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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
"Lebensquelle" ist Politikern suspekt
 
Halleluja auf dem Güterbahnhof
Zwischenüberschrift:
In Osnabrück will die Politik den Bau eines Gemeindezentrums der Freikirche "Lebensquelle" verhindern
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück. Erweckungserlebnisse gehören zu jeder Predigt in der freikirchlichen Gemeinde " Lebensquelle". Ein breites Bündnis Osnabrücker Politiker will verhindern, dass die Freikirche ein Gemeindezentrum mit 3000 Plätzen errichtet.

Osnabrück. Da könnte Bischof Bode neidisch werden: In Osnabrück soll eine Kirche mit 3000 Sitzplätzen entstehen, weit mehr, als in den Dom passen. Aber gegen das Projekt der evangelischen Freikirche " Lebensquelle" auf dem früheren Güterbahnhof formiert sich Protest, seit ein führendes Mitglied des Vereins Homosexualität als " Sünde" bezeichnet hat. Die Politik will den Bauherren nun Steine in den Weg legen. Aber was ist das überhaupt die " Lebensquelle"?

" Jesus heilt zerbrochene Herzen", steht in roten Lettern auf der Fassade der ehemaligen Lagerhalle am Goe thering. Jeden Sonntag treffen sich dort mehrere Hundert Menschen zum Gottesdienst, darunter auffallend viele Russlanddeutsche. Sie wollen eine offene Gemeinde sein, das beteuern die Verantwortlichen der Freikirche immer wieder. Aber mit der Offenheit ist es vorbei, seit der Begriff " Lebensquelle" in Osnabrück für manche ein Reizwort geworden ist.

Als unsere Zeitung über einen Gottesdienst berichten wollte, wurden wir zunächst vertröstet. Zwei Wochen später, nach erneuter Nachfrage, gab es eine Absage. Günter Strunk, Pastor und Pressesprecher, will jetzt auch keine Presseanfragen mehr beantworten. Und die Videos mit Predigtauszügen aus den Gottesdiensten wurden inzwischen von der Homepage genommen.

Sie fühlen sich missverstanden, die Verkünder des Evangeliums, die nach eigenem Bekunden nur zur Ehre Gottes handeln wollen. Eine Äußerung in einem Fernsehinterview hat so viel Argwohn gesät und so viel Protest hervorgerufen, dass der Bau des Gemeindezentrums auf dem Güterbahnhof infrage gestellt ist. Dabei hätte die Gleichsetzung von Homosexualität und Sünde auch in das Glaubensbild manches katholischen Geistlichen gepasst.

Die " Lebensquelle" Osnabrück, 2002 als Ableger einer Freikirche aus Venne gegründet, ist Mitglied im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (KdöR), dem in Deutschland rund 770 Gemeinden mit 45 000 Menschen angehören sollen. Sie alle finanzieren sich nicht über die Kirchensteuer, sondern über freiwillige Gaben, den sogenannten Zehnten. Getauft werden nicht Kindern, sondern ausschließlich Erwachsene. Im Zentrum des Glaubens steht die Ausgießung des Heiligen Geistes, wie sie im Neuen Testament beschrieben wird.

Besucher, die an einem Gottesdienst der " Lebensquelle" teilgenommen haben, erzählen von einer Art Disco-Atmosphäre: laute Musik, rhythmisches Klatschen und wiegende Hüften, Halleluja-Rufe und viel Emotion. Die Predigt wird fast simultan auf Russisch und Deutsch gehalten. Außenstehende wundern sich über das Pathos, mit dem die Pastoren ihre Erweckungserlebnisse vortragen. Auf Videos ist das dokumentiert.

So verkündet der leitende Pastor Jakob Neufeld in einer Predigt, er sei auf dem Güterbahnhof in ein Loch gestürzt. Eine starke Kraft habe ihn davor bewahrt, in einen Spieß zu fallen. " Hier wäre ich fast gestorben!", ruft er vor der Gemeinde aus. Aber die Gnade Gottes habe ihn davor bewahrt.

Ein weiteres Erweckungserlebnis von Pastor Neufeld wirft die Frage auf, mit welchem Blick die Freikirche Andersgläubige betrachtet. In einer Predigt beschreibt er wortreich, dass er einen sterbenden Muslim bekehrt habe. Seine Angehörigen hätten den Mann schon aufgegeben, aber mit der Kraft von Jesus sei er augenblicklich geheilt worden. Das Fieber sei gesunken, und nach kurzer Zeit habe er gesund aus dem Krankenhaus entlassen werden können.

