User Online: 2 | Timeout: 02:52Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Tod eines Regimegegners
Zwischenüberschrift:
Bernhard Schopmeyer wurde heute vor 70 Jahren im Bürgerpark erschossen – Tochter erinnert sich am Tatort
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Heute vor 70 Jahren wurde Bernhard Schopmeyer im Bürgerpark erschossen. Am 23. Juni 1945 zwischen 13 und 14 Uhr traf ihn eine Kugel von hinten durch Rücken, Lunge und Herz. Sechs Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er noch Opfer eines offenbar nationalsozialistischen Täters. Schopmeyer war ein Feind des Hitler-Regimes. Er gehörte zum christlichen Widerstand und war ein Mann mit politischen Ambitionen. Er zählt zu den Mitbegründern der CDU und forderte, dass die Nationalsozialisten für ihre Taten bestraft werden.
Niemand schien den tödlichen Schuss gehört zu haben. Zuhause an der Knollstraße 73 wartete die Familie auf ihn: seine Frau Maria und die sechs Kinder. Barbara Möller, die damals zwölf Jahre alt war, erinnert sich: " Wir hatten schon zu Mittag gegessen, Mutter wollte sich hinlegen und sagte zu uns: Wenn Papa gleich kommt, macht ihm das Gemüse warm.′" Dann stand eine junge Nachbarin mit Bernhard Schopmeyers Fahrrad und seiner Aktentasche vor der Tür und sagte zu den Kindern: " Wenn das eurem Vater gehört, liegt er tot im Bürgerpark." Barbara rannte zum Lebensmittelhändler nebenan: " Onkel Heinz, du musst kommen!" Ihr sechsjähriger Bruder Ludger weckte die Mutter und sagte ihr, was er gehört hatte. Und der 15-jährige Kurt lief in seiner Not zum Renthe-Fink-Haus gegenüber. Dort befand sich ein Lazarett der britischen Armee. Der Junge fuhr mit den Soldaten in den Bürgerpark. " Er hat seinem Vater die Augen geschlossen", berichtet Barbara Möller.
Der Tatort befand sich am Hauptweg des Bürgerparks. Barbara Müller erkennt die Stelle, an der es passiert ist. " Mein Vater ist vom Weg heruntergerollt und lag an einem Baum." Heute befinden sich Büsche direkt am Weg. Bernhard Schopmeyer hatte sich vom Bischofssitz auf dem Weg nach Hause befunden. " Aber vorher muss er noch jemanden an der Süntelstraße besucht haben", vermutet Barbara Möller. Ob der Täter ihn verfolgt oder ihm aufgelauert hat? Jedenfalls traf er so genau, dass sein Opfer auf der Stelle tot war. Und offensichtlich hatte er Bernhard Schopmeyer ausschließlich nach dem Leben getrachtet, denn die Armbanduhr, den Ring und die 1000 Reichsmark Gehaltsnachzahlung rührte er nicht an.
Abgeordneter
Bernhard Schopmeyer wurde am 2. September 1900 in Hagen am Teutoburger Wald geboren, besuchte die Volksschule, wurde Zimmermann und arbeitete bis 1926 in diesem Beruf. Von da an arbeitete er als Arbeitersekretär im Bistum. Politische und soziale Themen gehörten nun zu seinem Beruf. Im " Volksbüro" unterstützte er Hilfesuchende in sozialen Angelegenheiten. Auch für das Engagement in einer Partei hatte er sich entschieden: Ende der 1920er-Jahre wurde er als Kandidat der Zentrumspartei in den Osnabrücker Magistrat gewählt und wurde bald darauf außerdem Abgeordneter im Provinziallandtag in Hannover. Schopmeyer sollte 1933 für seine Partei als Abgeordneter des Preußischen Landtages in Berlin nachrücken. Doch daraus wurde nichts, weil Adolf Hitler an die Macht kam und die Demokratie abschaffte.
Die Nationalsozialisten nahmen ihm seine politischen Ämter. SA-Leute besetzten sein " Volksbüro" und untersagten ihm, an der Wakhegge in der Siedlung ein Haus zu bauen. Doch blieb er weiterhin für das Bistum tätig. Schwerpunkt wurde die Männerseelsorge. 1938 wurde Schopmeyer Diözesansekretär. Doch öffentlich konnte er sich nicht mehr politisch betätigen. Er sympathisierte mit dem Widerstand gegen das Nazi-Regime, suchte Kontakt zum Untergrund und engagierte sich heimlich im Windthorst-Bund, der Jugendorganisation der Zentrumspartei.
