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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Pfingstkonzert um 5 Uhr morgens
Zwischenüberschrift:
Mai 1913: Militärmusik, Milchpanscher und Kaisers Mercedes
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Der Wonnemonat Mai lockte auch vor hundert Jahren zu Ausflügen in die Natur und Lustbarkeiten unter freiem Himmel. " Waldschlösschen"- Wirt Meyer lud am Pfingstmontag schon morgens um 5 Uhr zu einem Frühkonzert in seinen Kaffeegarten am Schölerberg. Wer es nicht gar so früh mochte, konnte auch nachmittags um 4 Uhr das Gartenkonzert besuchen, " mit anschließendem Tanzkränzchen".

Das Kaffeehaus Gartlage kündigte für beide Pfingsttage das " große Militärkonzert" mit der Regimentskapelle der 78er unter Musikmeister Schellbach an, " Entree 30 Pfennig". Vorsichtshalber war annonciert worden, dass bei ungünstiger Witterung alles im Saale stattfinde. Dazu kam es aber nicht, da vor hundert Jahren das Pfingstwetter freundlicher war als in diesem Jahr. Auch die Gärten der Stadthalle am Kollegienwall und des Hotels Germania ließen sich nicht lumpen und warteten mit musikalischer Unterhaltung auf.

Ein Wandersmann aus Osnabrück schilderte seine Eindrücke in der Osnabrücker Volkszeitung so: " Ich ging von Osnabrück aus bei der Gastwirtschaft Schumla links ab über den alten Körkelbrink und dann die Chaussee entlang, bis mir der Wegweiser den Weg nach Kloster Oesede zeigte. Dort angekommen, restaurierte ich mich zunächst im Lokale des Herrn Himmermann, wo bereits eine große Zahl Ausflügler sich eingefunden hatten." Nach einer Beschreibung der Kirche und des Klosters tauchte er wieder in das " herrliche Frühlingsgrün" der Wälder ein: " Bei dem Gesang der Vögel, untermischt von den Wanderliedern der heimkehrenden Touristen, habe ich mir gelobt: Diese Tour machst Du noch einmal."

Wen es weiter hinaus, gar in ferne Länder zog, dem bot das " Bankgeschäft Sanders, Wiecking & Co." an der Schillerstraße 11 (heute Standort der OLB) in einem Inserat so etwas wie die Vorläufer der Reiseschecks an, nämlich " Kreditbriefe auf alle größeren Plätze des In- und Auslandes". Auch auf die " Umwechselung fremder Geldsorten" war man eingerichtet.

Mit dem Frühsommer kommen auch die ersten Gewitter. Das veranlasste die Zeitung, einige Vorsichtsmaßregeln abzudrucken. So solle der Reisende vom Pferd oder Wagen absteigen und sich hinsetzen oder hinlegen, jedenfalls nicht stehen bleiben und womöglich noch einen Regenschirm aufspannen. Die " Nachbarschaft eines Drahtzauns" sei zu meiden, ebenso die von Menschenansammlungen oder Viehherden, Flüssen oder Teichen. Auch einzeln stehende Bäume seien kein guter Zufluchtsort: " Besonders anfällig ist die Eiche, am wenigsten die Buche. Doch muss auch dann Bedacht genommen werden, sich möglichst fern vom Stamm zu halten."

Adeliger Besuch

Am 16. Mai 1913 herrschte große Aufregung in Osnabrück: Ein kaiserliches Automobil wurde in der Stadt gesehen! Rasend schnell verbreitete sich das Gerücht, Prinz Heinrich von Preußen, Bruder des Kaisers, sei nach Osnabrück gekommen, um das Gut Wulften zu kaufen. Die Zeitung recherchierte und konnte bald danach richtigstellen, dass nicht Prinz Heinrich, sondern dessen Kammerherr, Freiherr von Nagel, in dem kaiserlichen Fahrzeug saß. Und der habe auch nicht das Gut kaufen wollen, sondern lediglich seinen Schwager, Baron von Korff, in Sutthausen privatim besucht.

Jeden Tag kann man in der Zeitung den Polizeibericht verfolgen. Er gibt Auskunft über angezeigte Gesetzesverstöße und Fundsachen. Am 13. Mai beispielsweise wurde wegen Bettelei eine Person in das Gerichtsgefängnis eingeliefert, wegen Schamverletzung und Umhertreibens zwei Personen. Wegen Verübung groben Unfugs und nächtlicher Ruhestörung wurden 22 Personen den Polizeiwachen zugeführt. Als gefunden sind eine Halskette mit Anhänger gemeldet, eine Schnurbartbürste, ein Paket Nägel und ein Spazierstock. Ein herrenlos umherlaufender Hund wurde eingefangen. Das Königliche Schöffengericht zu Osnabrück verkündete das Urteil gegen einen namentlich und mit voller Anschrift, Geburtsdatum und Konfession genannten Milchhändler: Er muss 100 Mark Geldstrafe wegen Vergehens gegen § 10 des Nahrungsmittelgesetzes (" Milchfälschung") zahlen, im " Nichtbeitreibungsfalle" 20 Tage Haft absitzen.