In den Videos finden sich auch Äußerungen, die als Bestätigung für eine homophobe Haltung herangezogen werden können. Gott habe Adam und Eva erschaffen, " nicht Adam und Iwan", heißt es in einer Predigt. Pastor Neufeld spricht von den " Dämonen der Homosexuellen", die man " niedertreten" müsse. Wobei er das Niedertreten nicht auf die Menschen bezieht. Auch Schwule seien willkommen, wenn sie sich zu Jesus bekennen würden.

Die " Lebensquelle" versteht sich nicht nur als Ort, an dem das Evangelium verkündet wird, sondern zugleich als sozial-diakonische Einrichtung, wie es Pastor Strunk ausdrückt. Gegner werfen der Freikirche vor, sie ziehe labile Menschen an und halte sie fest. Dass ein engmaschiges Netz aufgespannt wird, um neue Mitglieder fest an die Gemeinde zu binden, erfuhr kürzlich eine junge Frau, die sich aus Interesse einen Gottesdienst der " Lebensquelle" anschauen wollte. Nach der Andacht kam sie mit jungen Leuten ins Gespräch, die sie gleich einluden, in ihrer Gruppe mitzumachen. Das Angebot " Wir holen dich auch von zu Hause ab!" ging ihr dann aber doch zu weit, wie sie unserer Zeitung anvertraute.

Dass die Freikirche in ihrem Reha-Zentrum " Arche" Drogenabhängige betreut, sehen manche Insider der Osnabrücker Szene kritisch. Aus dem Ameos-Klinikum heißt es dazu, es fehle an einer psychologischen Betreuung. Hinrich Haake, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Osnabrück, nimmt die " Lebensquelle" jedoch in Schutz. Bei der Freikirche stehe das Beten im Vordergrund, während in der Diakoniesuchthilfe das Religiöse eher verinnerlicht sei. " Wenn das aber ein Weg ist für den Einzelnen, in die Ab stinenz zu kommen, ist das allemal besser, als weiter Drogen zu nehmen", sagt Haake.

Weniger besonnene Töne sprechen aus einer Stellungnahme, die Landessuperintendent Burghard Krause mit führenden Theologen der evangelischen Kirchen abgegeben hat. Die " Lebensquelle" sei eine Freikirche, von der man sich entschieden distanziere. Niemand dürfe wegen seiner sexuellen Orientierung diskreditiert und abgewertet werden.

Die freikirchliche Gemeinde hat sich inzwischen vom Vorwurf der Schwulenfeindlichkeit distanziert und betont, sie verurteile keinen Menschen wegen solcher Neigungen.

In politischen Kreisen wird das jedoch als halbherziges Dementi aufgefasst. SPD und Grüne, FDP und Piraten haben angekündigt, dass sie das Gemeindezentrum der Freikirche über den Bebauungsplan verhindern wollen. Nur die CDU hat sich unter Hinweis auf die Meinungs- und Religionsfreiheit dieser Allianz bislang nicht angeschlossen.

Das Gemeindehaus am Goethe ring steht mittlerweile zum Verkauf, weil es der " Lebensquelle" darin zu eng geworden ist. Gott habe dem Pastor mehrmals Offenbarungen gegeben, dass das neue Zentrum gebaut werden solle, heißt es auf der Internetseite.

Schon jetzt renovieren Mitglieder der Freikirche die frühere Güterabfertigung, in der sie Büros und Besprechungsräume einrichten wollen. Das drei Hektar große Gelände mit der riesigen Güterhalle gehört der " Lebensquelle" seit 2012. Ihr Gemeindezentrum darf sie aber vorerst nicht errichten. Der Stadtrat hat eine Veränderungssperre erlassen.
Bildtext:
Zu verkaufen: Das Zentrum der Freikirche " Lebensquelle" am Goethering in Osnabrück reicht der schnell wachsenden Gemeinde nicht mehr aus.
Der Güterbahnhof von oben: Die Freikirche hat den Schuppen in der Mitte gekauft.
Zu eng: der alte Gemeindesaal der " Lebensquelle".
In der Güterhalle soll das neue Gemeindezentrum der Freikirche entstehen.
Fotos:
Klaus Lindemann, Archiv
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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