User Online: 2 | Timeout: 04:18Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Seine Schule durch schwere Zeiten gesteuert
Zwischenüberschrift:
Die Fortlagestraße im Stadtteil Widukindland erinnert an den einstigen Direktor des Ratsgymnasiums
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. In der bisher 427 Jahre langen Geschichte des Osnabrücker Ratsgymnasiums war Johann Heinrich Benjamin Fortlage einer der bedeutendsten Direktoren. Er vollzog die Wende von der Gelehrtenschule alten Schlages, die sich vornehmlich mit den " toten" alten Sprachen befasste, hin zu einer allgemeinen Bürgerschule, in der auch neue Sprachen, deutsche Literatur und Naturwissenschaften ihren Platz hatten.

Als Fortlage als Lehrer an die Schule kam, die er auch schon als Schüler durchlaufen hatte, war die Schülerzahl auf 57 und damit auf ihren Tiefpunkt gesunken. Die von ihm angestrengte Neuorientierung führte bald zu einer Vervierfachung dieser Zahl, und das trotz widrigster Begleitumstände, die die französische Besatzungszeit zwischen 1803 und 1813 mit sich brachte. Truppendurchzüge, Einquartierungen, finanzielle Forderungen und wechselnde Obrigkeitsstrukturen hielten den Rat der Stadt davon ab, sich angemessen um " seine" Schule, den protestantischen Gegenentwurf zu dem älteren Gymnasium Carolinum, kümmern zu können.

Als Napoleon schließlich geschlagen und die Zeit der Fremdherrschaft vorüber war, brachen auch für das Ratsgymnasium bessere Zeiten an. Fortlage und seine Fürsprecher in der Bürgerschaft verstanden es, die Gunst der Hannoverschen Regierung auf die Schule zu lenken. Allen Lehrern wurde eine Gehaltsaufbesserung gewährt. Aber viel wichtiger noch: Das Ratsgymnasium bekam die ehemalige von Böselager′sche Kurie am Domhof als neuen Schulstandort geschenkt. Bürgermeister Stüve soll von eigener Hand Zeichnungen für den Umbau des heruntergekommenen Adelssitzes gefertigt haben.

222 Jahre lang, von den Gründungstagen im Jahr 1595 bis zum 24. Oktober 1817, war ein beengtes kleines Schulhäuschen hinter der Marienkirche Sitz der Schule gewesen. Der Umzug an den Domhof an die Stelle, wo heute das Theater steht, war ein Freudentag sondergleichen für die Schule. Um 10 Uhr versammelten sich sämtliche Lehrer und Schüler und die Honoratioren der Stadt noch einmal im alten Gebäude hinter der Kirche, " in jenem dumpfen Winkel, den die Sonne so recht nicht finden konnte", wie es in einer zeitgenössischen Schilderung heißt. Jeder Raum, jede Treppe war bis hinunter auf den Marienkirchhof voll gedrängt. " Eine ernste, feierliche Instrumentalmusik eröffnete die Trennungsszene. Dann sprach Rektor Fortlage in einer Abschiedsrede den Dank gegen die Stifter, Patrone und entschlafenen Lehrer der Schule aus und schloss mit inbrünstigem Dank gegen die Vorsehung, die 222 Jahre lang die Stätte bewacht und bewahrt hatte. Unmittelbar darauf erscholl unter festlicher Posaunenbegleitung Nun danket alle Gott′, das mit herzerhebender Andacht und tiefer sichtbarer Rührung von allen Anwesenden mitgesungen wurde."

Für Fortlage war es wohl der sichtbare Höhepunkt seiner Karriere. Am Neujahrstag 1770 geboren, lernte er auf dem Ratsgymnasium Latein, Griechisch und Hebräisch, aber auch Englisch und Italienisch. Er studierte Theologie und Philologie in Göttingen. 1792 berief ihn der Rat der Stadt als Lehrer ans Ratsgymnasium. Nach einem Zwischenspiel auf der dritten Pfarrstelle an St. Marien kehrte er 1798 als Konrektor an die Schule zurück. Schulleiter war sein älterer Bruder Franz Arnold Fortlage. Als dieser 1816 starb, beerbte Johann Heinrich Benjamin Fortlage ihn in der Schulleitung, die er bis in sein Todesjahr 1841 ausfüllte.

Doch zurück zu jenem Umzugstag im Jahr 1817: Lehrer und Schüler zogen, vom Rektor angeführt, " in feierlicher Ordnung durch die mit sanftem Orgelgesange sie begrüßende Marienkirche", wieder hinaus zum Markt und über die Domstraße nach dem neuen Gymnasialgebäude, wo sie " unter Pauken- und Trompetenschall" von den in der Aula versammelten Behörden in Empfang genommen wurden. Fortlage hielt eine Rede unter dem Thema: " Wie das Gymnasium seine Dankbarkeit und Freude über den neuen Lehrsitz auf die würdigste Art beweisen kann". Die Gymnasiasten brachten am Abend des Weihetags den Behörden, den Lehrern und ihrem Direktor Fortlage bei Fackelschein und fröhlicher Musik ein " Vivat!" dar.

Nicht ganz hundert Jahre blieb das Ratsgymnasium am Domhof, bis der Platz für den Neubau des Stadttheaters geräumt werden musste und die Schule im Jahr 1906 ihr neues, bis heute bestehendes Domizil am Schlosswall bezog und sich dort zum größten Gymnasium der Stadt, wie es auf ihrer Internetseite heißt, entwickelte.
Bildtexte:
Die Geschichte des Ratsgymnasiums geht zurück auf das Jahr 1595. Der heutige Schulstandort an der Hans-Böckler-Straße wurde im Jahr 1906, 65 Jahre nach Fortlages Tod, bezogen.
Der alte Standort der Schule am Domhof. Heute steht an dieser Stelle das Theater.
Die nach Fortlage benannte Straße befindet sich im Stadtteil Widukindland.
Bedeutender Rektor des Osnabrücker Ratsgymnasiums: Johann Heinrich Benjamin Fortlage (1770–1841).
Foto:
Jörn Martens, Archiv, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


Anfang der Liste Ende der Liste