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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die "Schinkeler Universität"
Zwischenüberschrift:
Das Gebäude der früheren Backhausschule gibt es seit 100 Jahren
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Der 100. Geburtstag der Backhausschule geht in diesem Jahr ohne großes Tamtam über die Bühne. Das ist nachvollziehbar, denn man könnte höchstens dem Gebäude an der Hackländerstraße zum Hundertsten gratulieren. Die Institution Backhausschule gibt es schon seit 1988 nicht mehr.

Beim Fünfzigsten war alles noch ganz anders. Am 17. März 1965 fanden sich Vertreter der Stadt, der Kirchen, Lehrer, Eltern, Ehemalige und Schüler zu einem großen Festakt in der Turnhalle ein. Schulchor und - orchester intonierten den vierstimmigen Satz " Nun danket alle Gott" von Johann Sebastian Bach, und Mittelschulrektor Otto Bergmann sprach über " Tradition als Verpflichtung". Dabei spannte er einen weiten Bogen von Karl dem Großen als Verkörperung des abendländischen Erbes bis zum Namensgeber der Schule, dem Schulinspektor Johann Christoph Nikolaus Backhaus, der die neue Zeit begriffen habe. " Auf diesen beiden starken Pfeilern möchten wir das Leben der Backhausmittelschule gegründet wissen, auf dass der Flugsand jeweiliger Jahrzehnte ihm nichts anhabe", proklamierte Otto Bergmann.

Kaiser Karl, den man eigentlich eher mit dem Gymnasium Carolinum in Verbindung bringen würde, war zu einer Art Galionsfigur geworden, nachdem die Holzskulptur des " Nagel-Kaisers" als Relikt einer Spendenaktion des Ersten Weltkriegs eher zufällig ihren Standort in der Schule gefunden hatte. " Brüder, reicht die Hand zum Bunde" wurde als Abschluss des Festakts von Gästen und Schulchor gemeinsam gesungen.

Heute wissen wir, dass der Flugsand der Geschichte doch mächtiger war. Die Anmeldezahlen der isoliert außerhalb eines Schulzentrums und damit außerhalb einer als Zubringer dienenden Orientierungsstufe gelegenen Anstalt sackten gefährlich ab. Die SPD-Ratsfraktion sprach sich 1983 für eine Verlagerung zum Schölerberg aus, weil der dortigen O-Stufe eine weiterführende Realschule fehle. Die CDU war dagegen. Sie sah genau wie Elternschaft und Lehrer sehr wohl eine Überlebenschance am bisherigen Standort, wenn nur die " leidige Propaganda" für die Schulzentrenbildung aufhöre. Die Schule, die 1984 noch 200 Schüler in den Klassen 7 bis 10 hatte, wies in einer Presseerklärung auf ihre Vorteile hin: " Zentral gelegen, keine Mammut-Schule, kleine Klassen, vollständiges Raumangebot, eigene Turnhalle".

Allein, es nützte nichts. 1987 gab es ganze zehn Anmeldungen für das neue Schuljahr. Kultusdezernent Siegfried Hummel nahm kein Blatt vor den Mund: Eingekeilt zwischen zwei attraktiven Schulzentren, nämlich den bischöflichen Schulen am Dom und der Gesamtschule Schinkel, sei diese Schule nun leider " am Ende". CDU/ FDP lenkten ein, und zum 1. August 1988 wurde die Backhausschule räumlich und organisatorisch in die Möser-Realschule integriert. 70 Schüler, 8 Lehrkräfte mitsamt ausgestopften Bussarden und weiteren Exponaten der naturkundlichen Sammlungen sowie einem Backhaus-Porträt in Öl hielten an der Hakenstraße Einzug.

Die Berufsbildenden Schulen (BBS) am Pottgraben hatten große Raumnot, und daher war schon 1985 eine kleine Außenstelle im Backhausschulgebäude eingerichtet worden. Die konnte sich nun weiter ausbreiten. Zusätzlich fand eine einzügige " Backhaus-Grundschule" Platz. Die wurde wegen Schülermangels allerdings 2009 wieder geschlossen, sodass seitdem die BBS allein in dem denkmalgeschützten Gebäude residieren. Bis 2011 investierte die Stadt noch einmal kräftig. Sie steckte 2, 3 Millionen Euro in eine Grundsanierung und in eine neue Turnhalle.

Am 15. April 1915 läutete die Schulglocke zum ersten Mal. Bei der Einweihung wurde die " Evangelische Bürgerschule" wegen ihrer vom Jugendstil inspirierten Architektur zu einer der schönsten in Osnabrück erklärt. Der nördliche Ziergiebel, links auf dem Foto, blieb glücklicherweise erhalten, als am 9. Februar 1943 ein Bombenvolltreffer etwa zwei Drittel der Gebäudesubstanz vernichtete. Das Rektorenhaus mit dem charakteristischen Mansarddach, vorne rechts im Bild, war bald wieder bewohnbar, aber der Gesamt-Wiederaufbau einschließlich Turnhalle zog sich stufenweise noch bis 1963 hin. Die Rekonstruktion hielt sich recht eng am Original. Der rechte Ziergiebel mit seinen Schmuckelementen wurde allerdings nicht wieder aufgeführt, der Dachreiter mit der Schuluhr nur in vereinfachter Form.

Namensgeber Johann Christoph Nikolaus Backhaus (1826–1897) war von 1867 bis 1895 Schulinspektor in Osnabrück. Seine " Schriften für die Bürger- und Volksschulen" galten als richtungsweisend für die Entwicklung eines moderneren Schulwesens. Die Stadtväter stellten die neue " geistige und charakterliche Formungsstätte" gern in seine Tradition. Oberbürgermeister Rißmüller sagte zur Weihe: " Die Pforten des neuen Hauses sind geöffnet. Möchte eine frische, fröhliche Jugend, erfüllt mit Gottesfurcht, Königstreue und Vaterlandsliebe, in dieses Haus eintreten."

Das tat sie, wenn auch über getrennte Eingänge für Mädchen und Knaben. Ein besonderer Schulgeist wird in den Erinnerungen ehemaliger Schüler häufig beschworen, der ihnen allen in den schweren Zeiten von der Monarchie über die Diktatur zur Demokratie eine verlässliche Orientierung geboten habe. Weshalb der Volksmund auch wohl von der " Schinkeler Universität" sprach das heute im Stadtteil Gartlage gelegene Schulgelände gehörte ursprünglich zur Gemarkung Schinkel. Lehrerpersönlichkeiten wie der stadtbekannte Hiärm Grupe, der drei Jahrzehnte an der Schule lehrte, haben ihren Teil dazu beigetragen.
Bildtexte:
Einsamer Prachtbau, ringsum alles noch recht kahl: die Backhausschule an der Hackländerstraße auf einem vor 1925 entstandenen Foto.
Nach der Kriegszerstörung wurde das 1915 eröffnete Schulgebäude eng am Original wiederaufgebaut.
Den alten Knabeneingang überkrönt ein Schlingel in 7/ 8-Hosen und Holzpantinen.
Fotos:
Rudolf Lichenberg, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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