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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Fahrrad-Club: Tempolimit in Städten senken
 
Vom Luxusgut zum Gebrauchsgegenstand
 
"Das Verkehrsmittel der Zukunft"
Zwischenüberschrift:
ADFC-Chef für mehr Sicherheit
 
Vor knapp 200 Jahren wurde das Fahrrad erfunden, doch sein Siegeszug setzte erst viel später ein
 
ADFC-Bundesvorsitzender Ulrich Syberg fordert Tempo 30 in Städten und mehr Engagement von der Politik
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit für Radfahrer gefordert.
In einem Interview mit unserer Redaktion rief ADFC-Bundesvorsitzender Ulrich Syberg die Städte auf, die Geschwindigkeiten zu senken. " Durchschnittlich fährt man in den Städten eh nur 25 bis 30 Stundenkilometer", sagte Syberg. Die Kommunen sollten zudem den Radverkehr an Kreuzungen verbessern, um Unfälle durch abbiegende Autos und Lkw zu vermeiden. Der ADFC-Chef verlangte außerdem eine intensivere digitale Vernetzung von Verkehrsmitteln. " Ein Auto könnte erkennen, wo ein Radfahrer ist oder dieser könnte gewarnt werden, dass ein abbiegendes Fahrzeug links hinter ihm ist."
Vom Bund forderte Syberg, sich finanziell stärker für Radfahrer zu engagieren. " Der Bund darf nicht nur moderieren und sagen, was die Städte zu tun haben und wie viel sie für den Radverkehr ausgeben sollen", sagte der Vorsitzende des ADFC.
Politisch habe der Radverkehr noch nicht den gewünschten Stellenwert. " In den Niederlanden und Dänemark sieht man ständig Mitglieder der Königsfamilie, Minister und Beamte auf dem Rad zu Terminen kommen", sagte Syberg. Das sei in Deutschland unvorstellbar. Manche Städte kümmerten sich überhaupt nicht um den Radverkehr, andere Städte dagegen sehr vorbildlich. Gefragt seien mutige Bürgermeister, Landräte, Verkehrsminister bis hinauf in die oberste Ebene, die das Thema im Herzen haben. Der ADFC zählt derzeit fast 150 000 Mitglieder.
Das Interview mit dem ADFC-Vorsitzenden und ein Beitrag zur Geschichte des Fahrrades bilden den Auftakt einer mehrteiligen Fahrrad-Serie in dieser Woche. Unter anderem blicken wir auf Trends und Innovationen rund um das Fahrrad und beschäftigen uns mit dem nationalen Radwegeplan.
Ein Artikel beleuchtet die Entwicklung bei den Elektrofahrrädern (E-Bikes). Im Übrigen geht es um die wirtschaftliche Situation der Fahrradunternehmen, die auch im Westen Niedersachsens vertreten sind, und um die Frage, welcher Ort sich eigentlich Fahrradhauptstadt nennen kann.

