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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Ohne Verteidiger vor dem SS-Gericht
Zwischenüberschrift:
1945 ermordeten Nationalsozialisten den Regimekritiker Friedrich Deters
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Lautsprecher stehen auf dem Bürgersteig an der Artilleriestraße vor dem Haus mit der Nummer 9a. Die Blicke richten sich auf einen Stolperstein, der gleich verlegt werden soll. Darauf steht der Name Friedrich Deters. Bis 1942 hatte er hier gelebt und sich als Gegner des Hitler-Regimes offenbart. Dann holte ihn die Gestapo. Keine drei Jahre später musste er seine Haltung mit dem Leben bezahlen.
Die Stimme aus dem Lautsprecher ist die von Gerhard Hinkeldey. Der Pate dieses Stolpersteins trägt vor, was er über Deters′ Schicksal herausgefunden hat. Er beginnt mit dem Tod des Regimekritikers und was die Nationalsozialisten daraus machten. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt die Ehefrau Anna Deters einen Brief aus Lieberose, einer Außenstelle des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Der Wortlaut: " Als Führer der Einheit FPNR 00512, K.S. obliegt mir die traurige Pflicht, Ihnen vom Ableben Ihres Mannes, des SS-Grenadiers Friedrich Deters, Mitteilung zu machen. Getreu seinem Fahneneid hat er am 6.3.1945 für Führer, Volk und Vaterland sein Höchstes hingegeben. Als Todesursache konnte ein Herzschuss festgestellt werden. Mit Ihrem Mann verliert die Kompanie einen tapferen Soldaten, der im Kameradenkreis beliebt war und von seinen Vorgesetzten gern gesehen wurde. Zugleich im Namen der Kampfschule spreche ich Ihnen meine aufrichtige Teilnahme aus. In Lieberose wurde Ihr Mann auf dem Heldenfriedhof mit allen militärischen Ehren beerdigt." Unterschrieben hatte ein SS-Hauptscharführer.
Militärische Ehren auf einem Heldenfriedhof für einen Kritiker des Regimes? Gerhard Hinkeldey erläutert den Besuchern der Stolpersteinverlegung: " Diese Mitteilung ist ein exemplarisches Beispiel für die Verlogenheit des damaligen Systems und seiner Träger. Deters gab nicht sein Höchstes′ hin, schon gar nicht für den Führer, das Leben wurde ihm genommen." Und er berichtet von einem Dokument im Niedersächsischen Staatsarchiv, das als Todesort das SS-Strafbataillon 999 angibt, und von einer Nachkriegs-Entschädigungsakte, in der Friedrich Deters als " Deserteur" bezeichnet wird.
Friedrich Deters war 1901 in Osnabrück als Sohn katholischer Eltern geboren worden, er besuchte die Volksschule und wurde Glasschleifer. 1925 heiratete er. Er und seine Frau Anna wurden Eltern von drei Kindern: Hildegard, Friedrich und Helga. Seit 1932 lebte die Familie an der Artilleriestraße 9a. Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Friedrich Deters ausgemustert, später als " arbeitsverwendungsfähig" eingestuft und der Luftschutzpolizei zugeteilt bis die Gestapo auf ihn aufmerksam wurde.
Im Juni 1943 verurteilte das SS- und Polizeigericht II in Düsseldorf den Osnabrücker wegen Zersetzung der Wehrkraft zu acht Jahren Zuchthaus. Im Urteil hieß es: " Deters ist heute noch kommunistisch eingestellt und hat aus dieser Einstellung heraus seine zersetzende Tätigkeit fast zwei Jahre lang ausgeübt. Dabei hat er in der übelsten und gehässigsten Form nicht nur den Führer geschmäht, sondern auch jede Zuversicht seiner Kameraden auf die gerechte Sache und ihren guten Ausgang zu zerstören versucht." Gerhard Hinkeldey dazu: " Die Abschrift des Feldurteils beweist, dass Deters vor diesem Gericht keinen Verteidiger hatte. Ein Handwerker allein gegen vier SS-Juristen!" Bald darauf war er Häftling in Dachau offenbar bis Januar 1945, als er von dort aus den letzten Brief schrieb, den seine Familie erhielt. Was ihm dann bis zu seinem Tod zwei Monate später widerfuhr, ist nicht überliefert. Im Alter von 43 Jahren wurde er umgebracht.
Jetzt erinnert ein Stolperstein an dieses Opfer des Nationalsozialismus. Was den Paten Gerhard Hinkeldey aber stört, ist der Name der Straße: " Einen Kanonenweg und eine Artilleriestraße würde man in der Friedensstadt Osnabrück auch nicht erwarten." Was er sich wünscht, ist dies: " Es ist durchaus vorstellbar, dass der letztgenannte Straßenname nicht Bestand haben muss, sondern hier ein Mensch in das ihm gebührende Licht gestellt werden könnte: Friedrich Deters."
Bildtext:
Artilleriestraße 9a: Hier lebte Friedrich Deters, bis die Gestapo ihn 1942 festnahm.
Fotos:
Jörn Martens

Stolpersteine
Die in den Gehwegen verlegten Stolpersteine aus Messing erinnern an Opfer des Nationalsozialismus jeweils vor den Wohn- oder Wirkungsstätten der Juden, Sinti, Deserteure, Menschen, die aus politischen und religiösen Gründen, wegen ihrer sexuellen Orientierung, einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung verfolgt und ermordet wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts. Pate des Stolpersteins für Friedrich Deters an der Artilleriestraße 9a ist Gerhard Hinkeldey. Verlegt haben ihn die Schüler Gero Beiderwellen und Marcel Nordhoff vom Berufsschulzentrum am Westerberg. Das Büro für Friedenskultur nimmt gern Hinweise über das Schicksal von Opfern des NS-Regimes entgegen: Telefon 05 41/ 323-22 87.
Autor:
Jann Weber


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