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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Höchstspannung von Lüstringen bis Gütersloh
Zwischenüberschrift:
Netzbetreiber Amprion hat mit Planungen zum Stromleitungsausbau im Osnabrücker Land begonnen
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Doppelt so hohe Strommasten wie bislang, Höchstspannung in den Leitungen: Die Energiewende wird Auswirkungen auf Landschaft und Menschen im Osnabrücker Land haben. Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion plant aktuell den Ab- und Neubau der Hochspannungsleitungen von Osnabrück-Lüstringen über Voxtrup, Borgloh und Wellingholzhausen nach Gütersloh. Statt derzeit 220 sollen künftig 380 Kilovolt (kV) durch die Leitungen fließen. Die betroffenen Bürger wollen Widerstand leisten.

Das Vorhaben: Die Windenergie, die an den Küsten erzeugt wird, muss ins Landesinnere transportiert werden eine wesentliche Voraussetzung für die Energiewende. Die Kapazitäten der Leitungen in Deutschland reichen dazu aber nicht aus. Die ehemalige RWE-Tochter Amprion ist eines von vier Unternehmen, die der Bund damit beauftragt hat, den Leitungsausbau durchzuführen. Deutschlandweit werden 24 Leitungen aufgerüstet den rechtlichen Rahmen bildet das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG). Projekt Nummer 16 ist die Trasse zwischen Bad Essen-Wehrendorf und Gütersloh, die auch durch Bissendorf und Osnabrück verläuft. Amprion arbeitet abschnittsweise und nimmt sich jetzt die Strecke Lüstringen-Gütersloh vor. Pro Kilometer Leitung rechnet Amprion mit Kosten von 1, 4 Millionen Euro das macht allein von Lüstringen bis zur Landesgrenze 28 Millionen Euro.

Die Dimensionen: Die 35 Meter hohen Masten aus den 1930er-Jahren sollen demontiert und durch 60, 5 Meter hohe neue Masten ersetzt werden, deren Arme eine Spannweite von 31, 6 Metern erhalten. Schon jetzt stehen solche Masten am Umspannwerk Lüstringen und in Nahne. Sie werden auf der Verbindung zwischen Lüstringen und dem Umspannwerk Westerkappeln demnächst von derzeit 220 auf 380 kV umbeseilt doch das ist wiederum ein anderes Projekt.

Die Schutzstreifen müssen auf 70 bis 75 Meter verbreitert werden. Dafür werde auch Wald weichen müssen, sagt Projektleiter Jörg Finke-Staubach. " Wie viel kann ich noch nicht sagen." Der Einschnitt in die Natur sei nötig, damit etwa Bäume nicht auf die Leitung fallen können. " Ein Schutzstreifen schützt die Leitung, nicht die Menschen", betont Finke-Staubach. Zum Schutz der Menschen dienen Abstandsvorgaben: 400 Meter muss die Leitung von Häusern in Wohngebieten entfernt sein.

Der Trassenverlauf: Amprion möchte größtenteils in der bestehenden 220-kV-Trasse bleiben und hofft, dass dadurch ein langwieriges Raumordnungsverfahren entfällt. Die Bestandstrasse ist bis zur Landesgrenze 20 Kilometer lang, bis Gütersloh sind es 48 Kilometer.

Derzeit führt die alte 220-kV-Leitung ab dem Umspannwerk in Lüstringen durch die Haseniederungen westlich an Düstrup und dann östlich an Voxtrup vorbei. Am Rand von Voxtrup wird der 400-Meter-Abstand zu den Wohnhäusern unterschritten, im Gegenzug würde beim Bau der Höchstspannungsleitung aber die 110-kV-Leitung wegfallen, die mitten durch den Ort führt, erläutert Finke-Staubach.

