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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Eigentümer müssen 1,2 Millionen zahlen
Zwischenüberschrift:
BGH-Entscheidung zur Altlast der chemischen Reinigung Croon am Nonnenpfad
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Belastungen mit PER werden normalerweise in Millionstel Gramm gemessen. Am Nonnenpfad haben die Spezialisten schon mehr als eine halbe Tonne des hochgiftigen Lösemittels aus dem Untergrund gefiltert. 1, 2 Millionen Euro sind inzwischen für die Altlastsanierung aufgelaufen. Zahlen müssen die Eigentümer, urteilt jetzt der Bundesgerichtshof.

Ist es zumutbar, dass Privatleute für die Sanierung einer Altlast aufkommen müssen, die sie nicht zu verantworten haben? Ja, sagen die Gerichte: Weil der Verursacher nicht mehr zu greifen ist, müssen die Eigentümer die Zeche zahlen. Die beiden Apartmenthäuser Nonnenpfad 3 und 5 auf dem früheren Betriebsgelände wurden erst gebaut, als die Firma Croon längst abgewickelt war. Kompliziert wird die Angelegenheit, weil sich die Eigentumsverhältnisse auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück mehrfach geändert haben.

Haften müsste ja eigentlich der Verursacher der Bodenkontamination, aber die Betreiberfirma der chemischen Reinigung meldete 1979 Konkurs an, und der letzte Inhaber bekundete 1996 in einer eidesstattlichen Versicherung seine Zahlungsunfähigkeit. Zu allem Überfluss ging auch noch der Bauträger aus Aachen pleite, der die Wohnungen an Geldanleger aus ganz Deutschland verkauft hatte und " ihnen die zwischenzeitlich festgestellte Bodenbelastung arglistig verschwieg", wie es in einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg formuliert ist.

Einen Verdacht auf giftige Hinterlassenschaften der chemischen Reinigung hatte es schon in den 80er-Jahren gegeben. Aber das ganze Ausmaß der Bodenvergiftung kam erst 1994 ans Tageslicht, als ein drittes Wohnhaus Nonnenpfad 1 auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück errichtet werden sollte. Nach dem Fund mehrerer Öltanks ließ das Umweltamt der Stadt das Erdreich untersuchen und stellte exorbitant hohe Konzentrationen chlorierter Kohlenwasserstoffe fest. Boden, Grundwasser und Bodenluft erwiesen sich als hochgradig verseucht. Ein Baustopp wurde verhängt und eine Altlastsanierung angeordnet.

Fast eine halbe Tonne

Spezialisten bohrten tiefe Löcher und einen Brunnen, um das Grundwasser aufzufangen. In einer unauffälligen Garage am Bahndamm entstand eine Apparatur, die mit Aktivkohlefiltern die Schadstoffe aus dem Grundwasser herauszieht. In den vergangenen 15 Jahren kamen auf diese Weise 472 Kilo Perchlorethylen zusammen. Eine zweite Anlage reinigte jahrelang die Bodenluft. Rund 200 Kilo reines PER blieben in ihren Filtern hängen, wie Detlef Gerdts vom Fachbereich Umwelt und Klimaschutz berichtet.

Seit 1985 weigern sich die 40 Eigentümer, die Sanierungskosten zu übernehmen. Die Stadt verklagte die Eigentümer auf Zahlung, und die Eigentümer verklagten die Stadt auf Schadenersatz, weil sie sich mit der Aufstellung des Bebauungsplans und der Erteilung der Baugenehmigungen einer Amtspflichtverletzung schuldig gemacht habe. Der Musterprozess, den ein Meppener Ehepaar stellvertretend für die Eigentümergemeinschaft führte, beschäftigte abwechselnd das Verwaltungsgericht und das Landgericht Osnabrück, das Oberlandesgericht in Oldenburg und den Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

Frage der Zumutbarkeit

Hat die Stadt ihre Amtspflichten verletzt, als sie die Bebauung des ehemaligen Croon-Geländes zuließ? Nein, urteilen die Zivilrichter in Osnabrück und Oldenburg, denn eine objektive Pflichtwidrigkeit bestehe nur dann, wenn die Grundstückseigentümer durch die fehlerhafte Bauplanung in ihrer Gesundheit beeinträchtigt oder zumindest konkret gefährdet seien. In den Wohnungen sei aber keine fortdauernde Schadstoffbelastung festgestellt worden. Damit war der Schadenersatz vom Tisch, den die Eigentümer mit den von der Stadt geforderten Sanierungskosten aufrechnen wollten.

