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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Großer Zapfenstreich vor Stadthalle
Zwischenüberschrift:
August 1913: Hundertjahrfeier des Regiments, Tango-Verbot und Hilfe für Stotterer
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Das in Osnabrück und Aurich kasernierte Infanterie-Regiment Nr. 78 (IR 78) beging im August 1913 sein hundertjähriges Bestehen mit allem Pomp, der dem säbelrasselnden Militär ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu Gebote stand. Vor- und Nachberichte beherrschten über Wochen die Lokalseiten der Tageszeitungen.

Dabei war das IR 78 eigentlich noch gar nicht so alt. Jedoch waren ihm per Befehl von oben die Traditionen einer älteren hannoverschen Truppeneinheit verliehen worden, die zu Beginn der Befreiungskriege 1813 aufgestellt wurde, aber seit der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen nicht mehr existierte.

" Textilgeschäft Carl Meyer in der Herrenteichsstraße empfiehlt allen Osnabrückern, die den anreisenden Veteranen Quartier bieten, seine guten wollenen Schlafdecken zu 4, 75 und 6,- Mark". In anderen großen Anzeigen hieß es: " Landwirte! Bringt Freitag Birken und Tannengrün zur Stadt!" Denn die Stadt wolle allen Ehemaligen, die zur Feier in ihrer alten Garnison weilen, ein " recht festfrohes Gewand als Willkomm" bieten. Viele fleißige Soldatenhände hätten sich geregt, um die militärischen Gebäude und Plätze auszuschmücken: " Die alte Klosterkaserne am Kaiserwall und die Caprivi-Kaserne auf dem Westerberge sind mit Girlanden und Emblemen behangen, ebenso tragen das Regimentshaus am Neuen Graben und das Portal zum Schloßhof bereits ihr festliches Gewand." Vor dem Hauptbahnhof wurden vier große Obelisken aufgestellt, und " viele Fahnen und Fähnchen an grüngeschmückten Masten werden den von auswärts eintreffenden Gästen den ersten Gruß zuwinken." Auch die Umgebung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Goetheplatz und des Krieger-Denkmals auf dem Neumarkt sei " in wirkungsvollster Weise geschmückt".

In Sonderzügen reisten mehr als 5000 ehemalige 78er schwerpunktmäßig aus Ostfriesland, aber auch aus anderen deutschen Landesteilen an. " Neben den jüngeren Jahrgängen durchwandern viele mit Eisernen Kreuzen, Orden und anderen Ehrenzeichen geschmückte Krieger die Stadt." Die Feierlichkeiten begannen mit einer Aufführung des Festspiels " Unsere 78er" im Theater. Abends Großer Zapfenstreich vor der Stadthalle am Kollegienwall, am nächsten Morgen um 7 Uhr geräuschvolles Wecken durch die Regimentskapellen und um 9 Uhr Festgottesdienste in Herz Jesu-, Katharinen- und Marienkirche. Weitere Höhepunkte waren die Parade auf dem Schwarzen Platz, ein Festumzug und ein Festessen. Außerdem erhielt jeder Teilnehmer eine Flasche Wein und ein Zigarren-Etui mit der Aufschrift: " Den Veteranen zum 16. August 1913 Die Stadt Osnabrück". Anschließend Marsch zum Klushügel zu " Wettspielen" (Leicht athletik, Fechten, Tauziehen).

Die Arbeiten zur Errichtung des Hauptgebäudes der Sparkasse am Neumarkt begannen. Die " für Zwecke der Wochenmarktspolizei bestimmte große Bretterbude" wurde fortgeschafft. Das " Marktbureau", das bislang " an dem Bergmannschen Hause klebte und dem Platz nicht gerade zur Zierde gereichte", wurde nach amerikanischem Vorbild auf eine " Räderunterlage" geladen und an seinen neuen Bestimmungsort Alte Münze/ Ledenhof verfrachtet. Dort diente die Bude dann weiter als " Marktstandsgeld-Erhebestelle".

Die sogenannten Wackel- und Schiebetänze waren polizeilich verboten. Darauf wies das Osnabrücker Tageblatt hin. Tango und andere importierte Modetänze gelten als anstößig und werden mit " Verbrechern und Dirnen" in Verbindung gebracht. Schon mehrfach sei es vorgekommen, " dass Personen, die trotz Verbots den Schiebetanz produzierten, aus dem Saal gewiesen wurden. Und das mit Recht!", schrieb das Tageblatt.

Stotternden konnte im August angeblich schnell geholfen werden. Ein gewisser Direktor Warnecke von der " Internat. Sprachheilanstalt Hannover" stieg im Hotel Germania ab und hielt am 19. August " von 11 1 und von 2 7" Sprechstunde. Der Direktor bat alle Leidenden, sich vertrauensvoll an ihn zu wenden: " Jeder Stotterer kann sich mit Hülfe meiner sehr einfachen Methode durch Selbstunterricht in kurzer Zeit vom Stotterübel befreien (ohne Medikamente)."

Während einer Zirkusvorstellung erschien zum Schrecken des Publikums plötzlich mitten unter den Besuchern ein riesiger Wolf. " Zirkusbedienstete suchten die Anwesenden zu beruhigen, aber die Situation war so wenig angenehm, daß sich das Zelt ziemlich rasch leerte." Durch das an den Gittern der Käfige entlangstreifende Tier wurden die übrigen Raubtiere unruhig. Schließlich gelang es dem Wolf, unter der Zeltwand ins Freie zu kriechen und " daselbst Umschau zu halten", wobei er einen dort befindlichen Hund ziemlich friedlich beschnupperte und sich dann unter einem Zirkuswagen versteckte. Zirkusleute mit Einfanggeräten eilten hinzu. Nach längeren Versuchen konnte der Wolf wieder in seinen Käfig zurückgebracht werden.
Bildtexte:
Die südliche Innenstadt, aufgenommen aus dem Luftschiff " Viktoria Luise", bei einem Überflug 1914. Zwischen Schloss (unten rechts) und Ledenhof (darüber) ist das baumumstandene Offizierskasino des IR 78 zu erkennen.
Anlässlich der Regimentsfeier wurde eigens eine Ansichtskarte gedruckt
Fotos:
Rudolf Lichtenberg, aus: Rolf Spilker, Lichtenberg - Bilder einer Stadt I, Bramsche 1996, Archiv Riecken
Autor:
Joachim Dierks


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