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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Ein "Spaßbad" mit eiskalten Duschen
Zwischenüberschrift:
Heute bedeckt Fußballrasen die Flächen des früheren Prießnitzbades
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Den Verfall eines Freibades konnte man in den 1950er-Jahren im Zeitlupentempo in Osnabrück miterleben. Wenn man sich nämlich zwischen Blumenhalle und Martinsburg durch meterhohen Wildwuchs kämpfte und dann mit etwas Spürsinn auf die Überreste des Prießnitz-Bades stieß. Dort ragte das Einer-Sprungbrett noch jahrelang über ein Becken, das statt mit Wasser mit Unkraut angefüllt war. Aus den Mauerwerksritzen der Beckenumrandung wuchsen Birken, während den Türpfosten der Umkleidekabinen nichts anderes übrig blieb, als langsam wegzufaulen.

" Osnabrück vergißt seit Kriegsende das Prießnitz-Bad", klagte Redakteur Hans-Wolfgang Kindervater im August 1958 im " Osnabrücker Tageblatt", " es ist ein Bild des Jammers. Es muß etwas geschehen, um diesen Schandfleck verschwinden zu lassen. So geht es nicht weiter." Er forderte die Ratsherren auf, sich persönlich einmal durch das Unkraut zu kämpfen und einen Eindruck von der einen Hektar großen Liegenschaft im Eigentum der Stadt zu gewinnen, um danach " Verantwortung zu übernehmen".

Nach Krieg verfallen

Eine Wiedernutzung als Badeanstalt schien 1958 schon aussichtslos, weil der Verfall zu weit fortgeschritten war. " Macht daraus eine grüne Insel der Ruhe", schlug Kindervater vor. Vierzig Jahre später ging der Wunsch in Erfüllung. 1997 wurde der größere Teil der ehemaligen Prießnitz-Flächen entsiegelt und zu einem Biotop zurückentwickelt.

Angefangen hatte alles 1921. In der noch jungen Weimarer Republik, als man bemüht war, alles besser zu machen als im untergegangenen Kaiserreich, schuf sich der " Verein für naturgemäße Lebens- und Heilweise Prießnitz" im Garten der Blumenhalle ein Licht- und Luftbad. Es bestand aus zwei Abteilungen: Durch eine Bretterwand waren die Damen- und die Herrenwiese streng voneinander getrennt. Weitere Blenden schützten die Luftbadenden auch vor neugierigen Blicken aus der Umgebung. Licht und Luft genügten als Heilmittel, lediglich eine Kaltwasserdusche sorgte für Reinigung und Erfrischung.

Heilsames Wasser

Der Name des Prießnitz-Vereins geht auf den österreichisch-schlesischen Naturheilkundigen Vincenz Prießnitz (1799 bis 1851) zurück, der für seine Wiederentdeckung der Kaltwasserbehandlungen den Beinamen " Wasserdoktor" erhielt. Nicht nur in seinem heute tschechischen Heimatdorf Jesenik entstanden Prießnitz-Kureinrichtungen, auch in zahlreichen deutschen Städten fanden seine Ideen von Bewegung, Diät und Abhärtung vorzugsweise durch eiskaltes Duschen eifrige Anhänger, nächstgelegen zu Osnabrück etwa in Gütersloh und Hilden. Prießnitz hat sogar Eingang in die polnische Sprache gefunden. So heißt Dusche auf Polnisch Prysznic, eine polonisierte Form seines deutschen Familiennamens.

In Osnabrück erweiterten die Mitglieder des Prießnitz-Vereins mit mäßiger Unterstützung durch die Stadt 1926 ihr Licht- und Luftbad um ein Wasserbad. Zwischen Blumenhaller Weg und Oberer Martinistraße (heute Kurt-Schumacher-Damm) legten sie ein 25 mal 10 Meter großes Schwimmbecken und ein kleineres Planschbecken an, die aus der Martinsquelle gespeist wurden. Die etwa ein Hektar große Fläche nördlich der Martinsburg und des Spielverein-16-Sportfeldes bot eine natürliche Einteilung in Liegewiese, Fichtenwäldchen, Erlenhain und eben den Freibadbereich. Eine neu angelegte Siedlungsstraße östlich der Blumenhalle erhielt 1931 den Namen Prießnitzhof.

Alternative zum Moskau

Das Prießnitzbad wurde als kleinere und familiärere Alternative zum Moskaubad von vielen Osnabrücker Bürgern gern aufgesucht, auch wenn sie mit Kaltkompressen und Wadenwickeln nichts am Hut hatten. Dann kam der Krieg. Die Anlage wurde schwer beschädigt, der Prießnitz-Verein löste sich 1945 auf. Das Freibad fiel über die August-und-Dorothea-Henking-Stiftung an die Stadt. Die konnte damit aber zunächst nichts anfangen, weil die Besatzungsmacht das Areal für die Freizeitgestaltung ihrer Soldaten beschlagnahmt hatte.

Als die Engländer es 1953 wieder freigaben, war der Verfall schon im Gange. Das ständig an die Oberfläche drückende Quellwasser setzte der Beckensohle und den Mauerwerksfundamenten zu. Die Stadt hatte zunächst andere Sorgen, als sich um ein überplanmäßiges Freibad zu kümmern, und ließ die Dinge treiben. Verschiedene Pläne tauchten auf, sie reichten vom Erholungszentrum über einen Fußballplatz bis zum Standort der neu zu errichtenden Stadthalle.

1964 passierte etwas: Die Stadt ließ Erde anfahren und verteilen, um im Hinblick auf das Landesturnfest 1965 einen großen Zeltplatz anzulegen. Der Spielverein 16 hoffte auf eine Nachnutzung in seinem Sinne: Er wünschte sich ein weiteres Spielfeld im Anschluss an den vorhandenen Fußballplatz. 1966/ 67 verzeichnete er einen Teilerfolg. Der östliche Teil des Prießnitz-Areals einschließlich des ehemaligen Schwimmbad-Standortes wurde dem Sportpark Blumenhalle zugeschlagen.

Der westliche, näher zur Martinsburg hin gelegene Teil blieb städtebauliche Brache, bis die Stadt ab 1997 den früheren Parade- und späteren Parkplatz der Martinsburg renaturierte und zusammen mit dem Martinsteich zu einem Bestandteil des " Grünen Netzes" der Stadtökologie machte.

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Bildtexte:
Die Liegewiese des Prießnitzbades, hier eine Aufnahme aus den 1930er-Jahren. Im Hintergrund sind die Umkleidekabinen zu sehen.
Der Sportplatz des Spielvereins 16 nimmt heute den Standort des ehemaligen Schwimmbades ein.
Fotos:
Archiv/ Peter Mielke, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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