Nach Überquerung der A 30 im Süden Voxtrups bekommt die Hochspannungsleitung bis nach Hilter-Allendorf Gesellschaft von einer 110-kV-Leitung. Kabel und Masten verlaufen hier direkt nebeneinander. Künftig sollen sie gebündelt werden, doch noch führen die beiden parallelen Leitungen mitten durch Borgloh. In Allendorf gehen sie wieder getrennte Wege, und die 220-kV-Leitung steuert Wellingholzhausen und das Naturschutzgebiet Beutling an. Über die Landesgrenze geht es dann weiter nach Borgholzhausen.

Abweichungen von der alten Trasse: Borgloh soll künftig nordöstlich umschifft werden. Wie weit, steht noch nicht fest, drei Varianten stehen zur Debatte. Projektleiter Finke-Staubach zeigt auf eine Karte, in der als schwarze Flecken die vielen Höfe ringsum eingezeichnet sind. " Von dem einen rückt man weg, an den anderen näher ran", schildert er sein Problem. " Deshalb wollen wir auch größtenteils in der alten Trasse bleiben. Die Ortschaften haben sich dort entlang entwickelt." Bei Wellingholzhausen ist eine Umgehung des Wohngebiets Placke denkbar, doch Amprion ist davon nicht begeistert. " Das bringt wieder neue Belastungen von Hofstellen mit sich", sagt Pressesprecher Jörg Weber.

Der Zeitplan: Für den nordrhein-westfälischen Bereich will Amprion bis Ende 2013 die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren einreichen im Osnabrücker Land steht der Netzbetreiber noch ganz am Anfang. Derzeit prüft die Regierungsvertretung in Oldenburg, ob sie ein Raumordnungsverfahren (ROV) anordnet oder nicht. Bei einem ROV prüfen diverse Behörden die Trasse auf Alternativen. Dabei wird auch die Öffentlichkeit beteiligt. Am Ende steht die Variante mit den geringsten Auswirkungen. Ob ROV oder nicht in jedem Fall erfolgt danach ein Planfeststellungsverfahren, ohne Raumordnungsverfahren 2016, mit deutlich später. Hier wird dann der exakte Trassenverlauf festgelegt. Auch dabei muss die Öffentlichkeit beteiligt werden, Kommunen, Bürger und Behörden können Einwände und Anregungen vortragen.

Die Informationspolitik: " Wir sind noch gar nicht im Verfahren und beteiligen die Bürger trotzdem schon", sagt Pressesprecher Weber. Am Donnerstag wird Amprion im Hilteraner Planungsausschuss das Projekt vorstellen. Ein Flyer sei geplant, außerdem soll es nach den Sommerferien in den betroffenen Orten Infoveranstaltungen geben, an denen auch die Regierungsvertretung Oldenburg teilnehmen soll.

Der Widerstand: In Melle-Wellingholzhausen hat sich unlängst eine Bürgerinitiative gegründet. Sprecher Frank Vornholt appellierte bei einer Bürgerversammlung Anfang Juni, die Politik ins Boot zu holen. Vom Ortsrat und der Stadt haben die Wellinger bereits Rückendeckung. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach Erdverkabelung. In Borgloh sei eine Bürgerinitiative aktuell in der Vorbereitung, sagt Andreas Halbrügge. Sowohl Borgloher als auch Wellinger wollen auf die Erfahrungen der Bürgerinitiative in Borgholzhausen zurückgreifen, die ebenfalls für eine Erdverkabelung kämpft. Der Austausch zwischen Bürgermeister und den benachbarten Initiativen sei perfekt, so Hal brügge. Nun sollen noch die örtlichen Vereine ins Boot geholt werden.

Die Erdkabel-Forderung: Überall in der Republik werden im Zuge des Netzausbaus Forderungen nach Erdverkabelung laut. Doch im EnLAG, das den rechtlichen Rahmen und die auszubauenden Trassen vorgibt, sind lediglich vier Pilotprojekte dafür vorgesehen, eines davon im Emsland. Andere soll es vorerst nicht geben. " Wir können das nicht entscheiden", betont Finke-Staubach und verweist an die Politik. Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen ist übrigens " im Sinne der Bürgernähe" für " ein deutliches Mehr an Erdverkabelung nicht nur in der Nähe von Wohngebieten", teilte das Landwirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Dafür setze sich die Landesregierung " auf allen Ebenen ein".

