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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Vom Nazi-Heim zur Jugendherberge
Zwischenüberschrift:
Im Eversburger Tannenhof kehrten von 1963 bis 1987 Klassen und Gruppen ein
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Der Tannenhof wurde 1938 für die Hitlerjugend (HJ) im sogenannten " Heimatschutzstil" errichtet. Mit den weit heruntergezogenen Steildächern ahmte er die Proportionen des niedersächsischen Bauernhauses nach und entsprach somit den Vorgaben der NS-Parteiorganisationen für eine " landschaftsgebundene Architektur". Nach dem Krieg war er 24 Jahre lang Heimat der Osnabrücker Jugendherberge aus HJ war JH geworden.

Dazwischen lag ein Intermezzo als Jugendwohnheim. Im Krieg kaum beschädigt, hatte man den Tannenhof rasch wiederhergerichtet, um jungen Leuten aus dem Emsland, die in Osnabrück eine Lehrstelle gefunden hatten, eine billige Unterkunft zu bieten. Dazu bekam die monumentale " Feierhalle" (im linken Hauptgebäude) eine Zwischendecke. Küche und Wohnung für den Heimleiter wurden eingebaut.

Die Jugendherberge war damals in den ebenfalls unzerstört gebliebenen ehemaligen Armenhäusern an der Bocksmauer wiedereröffnet worden, wo sie schon seit 1928 Unterschlupf gefunden hatte. In der allgemeinen Not der Nachkriegsjahre fiel es noch nicht so auf, dass die Installationen eben auch von 1928 stammten. Insbesondere die mangelnde Beheizbarkeit machte den Gästen zunehmend zu schaffen. Der strenge Winter 1962/ 63 läutete schließlich das endgültige Aus für diese Nutzung ein. Die Wasserinstallationen waren hoffnungslos eingefroren, eine drei Zentimeter starke Eisschicht bedeckte den Fußboden des Mädchenwaschraums. Allen angemeldeten Gästen musste abgesagt werden.

Nicht noch so einen Winter, sagten sich die Herbergseltern Karl und Anni Brinkmann, und ihr Dienstherr, der DJH-Landesverband Unterweser-Ems, pflichtete ihnen bei. Die Stadt geriet in Zugzwang. Sie musste rasch eine Nachfolgelösung finden. Dabei fiel das Auge des Jugendwohlfahrtsausschusses auf den Tannenhof. Notwendige Umbauten hielten sich in Grenzen. Sie betrafen in erster Linie " die Trennung der Geschlechter", denn bislang hatten hier nur junge Männer gewohnt. Die Aufenthaltsräume wurden aufgehübscht, im Keller wurde der Partyraum " Zum qualmenden Socken" eingerichtet. Noch im Sommer 1963 hielt die Jugendherberge Einzug.

Es folgten 20 glückliche Jahre, in denen die Herberge mit ihren 130 Betten gut ausgelastet war, in den Ferienmonaten eher mit Einzelwanderern, in der Schulzeit mit Klassen und Gruppen. 48 Nationalitäten sind in den Gästebüchern verewigt. Die Lage am Natruper Holz, die umgebenden Grünflächen und die nahen Ausflugsziele wogen die Stadtrandlage mehr als auf.

Einer, der den Lebenslauf des Tannenhofs hautnah miterlebt hat, ist der heute 85-jährige Werner Kelch. Er wohnt genau gegenüber, im Siedlungshaus Am Tannenhof 7. " Als zehnjähriger Pimpf wurde ich 1938 dort vereidigt", erzählt der pensionierte Bauingenieur. Im Krieg half er mit seinen Sportkameraden, das durch Brandbomben beschädigte Dach zu reparieren.

Zu trubelig sei es in den Jugendherbergszeiten eigentlich nie gewesen. Sein Vater, der damalige Oberbürgermeister Willi Kelch, habe viele auswärtige Besuchergruppen, etwa aus den Partnerstädten, hierhin gelotst. " Holländische und englische Marschkapellen waren der Höhepunkt. Die mussten noch üben für ihre Auftritte und sind dann immer mit Tschingderassabum unsere kleine Straße auf- und abmarschiert." Mehrere Male hätten auch seine Eltern ausländische Gäste aufgenommen, wenn der Herbergsvater SOS funkte, weil absolut kein Bett mehr frei war.

Die glücklichen Jahre währten bis 1982. Dann kündigte die Stadt den Pachtvertrag, weil sie einen übergroßen Renovierungsbedarf auf sich zukommen sah. Nach einem Gutachten wären 1, 5 Millionen DM aufzubringen gewesen. Es schien insbesondere der Gruppe CDU/ FDP günstiger, das ehemalige Kinderheim am Schölerberg zur Jugendherberge umzubauen, zumal Fördermittel bereitstanden. Zum Finanzierungskonzept gehörte der Verkauf des Tannenhof-Grundstücks für Zwecke der Wohnbebauung. Eine Bürgerinitiative, die später Unterstützung von SPD und Grünen bekam, lief gegen den Abriss Sturm. Sie wollte den Tannenhof als Stadtteilzentrum erhalten haben. Doch es nützte nichts: Im Oktober 1987 rückte der Abrissbagger an.

Mit der geplanten Wohnbebauung wurde es aber so schnell nichts. Die Stadt musste Asylbewerber unterbringen und errichtete Holzbaracken, die von 1990 bis 1994 standen. 14 weitere Jahre herrschte Stillstand. Erst 2008 wurde ein Bebauungsplan auf den Weg gebracht. Inzwischen sind die ersten Häuser bezugsfertig.
Bildtext:
Ein Bild aus glücklichen Tagen: die Jugendherberge am Tannenhof im Jahr 1974. Zehn Jahre später stand sie im Zentrum politischer Auseinandersetzungen um die weitere Nutzung, die im Abriss 1987 endeten.
Nach 20 Jahren Brache sind jetzt die ersten Wohnhäuser auf dem Ex-Jugendherbergsgelände entstanden.
Foto:
Archiv Bürgerverein Eversburg, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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