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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Waldbesitzer wirtschaften für ihre Nachfahren
 
Gut für die Klimabilanz – schlecht für die Industrie
Zwischenüberschrift:
Vor 300 Jahren prägte Hans Carl von Carlowitz den Begriff Nachhaltigkeit und legte den Grundstein für die Forstwirtschaft
 
Guttenberg: In Deutschland wachsen zu viele Laubbäume, die für die Holzwirtschaft nicht nutzbar sind
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Schon vor 300 Jahren erkannten Waldbesitzer, dass nachhaltige Waldwirtschaft ihnen die Zukunft sichert. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR), läuft durch seinen Wald in Hasbergen und zeigt auf eine Fläche mit Nadelhölzern. " Die habe ich vor gut 20 Jahren gepflanzt. Erst meine Enkel werden davon etwas ernten können. Das ist echte Nachhaltigkeit", sagt er.

Den Begriff Nachhaltigkeit prägte 1713 Hans Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann aus Freiberg. Holz war damals der wichtigste Rohstoff für die Menschen. Er wurde zum Bauen, Kochen und Heizen verwendet, aber auch für den Schiffs- und Bergbau. Dafür rodete man großflächig Wälder in ganz Deutschland. " Hier auf dem Hüggelberg waren damals keine Bäume mehr", erzählt Schirmbeck. In seinem Privatwald sind die Bäume im Schnitt 80 bis 100 Jahre alt. " Sehr jung für einen Wald", sagt er.

Die Konsequenz war, dass Holz zur Mangelware wurde. Carlowitz erkannte das Problem. Er sah, dass man nur so viel Holz schlagen durfte, wie durch planmäßiges Wirtschaften auch nachwachsen konnte. " Eine der wichtigsten Ursachen für den gegenwärtigen Holzmangel ist, dass man bei diesem großen Holzverbrauch nicht Sorge getragen hat, wie die noch vorhandenen Wälder durch Pflanzen und Säen erhalten werden können", schrieb er damals in seinem Werk Sylvicultura Oeconomica. Und damit legte Carlowitz den Grundstein für die deutsche Forstwirtschaft.

Der heute so inflationär benutzte Begriff Nachhaltigkeit ist also gar nicht so neu. Aber wie sieht es heute, 300 Jahre später, eigentlich im Wald aus? Wurde dem deutschen Forst in den Siebziger- und Achtzigerjahren noch ein Waldsterben prophezeit, steht es gut 30 Jahre später schon wieder besser um ihn. In den vergangenen vier Jahrzehnten hat die Waldfläche in Deutschland wieder zugenommen. " In Qualität und Quantität wächst der deutsche Wald und wird auch artenreicher", sagt Schirmbeck.

Diplom-Forstwirt László Maráz von der Koordination AG Wald sieht das ein wenig anders: " Förster und Waldbesitzer müssen ihre Wälder vor Übernutzung bewahren, doch derzeit wird eher daran gearbeitet, noch möglichst viele Rohstoffe aus dem Wald zu holen. Dabei wird auch viel Kleinholz weggeschafft, das dem Boden Nährstoffe gibt." Die Folge: Käfer, Pilze und andere Lebewesen, die den Waldboden bevölkern, gibt es kaum noch, weil sie keine Nahrung finden. Dadurch nimmt die biologische Vielfalt in den Wäldern ab.

Auch die Aufforstung mit Monokulturen sei nicht ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. So machen rund ein Viertel des Waldes inzwischen die Fichten aus. Sie sind nicht sehr widerstandsfähig, und Schädlinge mögen das Gehölz. Ein ganzer Baumbestand kann so schnell vernichtet werden. " Die Borkenkäfer sind ja nicht schuld, sie sind die Folge der Monokulturen", sagt László. Um dieses Problem zu umgehen, müssten mehr Mischwälder gepflanzt werden. Sie sind auch widerstandsfähiger gegen Umwelteinwirkungen. " Die Natur ist sehr anpassungsfähig. Aber Klimaexzesse machen auch den Bäumen zu schaffen. Ein Problem ist es, wenn die Bäume früh austreiben und es dann noch mal friert", sagt Schirmbeck.

