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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Feiner Senf aus Osnabrück
Zwischenüberschrift:
Auf der Hase-Insel lag der Betriebshof der Fabrik J. A. Ochterbeck
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. " Tafelsenf ist mehr und minder / sehr gesund auch schon für Kinder, / ebenso wie für die Großen, / sodass Speisen, Tunken, Soßen, / Salat, Gemüse, Mayonnaisen / stets Begeisterung auslösen…". Mit gereimten Werbebotschaften wie dieser empfahl sich die Firma J. A. Ochterbeck, die von 1871 bis 1945 an der Herrenteichsstraße Senf herstellte.

Wenn man genau hinschaut, erkennt man auf dem Lichtenberg-Foto aus dem Winter 1926/ 27 links neben dem schmucken Gartenpavillon eine Reihe von Fässern. Sie enthalten Essig, den Ochterbeck für die Senfherstellung brauchte. Lichtenberg hat für das Foto den Blick vom Herrenteichswall auf die sogenannte Hase-Insel gewählt. Der Hauptstrom der Hase fließt rechts. Von links kommt der kleinere Nebenstrom, die Umflut, die Hof und Garten des Grundstücks Ochterbeck zu einer Insel macht. Da die Umflut damals wie heute weitgehend überbaut ist, wird die Insel kaum als solche wahrgenommen, jedenfalls nicht von der Herrenteichs straße aus.

Ganz links auf dem Foto erkennt man das Gebäude über der Umflut, Herrenteichs straße 1 (heute Chinarestaurant " Goldener Drache" neben dem Haarmannsbrunnen). Es nimmt den historischen Standort der Herrenteichspforte ein. Bis zur Entfestung im frühen 19. Jahrhundert lag hier eines der Zugangstore zur befestigten mittelalterlichen Stadt. Das Herrenteichstor bestand aus drei Bastionen, die zum Zweck der leichteren Verteidigung von Hasewasser umspült waren. Die ehemalige mittlere Bastion lag auf der Hase-Insel.

Hier gründete Johann Adam Ochterbeck 1871 die Senffabrik an der Herrenteichsstraße 4. Sohn Fritz führte sie fort und baute zusätzlich eine Sauerkrautproduktion in der Großen Rosenstraße auf. Mit Friedrich Ochterbeck, Jahrgang 1909, trat in den späten Dreißigern die dritte Generation in die Firma ein. Er war es, der 1945 die an beiden Alt-Standorten zerstörte Firma zu neuem Leben erweckte, zunächst in einem einfachen Lagergebäude in der Rheinstraße. Mit einem Holzgas-Lkw belieferte Friedrich Ochterbeck die Kunden im Osnabrücker Land und im Emsland mit Essig-Produkten, die er bei nicht ausgebombten Kollegenbetrieben zugekauft hatte.

1948 bezog die Firma eine neue Produktionsstätte am Mühleneschweg. Hier wurde wieder ein " Essigbildner" aufgestellt, ein mit Buchenholzspänen gefülltes Riesen-Fass, in dem aus einer wässrigen Lösung mit zehn Prozent Alkohol durch Oxidation unter Mithilfe von Bakterienkulturen Branntweinessig entsteht. Senfkörner wurden mit Gewürzen und Essig versetzt und zu einem feinen Senf vermahlen. Weißkohl kam aus Schleswig-Holstein, er wurde in Güterwaggons angeliefert. Arbeiterinnen entfernten die Deckblätter des Kohlkopfs per Hand, eine Bohrspindel nahm den harten Kern heraus, und ein Schneidwerk zerstückelte die Blätter in feine Schnipsel. Die kamen dann in Betonbehälter, wo sie mit Salz eingestampft und zum Gären gebracht wurden. Nach einigen Wochen war das Sauerkraut verkaufsreif. Viele Jahre wurden auch Gurken im Betrieb eingelegt.

Ende 1961 verkaufte Friedrich Ochterbeck den Familienbetrieb an den großen Wettbewerber Carl Kühne, der in Osnabrück an der Bohmter Straße einen Zweigbetrieb mit ähnlichem Produktionsprogramm unterhielt. " Wir schrieben bis zuletzt schwarze Zahlen, daher konnte mein Vater durchsetzen, dass die gesamte Mitarbeiterschaft ohne irgendwelche Einbußen zu Kühne überwechseln konnte", erklärt der heute in Bonn lebende Chemiker Dr. Wolfgang Ochterbeck aus der Generation der Urenkel des Firmengründers. Zur Jahresmitte 2004 schloss auch Kühne seinen Osnabrücker Betrieb. Nun kann kein Osnabrücker Produzent mehr seinen eigenen Senf dazugeben, wenn im VfL-Stadion oder auf der Maiwoche eine Bratwurst auf einem Pappstreifen landet.

Das alte Firmen- und Wohngebäude Herrenteichsstraße 4 mit der klassizistischen Fassade, die den Krieg überstanden hatte, wurde 1952 als reines Wohngebäude wiederhergestellt. Anfang der 1980er-Jahre kaufte der Einzelhandelsverband das Haus und zog in die straßenseitigen Räume ein, während das Hinterhaus mit dem Garten auf der Hase-Insel weiterhin Wohnzwecken diente. Dem Unternehmerverband Einzelhandel Osnabrück-Emsland (UVE) gehört auch das 1963 errichtete " Haus des Handels" auf dem Nachbargrundstück. Wie der UVE bekanntgab, wird er dieses Nachbarhaus in Kürze abreißen, das Ochterbeck′sche Haus umgestalten und dort eine neue Verbandszentrale sowie Wohnungen bauen. Die denkmalgeschützte klassizistische Fassade bleibt auf jeden Fall erhalten.
Bildtexte:
Blick vom Herrenteichswall auf die Hase-Insel im Winter 1926/ 27. Mehrere große Essigfässer, die links neben dem Gartenpavilion zu sehen sind, deuten auf die Senfproduktion der Firma J. A. Ochterbeck im dahinterliegenden Haus hin.
Dichtes Ufergrün erschwert heute den Blick aus derselben Perspektive. In der Bildmitte die Rückseite des " Hauses des Handels", Herrenteichsstraße 5, und rechts daneben hinter der Brücke das ehemalige Wilhelmstift. Beide Gebäude werden noch 2015 abgerissen.
Werbesiegel der Osnabrücker Senffabrik Ochterbeck.
Fotos:
Rudolf Lichtenberg jr. (entnommenaus: Lichtenberg - Bilder einer Stadt, hrsg. Rolf Spilker und Karl Georg Kaster, Bramsche 1996, J. Dierks, Archiv Wolfgang Ochterbeck
Autor:
Joachim Dierks


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