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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Fahrradschläuche neben Apfelsinen
Zwischenüberschrift:
Am Kirchenkamp 14 werden seit 100 Jahren Zweiräder verkauft
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. In Fahrradläden muss es nach Gummi riechen, das geht gar nicht anders. Doch was ist, wenn im selben Laden Bananen und Apfelsinen verkauft werden? Leider können wir heute keinen Kunden mehr nach den Dufterlebnissen befragen, die ihm vor hundert Jahren in die Nase stiegen, wenn er das " Fahrräder & Colonialwaren"- Geschäft von Heinrich Pott an der Ecke von Kirchenkamp (damals noch: Blumenhaller Weg) und Augustenburger Straße betrat.

1904 ließ Pott das Doppelhaus in das noch weitgehend unbebaute Gartenland vor dem Martinitore stellen. Er hatte sich besonders weit nach Westen hinausgewagt. Eigentlich ging die westliche Stadterweiterung nach der Aufhebung des Festungsgebots und dem Schleifen der Wälle schrittweise von Ost nach West vor sich. 1869 wurde ein erster Bebauungsplan mit der Katharinenstraße als zentraler Achse aufgestellt. Zuerst füllten sich Arndt-, Herder- und Uhlandstraße mit Häusern, später folgten Adolf-, Masch- und Auguststraße und schließlich der nördliche Teil des Blumenhaller Weges, der wegen der zuvor hier gelegenen Ländereien der Marienkirche 1919 den Namen Am Kirchenkamp bekam.

Es war keine schlechte Wohngegend, die Pott sich ausgesucht hatte. Wie in vielen deutschen Großstädten wurde das " Westend" die bevorzugte Wohnlage des gehobenen Bürgertums. Bei vorherrschenden Westwinden musste das Westend-Publikum nicht unter den Abgasen leiden, die ungefiltert aus den Schloten der Fabriken in der Stadtmitte oder im Osten strömten.

Über die Geschichte von Haus und Firma Pott vor 1945 ist wenig bekannt. Der heutige Inhaber der Immobilie, Detlef Dependahl, weiß aber, dass Pott in den 1920er-Jahren nicht mehr nur Fahrräder und Motorräder verkaufte, sondern auch eine Vertretung für Opel-Automobile hinzugenommen hatte. Opel-Pkw wurden auch noch verkauft, als sein Vater Gustav Dependahl 1946 bei Heinrich Pott eine Lehre als Fahrrad-Mechaniker begann. Drei Jahre später bestand der Vater die Gesellenprüfung und blieb dem Geschäft treu. Zur Hochzeit bekamen Gustav und Irmgard Dependahl 1953 vom Chef einen gebrauchten Opel P4 geschenkt.

In den späten 1950er-Jahren wurde Fahrlehrer Gerhard Anders Teilhaber. Die Firma hieß ab dann Pott & Anders. Wer in jener Zeit in der Weststadt aufgewachsen ist, wird sich an den kleinen dunklen Ladenraum erinnern, den man über den Eckeingang betrat, um dann ein neues Ventilgummi oder Flickzeug zu erstehen. Natürlich roch es nach Gummi. In der hinteren Ecke des Ladens war ein kleines Fenster mit Durchreiche zur Werkstatt. Wenn dem Monteur ein Ersatzteil fehlte und er nicht weiterkam, legte er sich breit in das Fenster und wartete geduldig, bis die Kraft im Laden zu Ende bedient und dann Zeit hatte, in den Schubladen nach dem benötigten Teil zu kramen.

1961 übernahm Gustav Dependahl das Geschäft. " Das Lager bestand aus zehn Fahrrädern und einem Mokick, das hat mein Vater immer erzählt", erinnert sich der Sohn, der seit 1979 selbst in der Firma aktiv ist und 1996 die Leitung übernahm. " Damals lag das Fahrrad nicht im Trend, die Leute sparten auf ein Auto und nicht auf das Zweit- oder Drittfahrrad als Sportgerät", vollzieht Detlef Dependahl den Start seiner Eltern nach. Inzwischen hat die Fitness-Welle längst die Fress-Welle abgelöst. Hohe Spritpreise und gestiegenes Umweltbewusstsein tun ein Übriges dazu, dass das Zweirad kein Arme-Leute-Verkehrsmittel mehr ist.

Die Firma Dependahl wuchs im Gleichschritt mit dem Markt, vergrößerte und modernisierte laufend die Verkaufsflächen. Einen vorläufigen Abschluss der Expansion wird die Eröffnung des neuen Geschäftshauses an der Augustenburger Straße in diesem Frühjahr bilden. Dependahl war der erste private Bauherr, der im neuen " Quartier Mitte-West" den Spaten in den Boden stieß. Auf dem Gelände des ehemaligen Busdepots entsteht ein dreigeschossiger Bau mit Gewerbe-, Büro- und Wohnflächen. Die neuen Ladenflächen im Erdgeschoss werden mit den bestehenden im Eckbau verbunden, sodass eine doppelt so große Ausstellung entsteht.
Bildtexte:
Allein auf weiter Flur: Heinrich Potts Fahrrad- und Kolonialwarenladen an der Ecke Kirchenkamp/ Augustenburger Straße, nach 1904.
Wer genau hinguckt, kann das alte Doppelhaus hinter der modernisierten Fassade wiedererkennen.
Foto:
Ansichtskarte aus der Sammlung Helmut Riecken, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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