Raubbau am Wald

Die Forstwirtschaft hat in den vergangenen Jahren viel geleistet, damit es dem deutschen Wald besser geht, " aber auch Begehrlichkeiten geweckt", sagt Maráz. Denn Holz ist noch ein vergleichsweise günstiger Rohstoff. Seit den stetig steigenden Energiepreisen haben sich viele Verbraucher einen Ofen angeschafft, um zu heizen. " 50 Prozent der Ernte werden als Brennholz verheizt. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum Holz noch so billig ist", erzählt der Diplom-Forstwirt. Darin sieht Maráz ein Problem. Die Gesellschaft müsse umdenken und mehr Bereitschaft zeigen, ihre Bedürfnisse an die Leistungsfähigkeit des Waldes anzupassen. Auch in der Region Weser-Ems ist die Nachfrage nach Brennholz " sehr hoch", sagen Ludwig Hackelberg und Uwe Wessel Ludwig vom Forstamt Weser-Ems. Sie beraten und betreuen als Förster Privatwaldbesitzer wie Georg Schirmbeck und achten drauf, dass die Besitzer keinen Raubbau an ihrem Forst betreiben. " Natürlich könnten wir hier in der Region auch mehr einschlagen, aber wir achten darauf, dass nicht mehr abgeholzt wird, als nachwachsen kann", sagen sie. Auch das Problem mit den Monokulturen ist den beiden bekannt. " Hier in unserer Region achten wir darauf, dass keine Monokulturen entstehen, aber wir können nur beraten. Die Entscheidung liegt bei den Privatwaldbesitzern." In Niedersachsen sind rund 60 Prozent des Waldes in privater Hand. Aber natürlich liegt es im Interesse der Waldbesitzer, nachhaltig zu wirtschaften. " Man muss auch Spaß an der Forstwirtschaft haben", sagt Schirmbeck. " Das ist mein Lieblingsbaum, eine Kirsche, davon habe ich 5000 neue gepflanzt."

Nachhaltigkeit ist heute für viele Waldbesitzer eine Selbstverständlichkeit. Aber auch die Gesellschaft kann nachhaltig etwas für den Wald tun. " Sie muss ihren Energie- und Papierverbrauch drastisch reduzieren, sonst ist die Übernutzung vorprogrammiert, und wir kommen in eine Situation, in der auch Herr von Carlowitz sich genötigt sah, das Konzept der Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln", sagt Forstwirt Maráz.
Bildtexte:
Noch vor gut 30 Jahren prophezeite man dem Wald eine düstere Zukunft. Heute geht es ihm besser, und seine Fläche wächst. Borkenkäfer (von oben, rechts) sind für viele Waldbesitzer ein Schrecken, denn sie können ganze Bestände zerstören. Ein Rothirsch (Mitte) zeigt sich auf einer Lichtung im Wald. Georg Schirmbeck (unten) in seinem Waldgebiet am Hüggel in Hasbergen.
Fotos:
Picture Alliance und Uwe Lewandowski

Förster
Du hast bestimmt schon mal einen Spaziergang durch den Wald gemacht. Vielleicht ist Dir da auch ein Förster begegnet. Sie tragen meist eine Uniform und haben einen Hund dabei. Der Wald ist der Arbeitsplatz des Försters. Er pflegt und schützt ihn. Er kümmert sich um die Holzernte, baut Waldwege und stellt Futterkrippen auf. Wenn einige Tiere sich zu stark vermehren, dann muss er sie auch mal jagen. Ein Förster sorgt also dafür, dass es dem Wald und seinen Bewohnern gut geht. Vor rund 300 Jahren hießen Förster noch Waldhüter. Sie waren eine Art Waldpolizei und sollten zum Beispiel aufpassen, dass niemand Holz stahl. Oder sie mussten den Wald der reichen Adligen und die Tiere, die darin lebten, vor Dieben und Wilderern schützen. Es gab auch noch das jagdliche Personal. Das kümmerte sich um die Jagd an den Adelshöfen und lernte im Laufe der Jahrhunderte immer mehr über den Wald. Irgendwann taten sich die Waldhüter und das jagdliche Personal dann zusammen. Sie nannten sich " holzgerechte Jäger" und waren die Vorgänger der heutigen Förster.