Die Kaufmannschaft der Stadt hat sich gegen die ihrer Meinung nach kundenfeindliche Abfertigung auf dem neuen Güterbahnhof beschwert. Mehrfach wurden Fuhrwerke mit aufzugebenden Stückgütern abends nicht mehr abgefertigt und mussten voll beladen wieder in die Stadt zurückfahren. Die Handelskammer hat sich eingeschaltet und mit der Bahnverwaltung eine neue Regelung getroffen: Annahmeschluss ist nun " 6 ½ Uhr nachmittags", also 18.30 Uhr und " Lukenschluss" 7 Uhr. Die Fuhrleute erhalten " Marken" (wie heutzutage an der Fleischtheke) als Nachweis ihres rechtzeitigen Eintreffens. Dann werden sie garantiert noch abgefertigt. Wenn der Andrang nicht zu groß ist, können auch noch nach 6 ½ Uhr eintreffende Fuhrwerke die Sendungen aufgeben, sofern die Zeit bis zum Lukenschluss 7 Uhr ausreicht. Die Handelskammer bittet einerseits die Bahn, mehr Personal in den Nachmittagsstunden bereitzustellen, andererseits die Verlader, gleichmäßiger über den Tag verteilt aufzuliefern.

Wegen manch anderer Kinderkrankheit des neuen Güterbahnhofs wird man sich noch in Geduld üben müssen, vermutet die Kammer. Die Höherlegung des Freiladegleises sei erst zum Teil durchgeführt und das Rangierwesen noch lange nicht zufriedenstellend geregelt. " Bis dahin werden Bezüge und Sendungen nach und von Osnabrück durchweg einen Tag Transportfrist mehr gebrauchen als ihnen zukommt, das ist aber einmal nicht zu ändern", schreibt das Blatt.

Am Dienstag nach Pfingsten ereignete sich ein schweres Eisenbahnunglück im Bahnhof Velpe. Der von Harzburg nach Scheveningen bestimmte D-Zug 136 stieß auf den im Gleis 3 stehenden Güterzug 9680. Zwei Reisende wurden verletzt, der Hofbesitzer Stricker aus Rüssel bei Ankum schwer und Bürgermeister Rost aus Quakenbrück leicht. Der Sachschaden war erheblich. Fünf Güterwaggons wurden von der Schnellzuglokomotive vollständig zertrümmert, die selbst ebenfalls nur noch Schrottwert hatte. Mehrere Reisezugwagen entgleisten und stürzten um. Eine große Schar " Besucher" pilgerte zur Unfallstelle. " Alle haben einen äußerst interessanten Anblick von der Gewalt eines Zusammenstoßes zweier Züge bekommen", schreibt der Reporter der Volkszeitung. Angesichts der Trümmerberge könne es nur wie ein Wunder erscheinen, dass es nicht mehr Opfer gegeben habe. " Aufgerissene Schienen, das fortgerissene Wärterhaus und abgebrochene Telegraphenleitungen vervollständigen das Bild der Zerstörung. Hunderte von Bahnarbeitern waren gestern abend mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt.

Wie durch ein Wunder blieb auch der Hülfsweichensteller, der sich in nächster Nähe neben der völlig zerstörten Weichenstellerbude befand, am Leben. Er trug nur einige kleine Schrammen davon." Ursache des Unglücks sei wohl eine nicht ganz geschlossene Weiche gewesen.
Bildtexte:
Mach mal Pause: Stückgutabfertigung noch ohne Gabelstapler war harte körperliche Arbeit vor 100 Jahren genauso wie vor 80 Jahren, als dieses Bild des Ruheraums im Osnabrücker Güterbahnhof entstand.
Die Aufnahme zeigt die Herz-Jesu-Kirche und den Haseverlauf entlang des südlichen Herrenteichswalls,
Fotos:
Sammlung Schippmann, entnommen aus: Lothar Hülsmann, 125 Jahre Eisenbahn in Osnabrück
Rudolf Lichtenberg (entnommen aus: Spilker, Lichtenberg Bilder einer Stadt, Band I).
Autor:
Joachim Dierks


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