Auch mit ihrem zweiten Argumentationsstrang konnten die zahlungsunwilligen Wohnungseigner die Richter nicht überzeugen. Es sei nicht zumutbar, dass die Stadt derart hohe Kosten auf sie abwälze, zumal sie arglos ihre Immobilien erworben hätten und doch amtsbekannt sein müsse, " dass auf dem betreffenden Gelände schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts permanent mit hochgradig umweltschädlichen Chemikalien gearbeitet worden sei". Unzumutbar sei die Forderung erst, wenn die Sanierungskosten den Verkehrswert des Grundstücks überschritten, urteilte das Verwaltungsgericht, doch das sei am Nonnenpfad nicht der Fall.

Mit dieser Entscheidung vom 23. November 2010 war der Rechtsstreit noch nicht zu Ende. Weitere viereinhalb Jahre vergingen, bis der III. Zivilsenat des Bundes gerichtshofs in letzter Instanz eine Beschwerde der Eigentümer zurückwies. Jetzt haben sie es schwarz auf weiß, dass sie für die Kosten der Sanierung aufkommen müssen, die sich inzwischen auf 1, 2 Millionen Euro aufsummiert haben. Bei 40 Wohnungen wären das rund 30 000 Euro für den Einzelnen.

Dabei ist nicht auszuschließen, dass weitere Kosten auflaufen. Nach Auskunft von Detlef Gerdts, dem Leiter des Fachbereichs Umwelt und Klimaschutz, sind die PER-Konzentrationen im Grundwasser deutlich heruntergegangen. Jetzt sollen die Pumpen und Filter ein halbes Jahr lang abgestellt werden. Wenn die Werte nicht ansteigen, können die Beteiligten einen Schlussstrich ziehen.

Wo gibt es weitere Altlasten in Osnabrück? Mehr dazu im Internet unter www.noz.de
Bildtexte:
Mit der Sprengung des 38 Meter hohen Schornsteins verschwand im Juni 1982 das letzte Bauwerk der chemischen Reinigung Croon.
Boden und Grundwasservergiftet: Hier am Nonnenpfad stand die chemische Reinigung Croon.
Aus der Garage ragt ein Rieselturm, der seit 15 Jahren zur Anlage gehört, in der das Grundwasser gereinigt wird.
Fotos:
Gert Westdörp, Lahmann-Lammert

Chemisch rein, Boden vergiftet

Von 1892 bis 1982 wurde am Nonnenpfad die chemische Reinigung Croon betrieben. Das Unternehmen meldete 1979 Konkurs an. 1982 wurden die Betriebsgebäude abgerissen, am 12. Juni des Jahres fiel auch der 38 Meter hohe Schlot durch eine Sprengung. Das 2500 qm große Gelände wurde aufgeteilt in die Grundstücke Nonnenpfad 1, 3 und 5. Einen Altlastenverdacht hatte es zwar schon in den 80er-Jahren gegeben, dennoch durften die Häuser auf den Grundstücken 5 und 3 gebaut werden. Erst als 1994 auf dem Grundstück Nonnenpfad 1 ein weiteres Apartmenthaus entstehen sollte, wurde das Ausmaß der Bodenvergiftung offenkundig. 21 Jahre später will der Investor das damals gestoppte Bauvorhaben realisieren.

Der perfekte Fettlöser, aber krebserregend

Perchlorethylen (PER) ist eine farblose, nicht brennbare Flüssigkeit, deren Dämpfe schwerer als Luft sind. Wegen seiner hohen Fettlöslichkeit bietet sich PER seit vielen Jahrzehnten als Universalmittel für chemische Reinigungen an. Aber gerade wegen dieser Eigenschaft lagert sich der Stoff zugleich im Fettgewebe von Mensch und Tier an. PER gilt als krebserregend, seine Aufnahme durch den Körper kann Leber- und Nierenschäden, Unfruchtbarkeit und nervöse Störungen zur Folge haben.
Nach dem heutigen Stand der Technik wird PER aus diesen Gründen nur noch in geschlossenen Systemen verwendet, die mit Aktivkohlefiltern kombiniert sind.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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