München/ Berlin. In deutschen Wäldern wachsen nach Ansicht des Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, Philipp Freiherr zu Guttenberg, zu viele Laubbäume. Gut 70 Prozent der jungen Bäume seien Laubhölzer, sagte Guttenberg. Das sei ein " Riesenproblem". Das Holz der Laubbäume eigne sich für viele Zwecke nicht. Vor allem tauge es nicht zum Bauen, wo Holz immer stärker gefragt ist. Der Umbau reiner Nadelwälder in Mischwälder sei zwar richtig, die Entwicklung gehe aber nun über das Ziel hinaus.
" Die Holzverwertung ist zu über 90 Prozent auf Nadelholz ausgerichtet", sagte Guttenberg. " Um die Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen, brauchen wir mehr Nadelholz." Es dürfe auch keine prozentuale Festlegung für den Anteil von Laub- und Nadelhölzern geben. " Das muss sich am Standort orientieren."
Der Umbau in Mischwald soll den Wald für den Klimawandel widerstandsfähiger machen. Weil früher Nadelbäume Vorrang hatten, müssen nun Laubbäume nachwachsen. " Ein Laubholzüberhang, so wie er sich momentan abzeichnet, geht voll an den Bedürfnissen der Gesellschaft vorbei. Wir brauchen hier eine ausgewogene Politik", verlangte Guttenberg, dessen Familie zu den traditionellen Waldbesitzern in Deutschland zählt. Schließlich solle Holz als nachwachsender Rohstoff in Zeiten der Energiewende und des Klimaschutzes noch stärker genutzt werden. Holz von Laubbäumen eigene sich zwar zum Heizen oder für Möbel, aber: " Man kann daraus keinen Dachstuhl machen. Für den klassischen Holzbau ist es aus physikalischen Gründen ungeeignet."
Auch die Forderung nach Wäldern aus rein einheimischen Bäumen sei ein " wissenschaftlicher Wahnsinn". Douglasie, Küstentanne oder Roteiche seien seit hundert Jahren hierzulande heimisch und wiesen in vielen Bereichen eine höhere Toleranz für die sich ändernden Klimabedingungen auf. Da niemand wisse, wie das Klima in hundert Jahren aussehe, die Waldbesitzer aber schon für diese Zeit planen müssten, sei größtmögliche Vielfalt der Bäume die richtige Strategie. Holz aus heimischer Produktion könne zugleich Tropenholz weit stärker ersetzen als bisher. " Wir haben dafür fantastische heimische Baumarten." Lärche, Tanne, Akazie, aber auch die Douglasie und viele andere könnten es mit ihren Holzeigenschaften und neuen Veredlungsmethoden leicht mit dem Holz aus den Tropen aufnehmen.
Dennoch würden jährlich zwei Millionen Kubikmeter Tropenholz importiert. In anderen Ländern seien die Produktionsvorgaben aber meist nicht so streng wie in Deutschland. " Man kann davon ausgehen, dass fünf bis sieben Prozent sogar illegales Holz sind und beim Rest stellt sich die Frage nach der nachhaltigen Produktion."
Der jüngere Bruder von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist seit gut drei Jahren Präsident der Waldeigentümer. Er spricht damit für die rund zwei Millionen Waldbesitzer in Deutschland, die einen Privatwald bewirtschaften.
Bildtext:
Die Nachfrage nach Holz steigt: Viele Bäume sind als Baumaterial aber offenbar ungeeignet.
Foto:
dpa
Autor:
Kathrin Pohlmann, dpa


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