Osnabrück. 72 Millionen Fahrradfahrer kurven durch Deutschland, inzwischen immer mehr auf E-Bikes. Diesen Siegeszug des Fahrrads hätte sich Karl Drais vermutlich niemals erträumt, als er vor 200 Jahren ein Zweirad erfand, das mit Laufkraft angetrieben wurde: die Draisine die Vorgängerin des Fahrrads.
Not macht erfinderisch: Als der Karlsruher Tüftler Karl Friedrich Freiherr Drais 1817 das erste Zweirad baute, herrschte große Not in Deutschland. Im Jahr zuvor war der Sommer kalt und nass ausgefallen, die Folge eines Vulkanausbruchs in Indonesien. Auf die schlechte Ernte folgte eine Hungersnot, die Haferpreise explodierten, und in ihrer Verzweiflung aßen die Menschen auch ihre Pferde das damalige Fortbewegungsmittel Nummer eins.
Umso größer war die Begeisterung, als Drais eine Vorrichtung präsentierte, mit der man ohne Pferdestärke, aber schneller als zu Fuß unterwegs sein konnte. Zwei Räder hatte das Gerät aus Holz, aber weder Pedalen noch Kette. Wer sich auf den Sattel setzte, musste sich mit den Füßen vom Boden abstoßen, um vorwärtszukommen. Drais nannte die Konstruktion Laufmaschine, in der Öffentlichkeit hieß sie bald Draisine, nach ihrem Erfinder. 15 Stundenkilometer schaffte das Laufrad.
Doch 1817 fiel die Ernte wieder besser aus, die Menschen hatten zu essen und so ebbte die erste öffentliche Begeisterung für Drais′ Entwicklung ab. Doch Erfinder in England und Frankreich versahen das Zweirad mit Tretkurbeln, sodass die Füße nicht länger den Boden berühren mussten. Die Pedalen an der starren Kurbel saßen am Vorderrad. Da die Strecke, die das Rad mit einer Kurbelbewegung zurücklegen konnte, dem Umfang des Vorderrads entsprach, wurde dieses immer größer.
Und so entstanden jene Hochräder, die so charakteristisch sind für das Ende des 19. Jahrhunderts: mit einem großen Vorderrad, auf dem der Fahrer in bis zu anderthalb Meter Höhe thronte, und einem winzigen Hinterrad. Halsbrecherisch konnte die Fahrt auf diesem Veloziped sein. Nicht wenige Wagemutige verletzten sich bei Stürzen oder starben sogar.
Die Hochräder waren eher Spielzeug für reiche Männer statt Fortbewegungsmittel für die Massen. In der Öffentlichkeit waren Velozipeden verpönt, auch weil ihre Fahrer häufig die Gehwege nutzten und damit Fußgänger gefährdeten. Doch mindestens einen Fan, der heute prominent ist, bekam das Fahrrad zu dieser Zeit: Adam Opel.
Der berühmte Fabrikant, der 1862 in Rüsselsheim eine Nähmaschinen-Manufaktur eröffnet hatte, stieg in den 1880er-Jahren in die Fahrrad-Herstellung ein.
Zunächst produzierte er die üblichen Velozipede, später die weiterentwickelten Versionen mit Diamantrahmen, Luftreifen und Kettenantrieb am Hinterrad. Seine Söhne hatten ihn mit ihrer Begeisterung für das Zweirad angesteckt. Adam Opel soll gesagt haben: " Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad." Die Firma gehörte bald zu den führenden Fahrradherstellern, bevor sie sich der Produktion des Automobils zuwandte.
Neue Entwicklungen brachten das Zweirad dem modernen Fahrrad näher. Entscheidend war die Erfindung des Kettenantriebs am Hinterrad. Der Brite John Kemp Starley stellte 1884 sein erstes Gefährt dieser Art vor. Vorder- und Hinterrad glichen sich in der Größe langsam an. Doch weil alle Welt noch auf das Hochrad fixiert war, schenkte man ihm nur wenig Beachtung. Starley organisierte daraufhin ein Rennen, in dem sich seine Version des Fahrrads gegen ein Veloziped durchsetzte. Die Erfindung des Diamantrahmens verschaffte den Rädern mehr Stabilität. 1888 meldete der Schotte John Boyd Dunlop sein Patent für den ersten Fahrradluftreifen an. Die Zeit der knirschenden Eisenräder oder Vollgummireifen war vorbei.
Der Siegeszug des Fahrrads setzte nach dem Ersten Weltkrieg ein. Durch die industrielle Massenproduktion sanken die Preise und das Fahrrad wandelte sich vom Luxussymbol zum täglichen Gebrauchsgegenstand. Für Frauen wurde es zum Zeichen der Emanzipation: Sie nutzten es als Ausdruck ihrer Mobilität und Eigenständigkeit. Und auch das Selbstverständnis der Arbeiter wurde durch das Rad entscheidend verändert. Plötzlich konnten sie auch längere Strecken zu einem Arbeitsplatz in Kauf nehmen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts musste sich das Fahrrad dem Siegeszug des Motorrads und des Autos geschlagen geben. Als in den Wirtschaftswunderjahren der 1950er jeder einen Volkswagen haben wollte, war die Fortbewegung auf dem Rad per Muskelkraft verpönt. So bekam das Fahrrad das Image, nur etwas für Studenten und arme Leute zu sein oder ein Kinderspielzeug.
Erst in den 1970er- und 80er-Jahren setzte mit dem Aufkommen eines ökologischen Bewusstseins ein Umdenken ein. Inzwischen ist Fahrradfahren für viele Deutsche alltägliche Selbstverständlichkeit und etwas, das in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nicht umsonst heißt es schließlich: " Das ist wie Fahrradfahren: Das verlernt man nicht."
Bildtext:
Nicht ungefährlich ist der Ritt auf einem Veloziped, einem Hochrad (oben). Dieser Entwichlung ging die Erfindung der Draisine, des Laufrades (links), durch Karl Drais im Jahr 1817 voraus.
Fotos:
dpa, Imago, Leemage

