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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Mühlenstreit, Inflation, Autobahnbau
Zwischenüberschrift:
Der Meyerhof zu Heringen in Hellern hat bewegte Zeiten erlebt
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Einer der ältesten und größten Höfe Hellerns existiert schon lange nicht mehr. Der Meyerhof zu Heringen wurde nach 1973 abgerissen.

Wer heute den schönen Rad- und Wanderweg vom Hakenhofholz nach Gaste verfolgt, wundert sich kurz vor Erreichen der Dütebrücke über eine scheinbar unmotivierte Wegbiegung inmitten alten Baumbestandes. Wer sich hier aufmerksam umschaut, wird die alte Hofmauer entdecken. Und einen Wechsel in der Pflasterung des Weges. Und den alten Hofteich. Hier also stand der Meyerhof, zu dem einst mehr als 90 Hektar Land und eine Eigenjagd gehörten.

Den Zusatz " Mey( i) erhof" tragen meist große, stattliche Höfe, auf denen der " Meier" als Verwalter eines adligen oder geistlichen Gutes saß. In Hellern und Atter reihen sich gleich fünf Meyerhöfe aneinander: zu Strohen, zu Hellern, zu Heringen, zu Hüningen und zu Atter. Die Häufung dürfte darauf beruhen, dass die Franken sehr früh an strategisch wichtigen Düte übergängen befestigte Höfe anlegten, die ihnen als Basis für die weitere Unterwerfung des Sachsenlandes dienten.

Eine Familie von Heringen wird erstmals 1240 erwähnt. 1540 ist der Hof als tecklenburgisches Lehngut an Otto von Grothaus hörig. Mit dem Namen Grothaus verbindet sich eine jahrzehntelange, blutige Fehde, die sich an der Heringer Mühle entzündete: Grothaus hatte 1549 damit begonnen, eine zerstörte Mühle auf seinem Hof wiederaufzubauen. Das missfiel Evert von Varendorf auf Sutthausen und dem Osnabrücker Bürgermeister Jost von Hettlage auf Gut Hettlage in Atter, die ebenfalls Dütemühlen betrieben. Sie protestierten beim Landesherrn, dem Bischof. Der ließ die Mühle auf Heringen niederreißen. Grothaus baute sie daraufhin erneut auf, Bischof und Stadt ließen sie wieder zerstören. Grothaus schäumte vor Wut. Er schickte der Stadt einen Fehdebrief, plünderte und brandschatzte Höfe in Hollage, Hellern und Atter, darunter auch Hettlages Ölmühle.

Erst 1559, nachdem der Bischof Grothaus′ Ehefrau gefangen gesetzt hatte, kam es zu einem vorläufigen Frieden. Im Untergrund brodelte es aber weiter, und 30 Jahre später geschah noch größeres Unheil: das " Blutbad im Gehn". Die Grothaus-Söhne Cord und Otto versuchten mithilfe spanischer Söldner aus der spanisch besetzten Festung Lingen, ihren Vater zu rächen und Schadenersatz für die Heringer Mühle einzutreiben. Mit einer kleinen, aber gut ausgerüsteten Reitertruppe richteten sie unter einer Schar von 800 Bauern, die sich ihnen zwischen Bramsche und Ueffeln entgegenstellten, ein fürchterliches Gemetzel an. 300 Bauern fielen, aber nur ein einziger spanischer Reiter.

In späteren Jahrhunderten ging es zu Heringen friedlicher zu. Im 19. Jahrhundert diente das Dreschhaus des Meyerhofes als Schulraum. Den Bewohnern im Norden Hellerns war der Weg zur Schule an der heutigen Großen Schulstraße zu weit, deshalb richteten sie in der Scheune ein 18-Quadratmeter-Klassenzimmer her, in dem zeitweise bis zu 40 Kinder unterrichtet wurden.

1920 fiel das Haupthaus samt angebautem Viehstall einem Brand zum Opfer. Heinrich Meyer zu Heringen (1887–1923) ließ es wiederaufbauen, aber in verkürzter Form. Seine Enkelin Karin Westerfeld berichtet von einem weiteren Schicksalsschlag für die Familie: " Unser Großvater hatte den Hof an die Evangelischen Stiftungen verkauft, weil er mit dem Verkaufserlös ganz groß in das Aktiengeschäft mit Strom und Gas einsteigen wollte. Der Plan war, sich anschließend einen kleineren Hof zu kaufen, aber daraus wurde nichts, weil die Inflation von 1923 dazwischenkam und das ganze Geld auffraß." Vater Heinrich (1908–1987) blieb nichts anderes übrig, als den Hof von den Stiftungen zurückzupachten.

In den 1960er-Jahren nahmen die Planungen für den Bau der Europastraße 8 (heute A 30) konkrete Formen an. Es zeichnete sich ab, dass ein Großteil der Pachtflächen verkauft werden würde wenn nicht an den Bund für die Schnellstraße, dann an das Land, denn Hellern war auch als Standort des neuen Uni-Campus im Gespräch. Die Stiftungen verlängerten die Pacht jeweils nur um ein Jahr, " so ähnlich, wie die Stadt das heute mit der Muesenburg macht wir hatten einfach keine Perspektive mehr", beschreibt Westerfelds Bruder, wie Großvater und Vater ebenfalls ein Heinrich Meyer zu Heringen und ebenfalls gelernter Landwirt, den Zustand, der seine Familie schließlich 1973 dazu bewog, den Hof zu verlassen und auf ein kleineres Anwesen in Lotte zu ziehen.

Bis zum Abriss dauerte es dann nicht mehr lange. Die Technikerschule unter Kaspar Müller trug die Scheune ab und lagerte sie ein, ebenso den Fachwerkspeicher. Über den Verbleib des Ständerwerks der Scheune ist nichts bekannt. Der Speicher wurde als Teil des Heimathaus-Ensembles " Wackumer Dannen" in Achmer wiedergeboren.
Bildtexte:
Der Meyerhof zu Heringen in den 1960er-Jahren.
Die alte Hofmauer gehört zu den wenigen Relikten der einstmals stolzen Hofanlage.
Fotos:
Privatarchiv Meyer zu Heringen/ Westerfeld, Joachim Dierks

Lesung in Atter
Historiker Volker Issmer wird an diesem Freitag ab 19 Uhr im " Treffpunkt Atterkirche", Karl-Barth-Straße 10, aus seinem historischen Roman " Mein herzliebster Bruder im Fleisch und in Christo!" lesen. Die Romanhandlung ist an historische Begebenheiten auch im Osnabrücker Land angelehnt, so an die Grothaus-Fehde zwischen den Mühlenbesitzern zu Heringen und zu Atter und das schließlich 1591 daraus erwachsene " Blutbad im Gehn". Der Eintritt ist frei, aber es wird um eine Spende für die Wohnungslosenhilfe und die Tageswohnung des SKM gebeten.
Autor:
Joachim Dierks


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