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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Gericht: Pleite-Verleger handelte gewissenlos
Zwischenüberschrift:
Wer muss am Ende zahlen? Richter in Osnabrück und Münster urteilen gegensätzlich
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Wer muss am Ende für die Machenschaften bei der insolventen " Osnabrücker Sonntagszeitung" bezahlen: der laut Gericht " gewissenlose" Ex-Verleger oder die Medienbrief-Inhaber? Die Gerichte in Osnabrück und Münster geben gegensätzliche Antworten.

Mehrere Hundert Medienbrief-Inhaber verfolgen verunsichert die juristische Aufarbeitung der Unternehmenspleite. Das Landgericht Münster sagt in einem aktuellen, rechtskräftigen Urteil: Die Medienbrief-Inhaber sind als stille Gesellschafter zu betrachten und müssen sich mit ihrer Einlage und mit den zu viel gezahlten Ausschüttungen an den Verlusten des Verlages beteiligen. Das Landgericht Osnabrück und das Oberlandesgericht Oldenburg stellen genau das Gegenteil fest: Ex-Verleger Norbert Fuhs ist allein verantwortlich, weil er die Anleger täuschte und mit den Medienbriefen ein Einlagegeschäft betrieb, für das er keine Erlaubnis besaß.

Warum dieser Gegensatz? Weil Fuhs seinen Geschäftspartnern etwas anderes erzählte, als in den Verträgen vereinbart war. Das Münsteraner Gericht legt seiner Entscheidung den Vertrag zugrunde, den der Verleger mit den Geldgebern abschloss. Die Schriftform ist in der Tat eindeutig. Wer Medienbriefe zeichnete, wurde damit zum stillen Gesellschafter was aber wohl keiner wirklich realisierte. Die Osnabrücker Kammer und das Oberlandesgericht Oldenburg bewerten dagegen die mündlichen Zusagen und das tatsächliche Handeln des ehemaligen Zeitungsverlegers höher.

Insolvenzverwalter Klaus Niemeyer, der die Enorm Verlagsgesellschaft abwickelt, fordert von etwa 500 stillen Gesellschaftern des Zeitungsunternehmens insgesamt rund eine Million Euro zurück, die nach seiner Einschätzung in den letzten vier Jahren vor der Insolvenz zu Unrecht an die Inhaber der Medienbriefe ausgezahlt wurden. Es handelt sich um " Vorabvergütungen auf zu erwartende Gewinne", wie es in den Verträgen hieß. Aber weil die Enorm Verlagsgesellschaft mindestens seit 2001 keine Gewinne mehr erzielte, hätten diese Vorabvergütungen nicht ausgeschüttet werden dürfen. Der Insolvenzverwalter bewertet diese Auszahlung deshalb als Schenkungen, die er für vier Jahre rückwirkend einfordert. Das Geld soll in die Insolvenzmasse eingehen.

Das Landgericht Münster ist der Darstellung des Insolvenzverwalters in vollem Umfang gefolgt. Es verurteilte einen Medienbrief-Inhaber zur Rückzahlung von insgesamt 9401, 11 Euro (plus Zinsen), die dieser als Vorabvergütung erhalten hatte. Von den insgesamt etwa 500 Betroffenen haben bislang etwa 200 gezahlt. Den 300 Verweigerern droht Insolvenzverwalter Niemeyer mit Hinweis auf das Münsteraner Urteil mit Klage.

Anwalt Dimitri Rimscha, der etwa 150 Medienbrief-Geschädigte vertritt, sieht etwaigen Klagen gelassen entgegen. Er beruft sich auf Urteile des Landgerichts Osnabrück in Zivilklagen gegen Fuhs und deren aktuelle Bestätigung durch das Oberlandesgericht in Oldenburg. Beide Instanzen kommen zu dem Schluss, dass der Verleger ein " erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft" betrieb. Dass Fuhs nach Meinung der Richter keine Erlaubnis für Bank- und Einlagengeschäfte besaß, ist dabei nur ein juristischer Teilaspekt. Wichtiger ist, wie das Oberlandesgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht Osnabrück das Geschäftsgebaren des Ex-Verlegers beurteilt: Fuhs habe " gewissenlos" unkundige und börsenunerfahrene Kleinanleger in die Irre geführt. Er habe in den Beratungsgesprächen, seinen Werbeschreiben und Anzeigen den Eindruck erweckt, die Medienbriefe seien festverzinsliche Kapitalanlagen, und die tatsächlichen Risiken verschleiert. Deutlich werde das auch daran, dass Fuhs Ende der Neunzigerjahre zunächst Darlehnsverträge mit den Anlegern abgeschlossen hatte, bis die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) einschritt. Fuhs habe danach zwar die Verträge, aber nicht die Praxis geändert.

Das OLG hat keinen Zweifel, dass der Enorm Verlag mindestens seit 2001 überschuldet war. Weil Fuhs die Anleger jahrelang über die tatsächliche Situation des Unternehmens täuschte, sieht das OLG Oldenburg " den Vorsatz einer sittenwidrigen Schädigung".

Alle Hintergründe zur Zeitungspleite: www.noz./ de/ osz
Bildtext:
Die Osnabrücker Sonntagszeitung finanzierte sich durch Medienbriefe, die Privatanleger im Wert von 5000 Euro zeichnen konnten. Ausgezahlt wurden " Renditen" von 4, 75 bis 6, 15 Prozent, obwohl der Verlag seit 2001 keine Gewinne machte. Anfang 2013 stellte der Verleger Insolvensantrag.
Foto:
Jörg Martens

Kommentar
Zwei Wahrheiten

Recht und Gerechtigkeit finden nicht immer zueinander. So ist es offenbar auch im Fall des Medienbriefinhabers, der das Pech hatte, in Münster verklagt zu werden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Urteil der dortigen Zivilkammer ist nicht zu beanstanden, denn die Medienbrief-Verträge sind eindeutig, und hätten die leichtgläubigen Zeichner sich vor ihrer Unterschrift genauer informiert, wären sie wohl nicht in die Falle getappt.

Aber die Münsteraner Richter haben nur die eine von zwei Wahrheiten zur Kenntnis genommen. Die andere Wahrheit ist: Der Vertragstext war so weit weg von der gelebten Wirklichkeit wie die Sonntagszeitung von der Gewinnzone. Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat in zahlreichen Verfahren den Ex-Verleger angehört und zweifelsfrei festgestellt, dass dieser die unerfahrenen Geldgeber über das wahre Risiko der Anlage getäuscht hatte. Er gaukelte ihnen vor, der Medienbrief sei sicher wie ein Sparbuch und die Sonntagszeitung eine Goldgrube.

Stellt sich die Frage, ob der Staatsanwalt doch noch die eine Wahrheit findet und Anklage erhebt.
Autor:
Wilfried Hinrichs


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