Berlin. Seit 1979 setzt sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) für die Belange der Radler ein. Im Interview spricht Ulrich Syberg, der Bundesvorsitzende des ADFC, über die gesellschaftliche Rolle des Fahrrades, die Zusammenarbeit mit der Politik und das Ziel " Vision Zero".
Herr Syberg, als Bundesvorsitzender des ADFC haben Sie sich zum Ziel gesetzt, das Fahrrad stärker in die Gesellschaft zu integrieren. Was meinen Sie genau damit?
Unsere Gesellschaft wird immer mobiler. Die Menschen sind häufiger und länger unterwegs ob auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder in der Freizeit und im Urlaub. Auch die Älteren sind viel aktiver als noch vor dreißig, vierzig Jahren. Damit all diese Mobilität in Zukunft auch noch funktioniert, brauchen wir das Fahrrad als Verkehrsmittel. In einigen Bereichen funktioniert das schon ganz gut. Wir wollen der Politik und den Menschen das Fahrrad als das Verkehrsmittel der Zukunft schmackhaft machen.
Wie fällt ihre bisherige Bilanz aus?
Das Fahrrad ist überall präsent. Ich hätte niemals gedacht, dass Banken mal mit Fahrrädern werben würden. Medial kommt das Thema sogar auf die Titelseiten. Sogar der ADAC hat mittlerweile erkannt, dass er nicht nur fürs Auto da sein muss, sondern die Mobilitätsketten berücksichtigen muss.
Wie soll es gelingen, den Menschen das Fahrradfahren näherzubringen?
Die gefühlte Sicherheit ist das Wichtigste beim Radfahren. Viele Menschen möchten mehr Fahrrad fahren, haben aber Probleme damit, sich ins Getümmel zu stürzen. Deshalb müssen Radverkehrsanlagen gebaut werden, die den Menschen ein Gefühl von Sicherheit geben.
Stichwort Sicherheit: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Fahrradunfälle auf deutschen Straßen um zehn Prozent gestiegen. Wie erklären Sie sich das?
Die Zahl ist natürlich sehr beunruhigend. Die " Vision Zero", also gar keine Unfälle, steht bei uns an oberster Stelle. Um das zu schaffen, muss man aber viele Veränderungen im Straßenverkehr beeinflussen. Der Anstieg 2014 war auch dem guten Fahrradwetter geschuldet. Grundsätzlich ist aber jeder Fahrradunfall einer zu viel.
Aber wie kann die Zahl verringert werden?
Häufigste Unfallursache sind abbiegende Autos und Lkw. Die Städte müssen also darüber nachdenken, wie der Radverkehr beispielsweise an Kreuzungen gut und sicher geleitet werden kann. Mir ist auch wichtig, dass man die digitale Vernetzung von Verkehrsmitteln weiter vorantreibt. Ein Auto könnte erkennen, wo ein Radfahrer ist oder dieser könnte gewarnt werden, dass ein abbiegendes Fahrzeug links hinter ihm ist. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Geschwindigkeiten in den Städten zu senken.
Die häufig diskutierte Forderung, die Höchstgeschwindigkeit in Ortschaften auf 30 Stundenkilometer zu senken, dürfte bei den Autofahrern allerdings nicht auf Gegenliebe stoßen . . .
Wir sehen das optimistisch. Es gibt schon Versuche in diese Richtung in Münster diskutiert man schon über Tempo 30 flächendeckend in der Innenstadt. Man muss sich klarmachen: Durchschnittlich fährt man in den Städten eh nur 25 bis 30 Stundenkilometer. Es muss nur gelingen, die Spitzengeschwindigkeiten zu reduzieren.
Unfälle werden aber nicht immer von Autofahrern verursacht. Tragen Radler oftmals nicht auch eine Mitschuld?
Radfahrer, die sich an keine Verkehrsregeln halten, machen mir Sorgen. Natürlich muss man auch sie in die Pflicht nehmen. Auf der falschen Seite oder auf dem Gehweg fahren, bei Rot über die Ampel das verurteile ich ganz deutlich. Wenn wir mit dem Finger auf andere zeigen, müssen wir uns auch mal um uns selbst kümmern.
Wie lässt sich das Problem lösen?
Erstens: bessere Infrastruktur. Wenn es ordentliche Angebote für Radfahrer gibt, verhalten sie sich auch besser. Zweitens: reden, reden, reden. Und drittens: bessere Mobilitätserziehung in Schulen und Kindergärten.
Hat Deutschland im Bereich der Fahrradpolitik einen Nachholbedarf im Vergleich zu anderen Ländern?
Auf alle Fälle. Wir haben zwar einen Nationalen Radverkehrsplan, den zweiten sogar schon. Was mir aber Sorgen bei der Umsetzung bereitet, ist der Föderalismus. Der Bund darf nicht nur moderieren und sagen, was die Städte zu tun haben und wie viel sie für den Radverkehr ausgeben sollen. Er müsste eine viel größere Rolle spielen und sich stärker finanziell engagieren.

Das Interview in voller Länge lesen Sie auf noz.de/ politik
Bildtext:
Ulrich Syberg
Foto:
Bilan/ ADFC
Autor:
Christian Lang, Franziska Kückmann


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