" Mit einem Bein im KZ"
Bernhard Schopmeyer wurde Soldat. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er eingezogen. Frankreichfeldzug, Polen, zwischendurch auch in Osnabrück stationiert. Seine Frau Maria berichtete nach dem Krieg, ihr Mann habe Schriften aus der Widerstandsbewegung mit nach Osnabrück gebracht. Auch erwähnte sie Zusammenkünfte hinter verschlossenen Türen und die Befürchtung ihres Mannes, ins Konzentrationslager verschleppt zu werden. Er habe sie zur Vorsicht ermahnt und gesagt: " Ich stehe mit einem Bein im KZ." Und das wegen friedlicher Absichten: Seine Tochter Barbara Möller erwähnt einen Brief, in dem er mitten im Zweiten Weltkrieg über eine Vision, über " eine Art vereinigte Staaten von Europa" schrieb.
Im September 1944 stand morgens um 6 Uhr die Gestapo vor der Tür seiner Wohnung an der Knollstraße. Später erinnerte sich Maria Schopmeyer an die Aufforderung der Beamten: " Sind Sie Schopmeyer? Dann machen Sie sich fertig und kommen Sie mit." Ihr Mann habe daraufhin gesagt: " Was liegt denn gegen mich vor?" Die Antwort eines der Gestapo-Beamten: " Das werden Sie dann erfahren, wenn Sie da sind, wo Sie hingehören." Bernhard Schopmeyer konterte: " Ich brauche Ihnen nicht Folge zu leisten. Ich bin Soldat und unterstehe dem Kriegsgericht." Die Gestapo-Beamten zogen sich daraufhin zurück, Schopmeyer machte sich auf den Weg zur Kaserne und berichtete seinem Hauptmann, was vorgefallen war. Der wiederum erfuhr von der Gestapo, dass es sich um eine " allgemeine Aktion" im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli gehandelt habe.
Als der Krieg zu Ende ging, war Schopmeyer Soldat in Flensburg. Von dort fuhr er am 3. Mai 1945 mit dem Fahrrad nach Osnabrück. Am 12. Mai war er wieder zu Hause, nahm gleich wieder seine Arbeit in der Männerseelsorge auf und machte sich Gedanken über die politische Zukunft Deutschlands. Mit Gleichgesinnten bereitete er die Gründung der CDU vor. Für Schopmeyer war es wichtig, dass sie sich nicht auf eine Konfession beschränkt, wie es bei der katholisch orientierten Zentrumspartei der Fall gewesen war. Einer seiner Freunde schrieb später: " Alle, die ihn kannten, auch seine Gegner, wussten, dass er wieder führende Stellungen bekleiden würde."
" Entfernung aller Nazis"
Schopmeyer war zumindest Mitverfasser eines " Sofortprogramms" für die Zeit nach dem Krieg. Darin ist unter anderem von der " Entfernung aller Nazis aus der Exekutive und Justiz" und von der " Nachprüfung der Nazi-Urteile" die Rede, ebenso wie von einer " Entfernung aller Lehrer und Lehrerinnen, die an der nationalsozialistischen Vergiftung der Jugend mitgewirkt haben". Eine Forderung lautet: " Entschädigungslose Beschlagnahme der Wohnungen und Wohnungseinrichtung von aktiven Nazi zugunsten der Bombengeschädigten. Solange es noch einen wohnungslosen Bombengeschädigten gibt, hat kein aktiver Nazi Anspruch auf eine Behausung."
Am Abend vor seiner Ermordung hatte Bernhard Schopmeyer im damaligen Haus Bergmann an der Ziegelstraße einen Vortrag gehalten. Seine Frau berichtete später: " Als er von dieser Versammlung nach Hause kam, sagte er zu mir: Wer sind die Männer, die da draußen vor der Tür stehen? Die verfolgen mich, die haben nichts Gutes im Schilde.′"
" Zu viel gewusst"
Maria Schopmeyer war klar, dass es sich bei dem Mord an ihrem Mann um die Tat eines Nationalsozialisten handeln musste. Sie sagte in den 1950er-Jahren: " Außer seinem Leben wollte man nichts; denn es fehlte nichts an Wertsachen." Und: " Man hat mir gleich gesagt, dass er zu viel gewusst hat, dass er deshalb verschwinden musste, damit nicht noch gewisse Leute benachteiligt würden." So beschrieb sie das Motiv.
Ob der Todesschütze ein Einzeltäter war, oder mehrere hinter der Tat steckten? Solche Fragen schienen den damaligen Polizeibeamten weshalb auch immer fernzuliegen. Inwieweit überhaupt ermittelt wurde, ist nicht überliefert. Barbara Möller ist überzeugt: " Es wurde gar nichts unternommen."
