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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wenn drei sich streiten …
Zwischenüberschrift:
Warum die Steuerbehörde im Fall Karmann gegen Karmann die besten Karten in der Hand hält
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Was würden Sie mit 160 Millionen Euro machen? Halt! Fangen Sie besser erst gar nicht an, darüber nachzudenken. Denn eigentlich wollen wir Ihnen hier die Geschichte von Ottmar Hermann erzählen. Dem Insolvenzverwalter des pleitegegangenen Osnabrücker Autobauers Karmann. Er hat diese Summe auf seinem Konto. Nur ausgeben darf er davon keinen Cent.

Eines Tages war das Geld da. Überwiesen von den Karmann-Gesellschaften. Jahrelang hatte Hermann mit denen gestritten. Erst vor dem Landgericht Osnabrück, später in nächster Instanz vor dem Oberlandesgericht Oldenburg. Zweimal ging er als Sieger aus den Verfahren hervor. Nur gewonnen hat er deswegen noch lange nicht.

Sowohl in Osnabrück als auch in Oldenburg hatte man ihm die Summe zugesprochen. Das Geld hatte sich über Jahre angehäuft: Karmann war aufgespalten in zwei Gesellschaften. Die eine produzierte die Autos, der anderen gehörten Gebäude und Maschinen. Auf einer DIN-A4-Seite hatte man festgehalten, dass die Produktionsgesellschaft stellvertretend für die Besitzgesellschaft die Steuern ans Finanzamt abführte. Das ging so lange gut, bis die Produktionsgesellschaft pleiteging.

Über die Jahre waren 160 Millionen Euro zu viel an den Fiskus gezahlt worden. Dummerweise überwies das Finanzamt diese Summe aber auf das Konto der Besitzgesellschaft. So nicht, dachte sich Hermann, der das Geld für seine Gläubiger haben wollte. Schließlich war es ja seine Pleite-Gesellschaft, die immer die Steuern gezahlt hatte. Die Besitzgesellschaft wollte das Geld aber nicht mehr hergeben, und so kam es dann zum Rechtsstreit.

Während sich die Parteien stritten, klingelte bei der Besitzgesellschaft irgendwann das Finanzamt Osnabrück. Man wolle das Geld doch ganz gerne wiederhaben. Zwischenzeitlich hatte die Behörde sich überlegt: Wenn die steuerzahlende Gesellschaft pleite ist, dann können wir ja die noch existierende Besitzgesellschaft in Ausfallhaftung nehmen für offene Steuerzahlungen. Wie viel das Finanzamt haben will, ist nicht bekannt. Doch irgendwo im Bereich von 160 Millionen Euro wird die Forderung wohl liegen.

Die Behörde selbst redet nicht gerne darüber. Genauso wenig die Vorgesetzten in Hannover. Das fällt unters Steuergeheimnis″, werden Anfragen im Finanzministerium zurückgewiesen. So viel ist aber zu erfahren: Freiwillig will die Besitzgesellschaft das Geld nicht rausrücken. Und da wiederum liegt das Problem für Insolvenzverwalter Hermann. Erst wenn der Streit zwischen Besitzgesellschaft und Finanzamt gelöst ist, steht fest, wie es für ihn weitergeht.

Denn die Richter am Oberlandesgericht in Oldenburg hatten den enormen Betrag per Urteil quasi festgefroren. Sie hatten die 160 Millionen Euro zwar Hermann zugesprochen. Ausgeben darf er das Geld aber nur dann, wenn geklärt ist, wie der Streit zwischen Besitzgesellschaft und dem Finanzamt ausgeht. Es wäre nämlich denkbar, dass die Gesellschafter an die Behörde zahlen müssten. Auf einen Schlag wäre kein Geld mehr zur Begleichung der Forderungen des Insolvenzverwalters da. Und die Gesellschafter wären ebenfalls von der Pleite bedroht. Das geht nicht, fanden die Richter in Oldenburg.

Und so kann Hermann nur warten. In der Zwischenzeit hat er Revision eingelegt gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes. Genauso wie die Besitzgesellschaft. Weil die ja wusste, dass Hermann das Geld nicht ausgeben darf, überwies man den Betrag. Und legte ebenfalls Revision ein. Und damit wurde der Streit Karmann gegen Karmann zum Fall für den Bundesgerichtshof.

Eröffnet dieser das Verfahren, kann es noch bis 2014 dauern, bevor überhaupt die Verhandlung beginnt, schätzen Kenner. Ein Urteil ist dann noch lange nicht in Sicht. Gut möglich, dass die Richter in Karlsruhe das Verfahren auch erst einmal aussetzen, um zu schauen, wie der Streit Karmann gegen Finanzamt ausgeht.

Der läuft ja schon länger im Hintergrund unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wird keine Einigung erzielt, etwa dadurch, dass die Gesellschafter das Geld einfach dem Insolvenzverwalter überlassen, müsste das Finanzgericht Hannover angerufen werden. Und wie das mit Gerichtsverfahren dieser Größenordnung so ist, dauern sie häufig lange.

Auch wenn das in Hannover im Finanzministerium niemand zugeben würde: Die besten Karten hält das Finanzamt Osnabrück in der Hand. Rein rechnerisch. Denn auch wenn vielerorts Unverständnis über die Forderungen geäußert wurde (Richter am OLG: Was das Finanzamt da macht, können wir auch nicht ganz nachvollziehen″), besteht ja immer noch die Möglichkeit, dass die Behörde recht und damit die geforderte Summe bekommt. Die Gesellschafter und auch Hermann stünden dann mit leeren Händen da.

Doch selbst bei einer Niederlage gegen die Gesellschafter geht das Finanzamt im Gegensatz zu Hermann nicht leer aus. Denn: Gewinnen die Gesellschafter vor dem BGH gegen Hermann, dann fallen Steuern auf die 160 Millionen Euro an. Etwa 70 bis 80 Millionen Euro müssten an den Fiskus abgegeben werden, schätzen Kenner.

Und dann bliebe da noch Möglichkeit drei: Insolvenzverwalter Hermann bekommt das Geld. Dann wäre das Finanzamt ganz gewöhnlicher Gläubiger und könnte seine Ansprüche zur Insolvenztabelle anmelden. Das hätte natürlich Auswirkungen auf alle anderen Gläubiger wie etwa die Ex-Karmann-Angestellten: Ihr Anteil an der Insolvenzmasse würde zusammenschrumpfen.

Aber all das ist Zukunftsmusik. Es kann noch Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis feststeht, wie es im Fall Karmann gegen Karmann gegen Finanzamt weitergeht. Auf dem Konto von Insolvenzverwalter Hermann wächst derweil der Geldberg. Denn täglich tickt die Zinsuhr.
Autor:
Dirk Fisser


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