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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Kritik an städtischer Denkmalpflege
 
"Amerika" hat die Gelbsucht
Zwischenüberschrift:
Restaurierungspanne im Schlossgarten
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Die Restaurierung der barocken Figur " Amerika", die seit 1965 im Schlossgarten steht, ist offenbar gründlich missglückt: Experten kritisieren den Einsatz von Silikonharz, der der zuvor sandsteinfarbenen Statue nun einen gelben Farbton verleiht.

Osnabrück. Mit " Amerika" stimmt etwas nicht. Die barocke Sandsteinfigur im Schlossgarten hat die Gelbsucht. Vor wenigen Wochen wurde sie aufwendig restauriert, und dabei ist offensichtlich etwas schiefgelaufen. Nicht nur die missglückte Farbgebung wirft Fragen auf. Das verwendete Silikonharz ist für viele Denkmalpfleger ein Tabubruch, weil es das Original mit einer künstlichen Haut überzieht. Und die löst sich an einer Stelle bereits wieder von der Oberfläche.

Silikonharz zur Sandsteinkonservierung ist unter Restauratoren ein Thema mit höchster Sprengwirkung. Das eine Lager sieht darin ein Teufelszeug, das historische Kunstwerke zerstört; das andere rühmt die herausragenden Eigenschaften des mineralischen Anstrichs. Wie von Zauberhand lasse er das Regenwasser optimal ablaufen, aber nicht eindringen. Dank seiner Poren atme das Material, und der sonst so gefürchtete Wasserdampf könne ungehindert austreten.

Umstrittenes Verfahren

Der Denkmalpflege in Osnabrück war die Verwendung von Silikonharz jahrzehntelang nicht geheuer, doch die Zeiten haben sich geändert und die Mitarbeiter auch. Im Schlossgarten hat die Stadt jetzt ein Exempel statuiert, das unumkehrbar ist. " Amerika" wurde saniert nach dem umstrittenen Verfahren.

" Amerika" ist eine der vier barbusigen Schönheiten, die seit 1965 die Schlossterrasse zieren. Sie stellen die Kontinente dar, so wie sie in der Welt des Barock bekannt waren, also noch ohne Australien und die Antarktis. Um 1740 wurden sie in Baumberger Sandstein für das Schloss Eggermühlen bei Bersenbrück gefertigt. Wegen seiner Helligkeit war der Sandstein aus dem Münsterland damals ein begehrter Ersatz für den noch begehrteren Carrara-Marmor. Aber den konnte sich der Landadel nicht leisten.

Dass der Baumberger Sandstein neuerdings unter der Silikonharzschlämme verborgen bleibt, nimmt Amtsrestaurator Bernhard Recker vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege auf seine Kappe. Andernorts habe man damit gute Erfahrungen gemacht, meinte Recker auf Anfrage unserer Redaktion. Am Hauptbahnhof in Osnabrück etwa schütze ein Anstrich aus diesem Material den von der Witterung bedrohten Buntsandstein. Für den Einwand kritischer Geister, dass historische Bausubstanz eine Art Plastikoberfläche bekomme, hat er Verständnis, betont aber, dass Silikonharz eine mineralische Basis habe.

Farbe sollte neutral sein

Irritiert zeigte sich der Amtsrestaurator allerdings über die Gelbfärbung der kürzlich sanierten " Amerika"- Figur. Die Schlämme solle ausdrücklich keinen bestimmten Farbton wiedergeben, " sondern sich dem natürlichen Aussehen des Baumberger Kalksandsteins annähern". Bei der Auswahl der Farbnuancen sei er " nicht im Boot" gewesen, erklärte Recker und räumte ein, dass da wohl etwas aus dem Ruder gelaufen sei.

Wer den Gelbstich zu verantworten hat, ist nicht geklärt. Die von der Stadt beauftragte Restauratorin Inga Thiele-Wittig antwortete nicht auf unsere Presseanfrage, und Stadtbaurat Frank Otte wollte für die städtische Denkmalpflege keine Erklärung abgeben. Er kündigte aber an, dass die drei bisher unbehandelten Erdteilskulpturen nach dem gleichen Muster restauriert werden sollen. Weil " Amerika" nun farblich heraussticht, werden " Europa", " Afrika" und " Asien" ihren hellen Sandstein wohl ebenfalls unter einem gelben Anstrich verstecken müssen.

Günter Hasselmann ist entsetzt über diese Vorstellung. Als ehemaliger Mitarbeiter der städtischen Denkmalpflege weiß er, dass die hellen Kalkanteile den Baumberger Sandstein nicht nur schön, sondern auch witterungsempfindlich machen. Nach seiner Überzeugung dürfen die historischen Figuren nur behutsam mit einer Wurzelbürste gereinigt und mit einer Kalkschlämme getüncht werden. Weil der Regen diese " Opferschicht" aus Kalk nach und nach abwäscht, müsse die Prozedur alle sechs bis acht Jahre wiederholt werden, sagt der pensionierte Fachmann.