Ludger Schopmeyer berichtet von einem weiteren Vorfall am Todestag seines Vaters. In dessen Aktentasche soll sich ein Arbeitsvertrag befunden haben, den er frisch am Vormittag unterschrieben mit nach Hause bringen wollte. Bernhard Schopmeyer habe sich damit im gehobenen Dienst befunden. Noch am Todestag sei der kirchliche Vorgesetzte seines Vaters erschienen und habe forsch gefragt: " Wo ist die Aktentasche?" Hedwig, Ludger Schopmeyers damals 16-jährige Schwester, gab sie ihm. In dem Trubel habe niemand genauer hingeschaut. " Meine Mutter, die erst vor wenigen Stunden von dem Mord an ihrem Ehemann erfahren hatte, stand unter Schock. In unserer Wohnung befanden sich mehrere britische Militärpolizisten, Familienmitglieder und enge Bekannte." Später folgte der weitere Schock: " Unsere Mutter bemerkte dann später, dass der Arbeitsvertrag fehlte." Die Folge: Die Familie stellte fest, dass sie ohne diesen Vertrag auch auf Teile der erhofften finanziellen Unterstützung verzichten musste. Weshalb sollte der Vorgesetzte das getan haben? " Er wollte wohl Geld sparen für die Diözese", vermutet Ludger Schopmeyer.
" Nicht in den Dom"
Die Geschehnisse um den vermissten Vertrag machen Hermann Queckenstedt nachdenklich. Er ist Direktor des Diözesanmuseums, in dem sich auch eine Büste Bernhard Schopmeyers befindet. Queckenstedt recherchiert derzeit im Bistumsarchiv. Er will die Erinnerung der Familie Schopmeyer dokumentieren. Ihm liegt daran, " ein differenziertes Bild zu zeichnen". Der genannte Vorgesetzte sei ein langjähriger Weggefährte des Ermordeten gewesen und habe sich um Zuwendungen für die Schopmeyers bemüht.
Maria Schopmeyer hatte Mühe, sich und ihre sechs Kinder durch die Nachkriegszeit zu bringen. " Unsere Mutter, die eine fromme Katholikin war, ging aus Protest ein Jahr lang sonntags nicht in den Dom, sondern in die benachbarte Herz-Jesu-Kirche zum Gottesdienst", berichtet Ludger Schopmeyer. Manchmal habe seine Mutter " am 20. des Monats nicht gewusst, woher sie das Geld für die Milch für unsere zweijährige Schwester nehmen sollte" und ein Geistlicher habe dazu gesagt, " dann könne unsere Mutter nicht wirtschaften".
Ein weiterer Schlag für die Familie: 1956 wurde Bernhard Schopmeyer nicht als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung im Sinne des damals neuen Bundesgesetzes anerkannt. Daher wurde eine Entschädigung vom Staat abgelehnt. Die Sicht auf die Geschehnisse hat sich in der Zwischenzeit geändert. Der Initiativkreis für die Verlegung von Stolpersteinen sieht Bernhard Schopmeyer als Opfer des Nationalsozialismus. Und die Osnabrücker CDU-Fraktion ist Patin des Gedenksteins vor der früheren Wohnung der Familie Schopmeyer an der Knollstraße: Seit dem vergangenen Jahr erinnert dort eine Messingtafel an Bernhard Schopmeyer.
Gedenken an Bernhard Schopmeyer: Für den heutigen Dienstag ist um 19 Uhr ein Gedenkgottesdienst an der Lerchenstraße in der Heiliggeistkirche geplant. Dazu lädt die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) ein.

Stolpersteine in Osnabrück: Mehr auf www.noz.de/ stolpersteine
Bildtexte:
Tatort: Auf deisem Weg im Bürgerpark hat ein Unbekannter Bernhard Schopmeyer am 23. Juni 1945 von hinten erschossen. Barbara Möller ist die Tochter des Mordopfers. Sie erinnert sich, dass ihr Vater nach dem tödlichen Schuss neben den Weg fiel.
Bernhard Schopmeyer (1900–1944) in den 1930er-Jahren.
Stolperstein: Seit 2014 erinnert ein Stolperstein an Bernhard Schopmeyer. Der Gedenkstein befindet sich an der Knollstraße 73, wo die Familie Schopmeyer wohnte.
Hasefriedhof: Hier liegt Bernhard Schopmeyer begraben nur einen kurzen Spaziergang vom Tatort entfernt. Es handelt sich um ein Familiengrab in der ersten Abteilung des historischen Friedhofs.
Fotos:
Swaantje Hehmann, Archiv/ privat, Archiv/ Jörn Martens
Autor:
Jann Weber


Anfang der Liste Ende der Liste