei lebende Exemplar hat man 1962 im emsländischen Börger erlegt.

Häufiger zu sehen als Waschbär und Marderhund sind zwei Nagetiere aus Nordamerika: Bisam und Nutria. Sie leben inzwischen an praktisch allen Gewässern und sind wegen ihres Hungers auf Pflanzen und wegen ihrer Wühltätigkeit berüchtigt. Nur fünf Exemplare des Bisams hatte man 1905 in Prag ausgesetzt, jetzt sind es europaweit Millionen. Dass der Bisam die Zusammensetzung der Pflanzenwelt verändert, wird angenommen. Sicher ist, dass er zumindest lokal den Bestand einheimischer Großmuscheln gefährdet. Mancherorts ernährt sich der Bisam auch von anderen Einwanderern, nämlich zwei aus Asien stammenden Muschelarten.

Im vergangenen Jahr wurden in Niedersachsen 131 001 Bisame erlegt. Eine Untersuchung der Uni Osnabrück hat allerdings ergeben, dass der Fang keine Auswirkungen auf die Bestandsdichte insgesamt hat. Der Nutria wird etwa seit 1890 in Europa gehalten wie der Bisam wegen seines Fells. Erste Farmen in Deutschland entstanden in den 1920er-Jahren, eine in Aschendorf. Heute kommt der Nutria an vielen Gewässern vor und hat im Emsland einen Bestandsschwerpunkt.

Einige andere Neubürger hätte man als solche nicht erwartet: So stammt der Fasan ursprünglich aus Asien und kam erst mit den Römern nach Westeuropa. Er gilt aber nicht als Neo-, sondern als Archäozoon, also als seit langer Zeit eingebürgerter Neuling. Als Grenze für diese Unterscheidung gilt die Entdeckung Amerikas 1492.

Vor dieser Zeitlinie kamen auch die Hausratte oder der Damhirsch aus Asien ins Land. Selbst das Kaninchen hat keine deutschen Wurzeln es kam wohl erst im 13. bis 15. Jahrhundert aus Spanien und Frankreich zu uns.

Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Neubürger haben sich in vielen Fällen zumindest auf großer Fläche als wirkungslos erwiesen, weshalb Experten und auch internationale Vereinbarungen zur biologischen Vielfalt Vorbeugung vor der Einschleppung weiterer Arten für die beste Methode der Bekämpfung halten.

So wird derzeit intensiv nach exotischen Mücken gesucht, die infolge der Globalisierung nach Deutschland einreisen und bisher hierzulande unbekannte Krankheiten übertragen können. Und auch in der Landwirtschaft fürchtet man Neobiota: Seit einigen Jahren sucht man mit Lockstofffallen nach dem Maiswurzelbohrer, der in den USA Milliardenschäden an Maiskulturen anrichtet und in Deutschland schon gesichtet wurde.
Bildtext:
Skurriller Moment: Neubürger Wanterratte beim Fressen eingewanderter Muscheln an der Ems bei Meppen.
Foto:
Böckermann

Schaden oder Nutzen?
Ob eine neue Tier- oder Pflanzenart die heimische Natur bereichert oder stattdessen gewachsene biologische Kreisläufe stört, hängt vom Einzelfall ab. Die meisten gebietsfremden Arten verursachen aber nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz keinerlei ökologische, ökonomische oder andere Schäden. Von den aktuell 310 in Deutschland etablierten Neozoen gelten rund zehn Prozent als invasiv und damit schädlich. Dazu gehören Arten wie der Bisam, der Ufer unterhöhlt. Europaweit sollen nach Schätzungen der EU pro Jahr 12, 5 Milliarden Euro an Kosten entstehen durch alle eingewanderten Tier- und Pflanzenarten zusammen.
Autor:
Tobias Böckermann


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