Neue Haut blättert schon

Ein Restaurator, der in der vergangenen Woche gemeinsam mit ihm die " Amerika"- Skulptur inspizierte, sieht es genauso. Was der barocken Grazie widerfuhr, sei keine Restaurierung, sondern eine " Brachialmaßnahme", sagt der langjährige Inhaber eines Fachbetriebes, der seinen Namen nicht nennen will, um keine Aufträge zu verlieren. Jede Restaurierung müsse rückführbar sein, das fordere die für Denkmalpfleger verbindliche Charta von Venedig. Mit der Silikonharzschlämme hätten die Verantwortlichen diesen Grundsatz verletzt.

Problematisch nennt der Restauratormeister vor allem die Vorbehandlung mit flüssigem Kieselesther, weil er die Poren verschließe. Wenn Wasser von unten eindringe und durch die Kapillarwirkung aufsteige, könne es nicht mehr austreten. Dann werde die neue Haut Blasen werfen, Risse bekommen und abblättern. Und mit jedem Fetzen werde sich 275 Jahre alte Originalsubstanz von der Oberfläche der Skulptur ablösen.

Es scheint, dass dieser Prozess schon jetzt wenige Wochen nach der Sanierung eingesetzt hat. Über dem Sockel ist die neue Haut an einer Ecke abgeplatzt. Dabei wollte die Stadt mit der " konservatorischen Schutzschlämme" für einen " langfristigen Schutz der Figuren" sorgen, wie es in einer Stellungnahme von Franz Schürings, dem Leiter des Fachbereichs Städtebau, heißt. 6800 Euro hat die Sanierung der barocken Amerika-Figur nach Auskunft von Stadtsprecher Sven Jürgensen gekostet. Eine Summe, die der bereits zitierte Restaurator für maßlos überzogen hält.

Günter Hasselmann hat eine andere Idee, wie die barocken Kontinentfiguren im Schlossgarten dauerhaft gerettet werden könnten. Er würde sie durch witterungsbeständige Kopien ersetzen und die Originale ins Museum schicken.

Wie gefällt Ihnen die Gelbfärbung, die künftig auch die anderen Figuren erhalten sollen? Diskutieren Sie mit auf www.noz.de
Bildtexte:
Gerade restauriert, platzt schon die Silikonharzschlämme ab.
" Amerika" sticht farblich heraus: Die dritte Erdteilfigur im Schlossgarten ist nach der Sanierung gelb gefärbt.
Foto:
Lahmann-Lammert, Gert Westdörp

Kommentar
Warum nicht lila?

Es ist nicht zu übersehen, dass " Amerika" übel mitgespielt wurde. Und das nicht etwa, weil das Geld fehlte. Im Gegenteil: An der barocken Statue im Schlossgarten wurde etwas Neues ausprobiert, und das durfte den sonst üblichen finanziellen Rahmen sprengen. Es sollte ja eine dauerhafte Konservierung werden.

Jetzt hat sich die Stadt viel Geld für eine " Sanierung" aus der Tasche ziehen lassen, die in jeder Hinsicht dilettantisch ist. Schlechte Arbeit wurde abgeliefert, ein Kulturschatz aus dem 18. Jahrhundert dauerhaft verunstaltet. Wenn sich was wahrscheinlich ist die Mahnungen der kritischen Restauratoren bestätigen, dann erweist sich die " dauerhafte Konservierung" auch noch als Quacksalberei. Es kam schon häufiger vor, dass ein über den grünen Klee gelobtes Sanierungsverfahren den gefährdeten Baustoff nicht etwa schützt, sondern schädigt.

Nachdem die barocke " Amerika" am Gelbfieber erkrankt ist, müssen die drei übrigen Erdteilskulpturen nach der Verwaltungslogik nun ebenfalls mit gelbem Silikonharz verkleistert werden. Wenn schon künstlich, warum dann nicht gleich bunte Pop-Art à la Warhol? Afrika hellblau, Asien lila und Europa mattgrün das hätte zumindest den Anschein, als wäre es so gewollt!

So kamen die Figuren nach Osnabrück
Ein Schüler des westfälischen Barockbaumeisters Johann Conrad Schlaun hat die Figuren der vier damals bekannten Kontinente um 1740 für das Schloss Eggermühlen bei Bersenbrück gefertigt.
Vor 50 Jahren waren die Barockfiguren stark beschädigt. Die Stadt Osnabrück erwarb sie und ließ sie vom Bildhauer Fritz Szalinski restaurieren. Im Sommer 1965 wurden sie im neu gestalteten Schlossgarten aufgestellt. Dort kam es immer wieder zu Vandalismus, zuweilen wurden sogar Arme oder Köpfe abgeschlagen.
Um der Verwitterung zu begegnen, ließ die städtische Denkmalpflege immer wieder eine Kalkschlämme auftragen. Im Winter werden die Skulpturen eingehaust, um sie vor Frostschäden zu bewahren.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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