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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Patientin mit Gas ermordet
Zwischenüberschrift:
1941 töteten Nationalsozialisten die Osnabrückerin Else Tismer
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Dass die Machthaber 1939 Massenmorde an langjährige Anstaltspatienten planten, dürfte Else Tismer kaum mitbekommen haben. Sie lebte in der Heil- und Pflegeanstalt am Gertrudenberg. Im März 1941 kamen die Helfer der Mörder mit Bussen. Etwa 130 hilflose Menschen mussten einsteigen. Sechs Wochen später wurden sie in Hadamar mit Gas getötet. Jetzt erinnert ein Stolperstein an Else Tismer, die mit 45 Jahren sterben musste.

Auf dem Bürgersteig der Schlossstraße vor der Hausnummer 47 hören die Teilnehmer der Stolpersteinverlegung Gerda Matzke zu. Sie liest aus Else Tismers Biografie vor. Es ist nur wenig über sie bekannt. Else war noch kleines Mädchen, als sie mit ihren Eltern Eugenie und Erich Tismer 1899 von Hilchenbach nach Osnabrück zog. Die Familie lebte zunächst an der Seminarstraße 20, später an der Schlossstraße 47. Im August 1930 nahm die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Else Tismer auf. Ob sie unter einer Behinderung litt oder psychisch krank geworden war, ist nicht überliefert.

Gerda Matzke, Patin des Stolpersteins, vermutet, dass Else Tismer heute mit medizinischer Hilfe mitten in der Gesellschaft leben könnte. Doch wie Heiko Schlatermund von der Felix-Nussbaum-Gesellschaft feststellt, fehlte es im Nationalsozialismus an der Bereitschaft, Menschen zu helfen: " Genau das Gegenteil ist geschehen."

Adolf Hitler hatte bereits in den 1920er-Jahren davon gesprochen, Schwache oder die nach seiner Vorstellung solche waren zu töten. Schon damals war diese Idee nicht neu. Nationalsozialistische Ideologen bedienten sich bei Wegbereitern. Dazu gehörte ein Buch von Karl Lorenz Binding (1841–1920) und Alfred Hoche (1865– 1943) mit dem Titel: " Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens". Es war 1920 erschienen. Darin war die Rede unter anderem von " geistig Toten", " unheilbar Verblödeten" und " Vollidioten", außerstande, einen Willen zu bilden oder Beziehungen zur Umwelt aufzunehmen. Auch wenn Binding zur Zeit des Nationalsozialismus bereits gestorben war und er vielleicht den Massenmorden nicht zugestimmt hätte, und auch wenn Hoche, wie überliefert, die Praxis der Nationalsozialisten zumindest in einem Gespräch kritisierte: Ihr Text bildete eine der Grundlagen für die Taten des Hitlerregimes und seiner Helfer. Binding und Hoche gehörten so zu den Wegbereitern der bürokratisch organisierten Massenvernichtung.

Die Zentrale ließ Hitler in Berlin an der Tiergartenstraße 4 einrichten. Patienten aus ganz Deutschland wurden erfasst. Wohl das wichtigste Kriterium zur Entscheidung zwischen Leben und Tod war deren Arbeitsfähigkeit. In vielen Anstalten unter anderem in Hadamar wurden etwa 200 000 psychisch kranke und geistig behinderte Frauen, Männer und Kinder zu Opfern der nationalsozialistischen Ideologie, die Menschen nach Nutzen bewertete, als wären sie Gegenstände. Im Nationalsozialismus war Mitgefühl ebenso verpönt wie wenn auch vermeintliche Schwäche. Und Else Tismer hatte bei ihnen keine Chance.
Bildtext:
Schlossstraße 47: Hier lebte Else Tismer, bis sie 1930 Patientin der Heil- und Pflegeanstalt am Gertrudenberg wurde. Nationalsozialisten ermordeten sie 1941 mit Gas.
Fotos:
Jörn Martens

Stolpersteine
Die in den Gehwegen verlegten Messingplatten erinnern an Opfer des Nationalsozialismus jeweils vor den Wohn- oder Wirkstätten der Juden, Sinti, Roma, Deserteure sowie Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen, wegen einer psychischen Erkrankung, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und ermordet wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts, dem sich seit 1995 mehrere Hundert Kommunen angeschlossen haben: außer in Deutschland auch in Ländern wie Österreich, Ungarn, Tschechien, Polen, der Ukraine und den Niederlanden. In Osnabrück werden die Gedenksteine seit 2007 verlegt. Patin des Stolpersteins an der Schlossstraße 47 ist Gerda Matzke. Verlegt haben ihn die Schüler Gero Beiderwellen und Marcel Nordhoff vom Berufsschulzentrum am Westerberg. Das Büro für Friedenskultur nimmt für weitere Gedenktafeln Hinweise von Zeugen über Opfer des NS-Regimes entgegen unter der Telefonnummer 05 41/ 3 23-22 87.
Autor:
Jann Weber


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