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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Foltern in städtischem Auftrag
Zwischenüberschrift:
Das "Alte Rathaus" wurde nach Kriegszerstörungen nicht wiederaufgebaut
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Journalisten, die überlange Ratssitzungen verfolgen müssen, haben vielleicht auch schon einmal an Folter gedacht. Doch dass eine offizielle Folterkammer im Dienste der Rechtspflege im Rathaus eingerichtet war, ist Gott sei Dank lange zurückliegende Geschichte.

Das Alte Rathaus war Schauplatz dieser Geschichte. Es wurde erstmals 1244 erwähnt und gehörte damit zu den ältesten Rathäusern Deutschlands. Über Jahrhunderte war es das einzige öffentliche Gebäude der Stadt und neben der Marktkirche St. Marien Zentrum des öffentlichen Lebens. Alle Funktionen wie Verwaltung, Rechtspflege und Repräsentation mussten hier Platz finden. Und noch viel mehr: Zu ebener Erde waren links die Verkaufsstände der Bäcker angeordnet, rechts die der Fleischer. Durch das mittlere Tor gelangte man über eine Treppe in einen großen Saal, den Sitz des Burgrichters. Auch Jahrmärkte wurden anfangs hier abgehalten. Tür an Tür direkt dahinter lagen die Gefängnisse und besagte Folterkammer.

Mit der Fertigstellung des " neuen" Rathauses 1512 im vergangenen Jahr feierten wir seinen 500. Geburtstag verlor das Alte Rathaus einen Teil seiner behördlichen Funktionen, gewann aber neue hinzu, nachdem man zu seiner Vergrößerung die benachbarten Akzisebuden abgerissen und von 1619 bis 1622 zwei stattliche Renaissancebauten, das Legge- und das Akzisehaus, errichtet hatte. Im ersten Stock waren die Häuser miteinander verbunden. Der sich daraus ergebende große Raum diente als " Redoutensaal" dem Empfang wichtiger Gäste und den Zünften bei ihren großen Feierlichkeiten. Auch war hier der Ort, wo die gesamte Bürgerschaft den neuen Rat wählte und symbolhaft den Zusammenhalt zum Besten der Stadt stets aufs Neue besiegelte. Erst im 18. Jahrhundert wurde die Zeremonie des " Handgiftentages" in das neue Rathaus verlegt.

Das Alte Rathaus war kein " Behördenhaus" im heutigen Sinne, sondern es diente den Bedürfnissen einer freien, selbstverwalteten Bürgerstadt. So vereinigte es in sich Räume für das Wirtschaftsgeschehen wie Verkaufsbuden und kleine lokale Börsen mit solchen der städtischen Selbstverwaltung und Rechtsprechung wie Ratssaal, Räumen für Zünfte und Innungen, Gerichtssaal und Gefängnis.

Daneben war auch Platz für die Selbstdarstellung. Empfangsräume mit Skulpturenschmuck, kostbaren Möbeln und Gemälden sollten dem Besucher die Bedeutung der Stadt und ihre weitreichenden Handelsbeziehungen vor Augen führen.

Charakteristisch für den Pragmatismus (und die begrenzten Mittel) der Zeit war, dass es keine strenge Funktionsteilung zwischen den verschiedenen Räumen gab. Sie wurden je nach Anlass unterschiedlich genutzt.

Zwischen 1820 und 1836 wurden sowohl das Alte Rathaus Markt 1 als auch Legge- und Akzisehaus Markt 2/ 3 abgerissen beziehungsweise umgestaltet. Die Südwestecke des Marktes erhielt das Aussehen, wie es Rudolf Lichtenberg auf der historischen Fotografie von 1903 festgehalten hat. Das neue Alte Rathaus an der Ecke zur Krahnstraße mit den Rundbogen-Portalen, ein ansonsten weitgehend schmuckloser Baukörper, war 1903 schon etwas in die Jahre gekommen. Vielleicht war es Anlass für die Aufnahme, die städtischen Kollegien zur Mittelbewilligung für die Erneuerung von Putz und Anstrich zu bewegen. Lichtenber hat für das Bild zahlreiche " Amtspersonen" in den Fenstern und vor dem Gebäude Aufstellung nehmen lassen.

Das Gebäude beherbergte neben städtischen Dienststellen zeitweise die Legge, die Realschule, das Salzmagazin, die Volksbibliothek und die " Norddeutsche Bierhalle". Ab etwa 1860 wurde im Obergeschoss im Advent der Christmarkt abgehalten, ein Vorläufer des Osnabrücker Weihnachtsmarkts. Darüber schreibt Chronist Hermann Schröder: " Es war ein feiner Markt, der von allen Bürgerklassen besucht wurde; dort trafen sich der reiche und der kleine Mann; alle drängelten gemütlich durcheinander in den mit großen Öfen durchheizten Räumen."

Der zinnengekrönte Bau links daneben war zeitweilig Sparkasse, Gefängnis und Kämmereikasse. Beide Gebäude erhielten im Krieg schwere Bombentreffer. Die Stadtväter hielten die alte Architektur nicht für wiederaufbauwürdig. Anders als bei den sich nach links anschließenden Giebelhäusern entschieden sie sich für einen modernen Ersatzbau, in den 1961 die Stadtkasse einzog. Der moderne " Kracher" inmitten althergebrachter Baustile sorgte damals für heftige Diskussionen. Seit 1996 ist hier die Stadtbibliothek untergebracht.
Bildtexte:
Das Alte Rathaus, hier in seinem Aussehen von 1903, wurde vielfältig genutzt: als Weihnachtsmarkt und Folterkammer, als Sparkasse und Tuchhandelsbörse.
Der Neubau der Stadtkasse trat 1959 an die Stelle des kriegszerstörten Alten Rathauses. Heute wird er überwiegend von der Stadtbibliothek genutzt.
Fotos:
Rudolf Lichtenberg (Archiv Museum Industriekultur), Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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