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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Bombensuche für 2015 beendet
 
Bombensuche für 2015 beendet
Zwischenüberschrift:
Mittel im städtischen Haushalt aufgebraucht – Gefahr von Selbstdetonationen steigt
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Originaltext:
Osnabrück. In diesem Jahr wird die Stadt nicht mehr aktiv nach Bombenblindgängern suchen. Es ist kein Geld mehr dafür da. Doch die Zeit drängt: Bomben mit einem chemischen Langzeitzünder können aus Altersschwäche jederzeit von selbst detonieren.

Osnabrück. Für die Beseitigung von Bombenblindgängern kommt der Kampfmittelräumdienst des Landes Niedersachsen regelmäßig nach Osnabrück. Einer der Gründe ist, dass sich die Stadt im Jahr 2000 dazu entschieden hat, nicht nur auf Zufallsfunde zu reagieren, sondern aktiv nach Blindgängern zu suchen. Denn die Zeit drängt: Gerade Bomben mit einem chemischen Langzeitzünder können aus Altersschwäche jederzeit von selbst detonieren. Für 2015 ist allerdings Schluss mit der Bombensuche: Es ist kein Geld mehr dafür da.

Pro Jahr gibt es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und der Fläche von Österreich zusammen durchschnittlich eine Selbstdetonation einer Weltkriegsbombe, sagt Thomas Bleicher, Dezernatsleiter beim Kampfmittelbeseitigungsdienst. Er fügt hinzu: " Wir gehen davon aus, dass das Gefahrenpotenzial ansteigt." Denn die Experten stellten zunehmend fest, dass die Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr transportfähig seien. " Vor zehn Jahren gab es pro Jahr circa 30 Sprengungen. Jetzt sind wir bei 200 Sprengungen pro Jahr", berichtet Bleicher, der betont, dass sich diese Zahl auf alle Kampfmittelfunde bezieht, also beispielsweise auch auf Handgranaten. Im Umkehrschluss steige auch die Gefahr von Selbstdetonationen.

Gleichzeitig stellt Bleicher fest: " Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele Bomben wo abgeworfen worden sind." So weiß auch Jürgen Wiethäuper vom Fachbereich Ordnung und Gewerbe der Stadt Osnabrück nur, dass es 78 Luftangriffe auf Osnabrück gab. Dabei sollen 181 Luftminen, fast 25 000 Sprengbomben, über 650 000 Brandbomben und circa 12 000 Flüssigbrandbomben abgeworfen worden sein. " Der Anteil der Blindgänger beträgt nach statistischen Hochrechnungen 10 bis 15 Prozent der abgeworfenen Bomben", so Bleicher. Von diesen Blindgängern seien wiederum 10 Prozent mit einem Langzeitzünder versehen.

Wiethäupers Team rechnet aktuell mit 2500 bis 3750 Sprengbombenblindgängern, die es im Stadtgebiet gab. Doch sowohl der Osnabrücker Fachmann als auch Bleicher betonen, dass niemand weiß, wie viele Blindgänger nach während des Krieges von der Wehrmacht unschädlich gemacht worden sind und wie viele die Alliierten nach Kriegsende beseitigt haben. Auch für die Zeit danach sieht es schlecht aus, was die Dokumentation angeht. " Ich habe aus den ganzen Achtzigerjahren einen Leitz-Ordner. Heute füllt eine Maßnahme meist schon einen aus", berichtet Wiethäuper. Davon abgesehen seien Informationen des Ordnungsamtes früher nach einer gewissen Sperrfrist einfach weggeworfen worden.

Damit es seinen Nachfolgern nicht ebenso ergeht, erarbeiten Wiethäuper und sein Team derzeit eine digitale Karte. Außerdem ist die Stadt Osnabrück im Jahr 2000 in das damalige Landesprogramm zur gezielten Kampfmittelsuche eingestiegen. Als in wenigen Monaten eine erhebliche Zahl von Blindgängern gefunden wurde, zum Teil mit Langzeitzündern, entschied die Stadt, diese Suche fortzuführen.

