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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Waschtag an der kalten Nette
Zwischenüberschrift:
Freigelassene Zwangsarbeiter nutzten Militärbadeanstalt für alltägliche Bedürfnisse
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Baden in und an der Nette hat in Osnabrück Tradition. Ab 1908 planschten unsere Urgroßväter und - mütter in den Wassern des Nette-Flusses oberhalb der Haster Mühle. Noch etwas weiter flussaufwärts richtete die Gemeinde Haste 1927 eine Badeanstalt unweit der Nackten Mühle ein, die im allgemeinen Sprachgebrauch nach dem Mühlenbesitzer Böhne " Böhnen Schwimmer" hieß. Ein flaches Becken daneben war dementsprechend " Böhnen Nichtschwimmer".

Ebenfalls in Haste, aber nicht in der Nette, sondern in den Fluten des Kanals konnte man ab 1922 beaufsichtigt schwimmen. Der Schwimmclub " Neptun" hatte nördlich der Römereschbrücke eine Badeeinrichtung geschaffen, die auch von den Volksschulen Haste und Eversburg genutzt wurde. Für die Kleinen gab es ein Planschbecken, eben " den Nichtschwimmer", außerhalb des Kanalbetts.

1956 war es mit dem Badespaß am Kanal vorbei. Das Ufer wurde zum Lagerplatz für Kies und Sand umgewidmet (heute Firma Bergschneider). 1973 feierte die Tradition des Badens an der Nette ein Comeback mit der Eröffnung des städtischen Nettebades an der Vehrter Landstraße.

Es gab aber noch ein weiteres " Nettebad" in Haste. Es spielte in der Öffentlichkeit keine Rolle, und als Normalsterblicher kam man auch gar nicht hinein. Gemeint ist die Militärbadeanstalt auf dem Kasernengelände Netterheide. Auf dem historischen Foto ist das Schwimmbecken zu sehen, das fast bis an den ehemaligen Flugzeughangar heranreichte.

Die Menschen am Beckenrand sind jedoch keine Soldaten und auch keine normalen Badegäste. Fürs Baden ist es auch wohl ohnehin noch zu kalt, wie der jahreszeitliche Zustand der Bäume andeutet. Vermutlich im Frühjahr 1946 sehen wir befreite osteuropäische Zwangsarbeiter, die vorübergehend in den Winkelhausen-Kasernen untergebracht waren, beim Wäschewaschen, Trocknen und Bleichen.

Nach der Befreiung im April 1945 hatten die britischen Besatzer rund 10 000 ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Stadt und Land in der zu einem Auffanglager umfunktionierten Kaserne zusammengezogen, um sie von hier aus geordnet in ihre Heimatländer zurückführen zu können. Franzosen, Belgier oder andere Westeuropäer konnten sofort nach Kriegsende in ihre Heimat zurückkehren. Bei Russen, Ukrainern, Polen, Letten und Litauern hingegen war das nicht so einfach. Ein Mangel an Transportkapazitäten und unzureichende Verkehrsverbindungen waren nicht die einzigen Gründe, denn viele wollten gar nicht zurück. Unter den Polen und Balten hatte sich herumgesprochen, dass sich in ihrer Heimat die Rote Armee festgesetzt hatte, was eine Rückkehr wenig attraktiv machte. Staatsbürger der UdSSR befürchteten, vielfach zu Recht, dass sie nicht zu ihren Familien kommen würden, sondern nach Sibirien. Unter dem Vorwurf, sie hätten mit dem faschistischen Feind kollaboriert, wurden viele zu langjähriger Lagerhaft und Zwangsarbeit verurteilt. Die Sklavenarbeit in Deutschland hatten sie überlebt, nun gingen viele von ihnen im stalinistischen Gulag im eigenen Lande zugrunde. Von düsteren Vorahnungen beseelt, versuchten einige Russen, sich der Rückführung zu entziehen und versteckten sich zeitweilig in den Steinbrüchen des Piesbergs.

Andere holten sich das, was sie lange hatten entbehren müssen, von der wehrlosen Zivilbevölkerung besonders auf den Höfen. Es kam zu schweren Plünderungen, Diebstählen und Gewalttaten.

Petrijünger versuchten mit Angeln und Netzen ihr Glück im Stichkanal. Einigen war das zu mühselig. Sie öffneten im Mai 1945 kurzerhand an der Haster Schleuse die Schotten und ließen damit das Wasser aus Kanal und Hafen ablaufen, um im verbliebenen Rinnsal die Fische mit den Händen einsammeln zu können. Die Folge waren starke Schäden an den Böschungen. Die Schifffahrt konnte erst im Frühjahr 1946 wieder aufgenommen werden. Wido Spratte beschreibt in der Haster Chronik, dass die britische Besatzungsmacht ganz offensichtlich die Folgen des Hasses unterschätzt hatte, der sich bei diesen Opfern des NS-Regimes durch jahrelange Unterdrückung angestaut hatte. Erst 1947 gelang es ihr, die Sicherheit der Haster Bevölkerung einigermaßen wiederherzustellen.
Bildtexte:
Große Wäsche in der Netterheide: Vermutlich im Frühjahr 1946 nutzen ehemalige Zwangsarbeiter das Schwimmbecken-Wasser zum Reinigen ihrer Kleidung und die Wiese zum Bleichen. Im Mittelgrund der ehemalige Flugzeug-Hanger mit der etwas verwaschenen Landeplatz-Beschriftung " Osnabrück", im Hintergrund der Piesberg. Das Foto stammt aus dem Besitz des Imperial War Museum in London, Entnommen ist es aus dem Band " Osnabrück 1945-1955, Stadtgeschichte in Bildern" von Wido Spratte, Verlag Wenner, 2005.
Eine Straßenbaufirma hat heute an gleicher Stelle ihren Materiallagerplatz. Sie hat den denkmalgeschützten Flugzeughangar äußerlich annähernd in den Originalzustand zurückversetzt.
Foto:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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