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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die Papenhütte als Station auf dem Weg zu den Mördern
Zwischenüberschrift:
Nationalsozialisten ermordeten die Sintifamilie Schmidt in Auschwitz
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Die Nationalsozialisten hatten sie bereits erniedrigt und in ein Lager eingewiesen. Doch damit nicht genug: Am 1. März 1943 trieben sie Maria Schmidt, ihre sieben Kinder und zwei Enkel mit vielen weiteren Sinti in einen Zug, der sie zu ihren Mördern nach Auschwitz brachte. 23 Stolpersteine erinnern an der ehemaligen Papenhütte an die Opfer des Rassenwahns alleine zehn davon an die Familie Schmidt.

Wo sonst Dieselmotoren den Ton angeben, spielte Dany Weiss auf seiner Gitarre nach Art des Virtuosen Django Reinhardt (1910–1953). Kaum jemals versammeln sich so viele Menschen dort, wo der Kiefernweg in die Klöcknerstraße mündet und wohl kaum jemals zum Gedenken. Bei der Stolpersteinverlegung für 23 Mordopfer der Nationalsozialisten ließen Polizisten den Strom der Lastwagen auf deren Weg in das Hafengebiet zumindest kurz abbremsen. Jazz-Melodien aus den 1930er-Jahren erklangen.

Vor Jahrzehnten verliefen hier Wege mit den Namen Odenburger Straße, An der Kläranlage und An der Papenhütte. Es war die letztere Bezeichnung, die dem Gebiet zur Zeit des Nationalsozialisten einen Stempel aufdrückte den des Grauens für viele, die hier leben mussten. Die Vorgeschichte begann bereits in den 1920er-Jahren, als die Stadt hier Baracken für 60 obdachlose Familien bauen ließ.

Die Historiker Duncan Cooper und Michael Schubert legten kürzlich die Ergebnisse ihrer Recherchen vor: Von 1933 an ließen Nationalsozialisten 20 weitere Baracken für zwanzig Familien bauen. Die beiden Historiker formulieren es so: Die Stadt konzentrierte als asozial′ stigmatisierte Bürgerinnen und Bürger am Rande der Stadt und wollte sie durch diese Ausgrenzung einer besonderen Aufsicht und Erziehung′ unterstellen.″ Welche Rolle die Rassen-Ideologie dabei spielte, erläutern Duncan und Schubert so: Durch die zwangsweise Umsiedlung städtischer Familien, die als gemeinschaftsfremd′ galten, wollte die Stadt normalen Wohnraum′ für erbgesunde und im völkischen Leben durchaus brauchbare Familien′ frei machen.″

Die Nationalsozialisten entzogen den Sinti die Berufsgrundlage. Unter anderem durften sie keinem Gewerbe mehr nachgehen und mussten Sondersteuern zahlen, die Regierung verweigerte ihnen die Bildung und degradierte sie zu enteigneten Zwangsarbeitern. Bald war die Rede von einer endgültigen Lösung der Zigeunerfrage″. Am 1. März 1943 verschleppten Nationalsozialisten 54 Osnabrücker Sinti in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, insgesamt sollten es mindestens 60 werden. Wie Cooper und Schubert errechneten, überlebten von ihnen nur 16.

In Auschwitz rissen Nationalsozialisten die Familie Schmidt auseinander und ermordeten deren Mitglieder innerhalb von zwei Jahren: Maria musste im Alter von 41 Jahren sterben, ihre Tochter Franziska wurde umgebracht, als sie 27 Jahre war, Alma im Alter von 24 Jahren, Josef als 14-jähriger, Klara und Adolf mit zwölf Jahren, Lilly mit sieben Jahren, Maritta mit drei Jahren, Clemens mit zwei Jahren, und Christa ist vielleicht noch nicht einmal ein Jahr alt geworden die Nationalsozialisten töteten im Rassenwahn auch Säuglinge.

Bei der Stolpersteinverlegung stellte Manfred Böhmer vom Verband Deutscher Sinti fest: Die Papenhütte war der verlängerte Arm von Auschwitz.″ Stephan Rolfes sprach für die Stadtwerke von einem bösen Lehrstück″. Bürgermeisterin Birgit Strangmann wünschte: Dieser Ort wird hoffentlich als ein Mahnmal für ein Nie wieder! in Erinnerung bleiben.″

Wie die Historiker Cooper und Schubert feststellten, blieben Sinti nach dem Krieg ausgegrenzt: Bis Mitte der 1980er-Jahre wurde ihre Verfolgungsgeschichte in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt. 15 Sintifamilien lebten bis in die 1980er-Jahre in großer Armut am Rande der Stadtgesellschaft an der Papenhütte′.″

Am Ende der Zeremonie ließ Dany Weiss wieder seine Gitarre erklingen mit Melodien des berühmten Sinto Django Reinhardt.
Bildtexte:
Hier befand sich die Siedlung Papenhütte: An der Ecke Klöcknerstraße/ Kiefernweg erinnern Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus vor allem Sinti.
Melodien im Stil von Django Reinhardt: Dany Weiss spielte bei der Stolpersteinverlegung nach dem berühmten Vorbild. Heiko Schlatermund (stehend) leitete die Zeremonie.
Diese Mordopfer waren zwischen 41 und vielleicht noch nicht mal einem Lebensjahr alt: Die Sintifamilie Schmidt wurde Opfer des Rassenwahns der Nationalsozialisten. 1943 und 1944 wurden sie in Auschwitz ermordet.
Fotos:
Jörn Martens

Stolpersteine
Die in den Gehwegen verlegten Stolpersteine mit Messingplatten erinnern an Opfer des Nationalsozialismus jeweils vor den Wohn- oder Wirkstätten der Juden, Sinti, Roma, Deserteure sowie Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen, einer psychischen Erkrankung, ihrer sexuellen Orientierung oder einer Behinderung verfolgt und ermordet wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts, dem sich seit 1995 nach und nach mehrere Hundert Kommunen angeschlossen haben: außer in Deutschland auch in Ländern wie Österreich, Ungarn, Tschechien, Polen, der Ukraine und den Niederlanden. In Osnabrück werden die Gedenksteine seit 2007 verlegt. Patin der Stolpersteine für die Familie Schmidt an der Ecke Klöcknerstraße/ Kiefernweg sind die Stadtwerke. Verlegt haben sie die Schüler Gero Beiderwellen und Marcel Nordhoff vom Berufsschulzentrum am Westerberg. Das Büro für Friedenskultur (Marienstraße) nimmt für weitere Gedenktafeln gern Hinweise von Zeitzeugen über Opfer des NS-Regimes entgegen. Die Telefonnummer lautet 05 41/ 323-22 87.
Autor:
Jann Weber


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