Seit 2000 wurden in Osnabrück 2483 Blindgängerverdachtspunkte sondiert. Gefunden wurden 216 Kampfmittel, und 74-mal mussten Osnabrücker für Evakuierungsmaßnahmen ihre Wohnungen und Häuser verlassen. " Inzwischen gibt es Bereiche der Stadt, wo die aus den Luftbildern zu ermittelnden Blindgängereinschläge abschließend ausgewertet und sondiert wurden", sagt Wiethäuper. Doch er schränkte ein: Da nicht alle alliierten Angriffe über Luftbilder dokumentiert und außerdem Teile der Luftbilder nicht auswertbar seien, könne nie ausgeschlossen werden, dass sich auch in diesen Bereichen doch noch Sprengkörper im Boden befänden.

Die gezielte Suche geht indessen weiter wenn sie auch bis Ende des Jahres erst einmal pausiert. 2015 standen im Haushalt der Stadt 400 000 Euro für die Kampfmittelsuche zur Verfügung. Diese Mittel sind seit der Räumung am 26. Juli in Da rum aufgebraucht, und nicht zuletzt die von Oberbürgermeister Wolfgang Griesert verhängte Haushaltssperre lässt wenig Spielraum für weitere Ausgaben. " Die gezielte Suche ist für 2015 abgeschlossen", sagt Wiethäuper. Zufallsfunde, beispielsweise bei Baumaßnahmen, würden natürlich auch weiterhin beseitigt. Davon abgesehen sei es aber geplant, die gezielte Kampfmittelsuche in der bisherigen Form fortzusetzen wenn auch erst wieder ab 2016.

Die Entscheidung, ob aktiv nach Blindgängern gesucht wird, liegt bei der Kommune. " Das richtet sich nach dem Gefahrenpotenzial und sicherlich auch nach den finanziellen Möglichkeiten", sagt Bleicher. Osnabrück gehöre zu den Städten mit einer überdurchschnittlich starken Kampfmittelbelastung. Außer in Osnabrück suchten in Niedersachsen beispielsweise auch Braunschweig, Langenhagen und Hannover selbst aktiv nach Blindgängern. " Georgsmarienhütte ist jetzt auch mit eingestiegen", fügte er hinzu.

Weltkriegsbomben halten Osnabrück regelmäßig in Atem. Mehr auf noz.de/ bombe
Bildtext:
Wenn eine Weltkriegsbombe oder ein anderer Sprengkörper entschärft werden muss, rückt der Kampfmittelbeseitigungsdienst aus Hannover an.
Foto:
Michael Gründel

Kommentar
Wer suchet, der wird auch finden, und das ist gut so

Suche einstellen, der Etat ist verbraucht. Hilft jetzt nur noch Ohren zuhalten und beten? Nein, keine Sorge, ganz so schlimm ist es nicht. Obwohl die Fakten schon beunruhigen können: Osnabrück ist überdurchschnittlich mit Blindgängern belegt, zehn Prozent davon sind schätzungsweise mit den hochgefährlichen Langzeitzündern versehen, und können von selbst detonieren. Immer weniger Weltkriegsbomben könnenn entschärft, immer mehr müssen vor Ort gesprengt werden. Das Risiko einer unkontrollierten Detonation ist für die Kampfmittelbeseitiger mittlerweile viel zu groß geworden.

In den kommenden Jahren wird sicherlich auch das Thema Selbstzündung mehr in den Fokus rücken, weil die alten Langzeitzünder nun in ein Alter kommen, in dem sie verrottet sind, und die Bomben, in denen sie seit Jahrzehnten schlummern, unversehens in die Luft gehen.

Jeder Häuslebauer ist also gut beraten, sich schlau zu machen, ob denn sein Grundstück kampfmittelfrei ist, bevor er den Bagger anrücken lässt. Bei Großprojekten lassen sich die Unternehmen bereits jetzt die Kampfmittelfreiheit bestätigen. Die Stadt gibt viel Geld für die systematische Suche nach und die Beseitigung von Kampfmitteln aus. Das ist gut angelegtes Geld. Man stelle sich nur das Geschrei vor, sollte es tatsächlich einmal zu einer Selbstzündung mit Toten und Verletzten kommen. Anfang 2016 gehen Suche und Räumung weiter. Dann werden sicherlich auch wieder Evakuierungen anstehen. Darüber sollte sich niemand ärgern, denn jede geräumte Bombe ist eine Gefahr weniger.
Autor:
Claudia Sarrazin, Dietmar Kröger


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