Die Kosten für Erdkabel seien siebenmal so hoch wie für Freileitungen, gibt Finke-Staubach zu bedenken. " Wir reden hier über eine Baustraße von 43 Meter Breite. Das ist wie eine Autobahn, die mitten durchs Land gebaut wird." Unsicher sei zudem, wie die Kabel gewartet werden sollten, wenn sie unter der Erde lägen.

Das sagen die Kommunen: Während Bissendorf und Georgsmarienhütte nur in den Randbereichen von der Leitung gestreift werden, sind Osnabrück, Hilter und Melle stärker betroffen. Im Mai wurde eine Antragskonferenz abgehalten, bei der alle Kommunen und die Träger öffentlicher Belange über das Projekt informiert wurden, also unter anderem Landvolk, Naturschutzverbände und diverse Behörden.

Hilters Bürgermeister Marc Schewski beklagt trotz eines zusätzlichen Gesprächs mit Amprion vor einer Woche noch immer zu wenig Transparenz. " Amprion ist bei Informationen durchaus in der Bringschuld", sagt er. " Die Kernfrage lautet: Unter welchen Voraussetzungen ist eine Erdverkabelung möglich?" Amprion zeigt sich verwundert. " Wir machen schon sehr früh im Verfahren eine informelle Beteiligung", betont Weber. In jedem Fall wolle Schewski sich auf die Seite der Bürger stellen, sagte der Bürgermeister.

Melles Bürgermeister An dré Berghegger hat die Informationspolitik Amprions gelobt. " Es ist zu begrüßen, dass die Informationspolitik auf eine breite Basis gestellt und ein transparentes Verfahren angekündigt wird", sagte er.

Und was sagt die Stadt Osnabrück? Bislang nicht viel. Der Stadtentwicklungsausschuss sei bereits informiert worden, sagt Franz Schürings, Leiter des Fachbereichs Städtebau. " Wir begleiten dieses Verfahren, sind aber noch nicht an dem Punkt, wo wir Stellung dazu nehmen", so Schürings. Dazu sei es noch zu früh.
Bildtext:
Die Amprion-Mitarbeiter Jörg Weber (links) und Projektleiter Jörg Finke-Staubach sind für die Bürger die Ansprechpartner.
Fotos:
Thomas Osterfeld

Kommentar
Unausgegoren

Der Stromnetzausbau muss schnell gehen sonst floppt die Energiewende, und der saubere Windstrom bleibt im Norden Deutschlands stecken. Viel Hektik hat die Bundesregierung unter Angela Merkel erzeugt: erst zurück zur Atomkraft und nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima plötzlich wieder weg von der Atomkraft und zwar zack, zack.

Doch so zackig funktioniert das mit dem Leitungsausbau nicht. Die Verfahren sind langwierig, und die Bürger leisten allerorten Widerstand. Sie sind verunsichert: Riesige Strommasten sollen in die Landschaft gepflanzt werden? Und die Gesundheitsrisiken?

Die Bürger verstehen nicht, warum die Masten und Höchstspannungsleitungen nicht einfach im Boden verschwinden sollen. Auch dieses Problem ist dem Hauruck-Verfahren des Netzausbaus geschuldet: Der Bund hat vor zwei Jahren vier Pilotprojekte bestimmt, doch diese sind noch nicht einmal gebaut. Und solange die Erdkabel nicht getestet sind, sollen sie nirgendwo anders eingebaut werden, heißt es. Den Netzbetreibern kommt das zwar gelegen, doch Amprion ist aktuell nicht der Schuldige.

Das Verfahren zur Leitungsaufrüstung im Landkreis Osnabrück hat gerade erst begonnen und wird die Region jahrelang beschäftigen. Amprion verspricht Information und Transparenz. Das ist gut, doch das löst nicht das höchst emotionale Dilemma um die Erdverkabelung das muss in Berlin gelöst werden.
Autor:
Sandra Dorn


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