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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Moment der Stadtgeschichte in Fotos
Zwischenüberschrift:
Das Kriegsende 1918: Von "vaterländischer Begeisterung" ist nichts zu sehen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Historische Fotografien sprechen nicht, sondern müssen gelesen werden. Dann aber kann ein Bild sogar mehr als die sprichwörtlich gewordenen " tausend Worte" aussagen. Ein Beispiel dafür ist das vor einer knappen Woche in dieser Zeitung veröffentlichte Bild einer " vaterländischen Feier" auf dem Osnabrücker Neumarkt, das in der stadtgeschichtlichen Literatur bislang auf die Zeit vor 1916 datiert wird. Ein Irrtum, wie sich bei genauer Betrachtung und im Vergleich mit einem zweiten Foto zeigt.

Die beiden Bilder sind gleichzeitig wohl am 1. Januar 1919 auf dem Neumarkt gemacht worden. Es war der Tag, an dem der Erste Weltkrieg auch in Osnabrück zu Ende ging.

Nach der Kapitulation Deutschlands im November 1918 marschierten die Truppen in die Heimat zurück. So auch die Osnabrücker Einheiten: Am 21. Dezember 1918 kam das Reserve-Infanterieregiment 92 in der Stadt an und wurde vom Oberbürgermeister auf dem Neumarkt begrüßt. Am 30. Dezember erreichte das Artillerieregiment 62 seine Kaserne am Westerberg. Und am 1. Januar 1919 standen die letzten Osnabrücker Soldaten auf dem Neumarkt, von wo aus sie vier Jahre zuvor mit Blumen in den Gewehrläufen in den Krieg gezogen waren.

Viele Männer des Infanterieregiments 78 waren beim Rückmarsch schon zuvor entlassen worden. Und die Zahl der jemals zu dieser Einheit eingezogenen Rekruten ist nicht bekannt, sodass sich ein direkter Vergleich verbietet. Aber dennoch sind die Zahlen fürchterlich: Mit 2975 Mann und 75 Offizieren war das Osnabrücker Regiment in den Krieg gezogen. Gerade einmal vier Offiziere und 56 Mann, an der Spitze der Regimentskommandeur Oberstleutnant Kienitz, kamen an diesem Tage zurück. Dazwischen lagen vier Jahre Krieg, die nur dieser Einheit 3500 Tote und mehr als 8000 Verwundete gebracht hatten.

So werden auch die harten Gesichter der Offiziere zu Pferde verständlich. Die Szene ist ungeordnet, die Aufstellung der Pferde scheint zufällig. Am Zaumzeug ist ein Fähnchen befestigt, die Soldaten tragen kleine Tannensträußchen an der Uniform. An den Häusern im Hintergrund (Hermann Dierker führte sein Hutgeschäft an der Nordseite des Neumarkts) hängen Girlandenkränze unter den Fenstern, von denen aber nicht klar ist, ob es sich dabei nicht vielleicht um den Weihnachtsschmuck der Geschäfte handelt von Jubel und Begeisterung keine Spur. Das gilt auch für die Zuschauer, unter denen der Soldat im Vordergrund auffällt: Rauchend, bekleidet mit Schirmmütze und Mantel, aber ohne Rangabzeichen, wirkt er nicht sonderlich diszipliniert, sondern eher als skeptischer Beobachter des Geschehens.

Gleiches gilt auch für die drei Schutzpolizisten im Vordergrund auf dem kleinen Bild. Sie tragen noch die preußische Pickelhaube (die bei den Feldtruppen 1916 durch den Stahlhelm ersetzt wurde, weshalb dieses Foto in der stadtgeschichtlichen Literatur bislang auch fälschlich als " vor 1916" datiert wird) und sind mit Gewehr und Patronentaschen ausgerüstet, weil es auch in Osnabrück im Zuge der Novemberrevolution Straßenunruhen gegeben hat. Zugleich haben die drei Schupos demonstrativ die Hände in den Manteltaschen vergraben und schauen eher desinteressiert zu, während der Wachtmeister im Vordergrund links doch passend zu dem Hochruf des Oberbürgermeisters Rissmüller auf dem Podium und dem Mützenschwenken der Schuljugend immerhin noch salutiert. Auch hier aber: keine Fahnen, keine Girlanden, keine Musik und kaum Erwachsene auf der Straße. " Vaterländische Begeisterung" im Kaiserreich sah anders aus.

Die 1924 erschienene Regimentsgeschichte der 78er allerdings kann auf die Verklärung dieses Tages nicht verzichten. Dort heißt es allen Ernstes über den trostlosen Einzug der letzten 60 Mann: " Die Stadt grüßt ihre heimkehrenden Krieger, Fahnen wehen von den Dächern und aus den Fenstern, frisches Grün rankt sich in Girlanden von Haus zu Haus, alle Fenster, alle Straßen sind dicht besät mit Menschen, die den Heimkehrenden freudig erregt zujubeln." Ein paar Zeilen später ist dann von den Bataillonen die Rede, die auf dem Neumarkt " im Viereck" angetreten gewesen seien: " Oberbürgermeister Rißmüller begrüßt das Regiment, Oberstleutnant Kienitz dankt für den jubelnden Empfang durch die Einwohner." Die Wirklichkeit sah anders aus. Aber weil die Niederlage von 1918 später geleugnet wurde, nahm das Verhängnis von 1933 schon hier seinen Anfang.
Bildtexte:
Heimkehrende Soldaten Ende 1918 auf dem Neumarkt. Die Bilder eines unbekannten Fotografen sind wahrscheinlich bei der Rückkehr des in Osnabrück stationierten Infanterieregiments Nr. 78 entstanden.
Oberbürgermeister Rißmüller auf dem Podium vor dem Landgericht bringt ein Hoch auf die Soldaten aus. Vorn rechts drei Schutzpolizisten mit Helm und Gewehr.
Fotos:
Archiv
Autor:
Frank Henrichvark


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