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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
In den großen Fußstapfen einer grauen Eminenz
Zwischenüberschrift:
Die Temmestraße im Stadtteil Pye erinnert an den Bergwerksdirektor Karl Temme
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Karl Temme stand stets im Schatten seines Vorgängers: Bergwerksdirektor Johann Rudolf Pagenstecher hatte die Zeche am Piesberg groß gemacht. Als er anfing, beschäftigte sie 63 Arbeiter. Als er 1879 nach 48 Jahren ausschied, war daraus ein Industriebetrieb mit 1500 Bergleuten geworden. Temme übernahm die Leitung in einer schwierigen Zeit. Das Grubenwasser stieg, und der Kohlepreis fiel.
Es waren sehr große Fußstapfen, die wohl auch kaum ein anderer besser hätte ausfüllen können. Schließlich hatte Pagenstecher (1808– 1891) wichtige Weichenstellungen vorgenommen, die die Fördermengen nach oben brachten und halfen, den gewaltigen Kohle-Hunger der aufblühenden Industrie zu stillen: 1850 ließ er den Lechtinger Tiefstollen graben, er warb erfahrene Bergleute aus dem Harz an, er baute 1852 die Lechtinger Kaue und sorgte für die Zweigbahn zum Piesberg. Um 1850 stammten bis zu 48 Prozent der städtischen Einnahmen aus der Gewinnabführung des Bergwerks. Bis 1868 erhob Osnabrück daher keine Kommunalsteuer. 1872 gab Pagenstecher als 64-Jähriger das Amt des Bergmeisters und Bergwerksdirektors ab. Die Stadt als Eigentümerin des Bergwerks mochte aber auf seine langjährigen Erfahrungen nicht verzichten und behielt ihn noch sieben weitere Jahre in der Zechenleitung. Insofern ist nachvollziehbar, dass Pagenstecher auf dem Gruppenfoto aus der Zeit um 1875 die zentrale Position einnimmt und Karl Temme rechts neben ihm, obwohl seit drei Jahren offiziell erster Mann, wie sein Assistent wirkt.
Geboren in Eisleben
Temme kam am 16. Januar 1835 in Eisleben zur Welt. Die räumliche Nähe zum Mansfelder Revier zeichnete für ihn eine Karriere im Bergbau vor. Eine angesehene Stellung fand er im Saarbrücker Kohlebecken, wo er die staatliche Grube Friedrichsthal-Quierscheid leitete. Dort erhielt er 1872 den Ruf an den Piesberg.
Der Krieg von 1870/ 71 war gewonnen, die Wirtschaft blühte auf, und die Stadt wollte im erwarteten " Goldenen Zeitalter" von den Einnahmen aus einer abermals gesteigerten Kohleförderung profitieren.
Temme stellte die Bedingung, dass er der Repräsentant des Bergwerks nach außen sei und selbstständig entscheiden dürfe. Die " graue Eminenz" Pagenstecher wurde offiziell aus der Betriebsleitung genommen und in die städtische Bergwerkskommission versetzt. Temme erhielt eine Dienstwohnung am Breiten Gang mit einem Büro, das später in das Alte Rathaus verlegt wurde. Im Jahr nach Temmes Dienstantritt warf das Bergwerk 35 000 Taler an Ertrag ab. Man hoffte für die Zukunft durch den weiteren Ausbau der Eisenbahnlinien auf noch höhere Gewinne, baute noch 40 Doppelwohnhäuser für Bergarbeiter in der Kolonie Eversheide und " Schlafhäuser" für alleinstehende Gastarbeiter.
Bau des Stüveschachts
Unter Temme wurde 1873 der 210 Meter tiefe Stüveschacht an der Nordflanke des Piesbergs als zweiter Tiefbau nach dem Haseschacht begonnen. Temme setzte auf die hier anstehende Qualitätskohle in den tiefer liegenden Flözen, um der zunehmenden Konkurrenz besser begegnen zu können. Die Bauten über Tage wuchsen mit Maschinenhaus, Kesselhaus, Überbau des Dampfhaspels und dem Zechengebäude mit Werkstätten, Büros und Sozialräumen zu einem beachtlichen Areal an. Hier war nun auch genügend Platz für eine Reserve-Wasserhaltungsmaschine, für die am Haseschacht der Platz fehlte. Von alldem ist heute nur noch die Ruine des Schachthauses erhalten.
Am 29. Januar 1876 brachen große Wassermassen in den Stüveschacht ein und brachten den Betrieb zum Erliegen. Erst 13 Jahre später, nachdem das Bergwerk an die Georgsmarienhütte verkauft worden war, nahm man die Kohleförderung an dieser Stelle wieder auf.
Schwierige Zeiten
Neben dem Komplettausfall eines Schachts und ständigen Problemen mit der Wasserhaltung auch im Haseschacht machte ein weiterer Faktor der Bergwerksdirektion das Leben schwer: der Preisverfall. Erzielte man 1867 noch 40 Pfennig pro Zentner, waren es 1884 kaum noch kostendeckende 30 Pfennig. Die Kosten für die im Entstehen begriffenen Bergwerksbauten mussten durch Anleihen gedeckt werden, die Verschuldung nahm ihren Lauf.
Karl Temme hat 1885 in einer Schrift über die Entstehung des Bergbaus am Piesberg Rechenschaft über seine Arbeit abgelegt. Er stellte minutiös die Schichtleistungen der Bergleute den durchschnittlichen Erlösen im Laufe der Jahre gegenüber. Man darf darin den Versuch einer persönlichen Rechtfertigung sehen, dass er den Niedergang nicht aufhalten konnte. Er kündigte 1887 und zog nach Berlin, wo er am 11. Oktober 1903 starb.
1889 verkaufte die Stadt den Piesberg an den Georgsmarien-Bergwerks- und Hüttenverein. Dem gelang zunächst eine Steigerung der Fördermengen. Doch 1898 wurde die Zeche wegen mangelnder Rentabilität endgültig stillgelegt.
Bildtexte:
Das Gruppenbild zeigt die " Beamten" und Angestellten des städtischen Steinkohle-Bergwerks Piesberg um 1875 vor dem Haupteingang des (bis heute erhaltenen) Direktionsgebäudes an der Glückaufstraße. Als " graue Eminenz" sitzt der damals 67 Jahre alte Bergwerksdirektor a. D. Johann Rudolf Pagenstecher in der Mitte der Führungsriege. Rechts neben ihm: sein Nachfolger Karl Temme (1835–1903).
Die nach Karl Temme benannte Straße liegt wo sonst? in Pye.
Foto:
Archiv Museum Industriekultur, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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