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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Die dunkle Seite des Fritz Frömbling
 
Die dunkle Seite des großen Sohns der Stadt
Zwischenüberschrift:
Ein Historiker deckt auf, wie der Osnabrücker Unternehmer Fritz Frömbling Juden aus dem Sportverein OTV drängte
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück. Fritz Frömbling war ein geachteter Unternehmer. Ein Historiker hat nun aufgedeckt, dass der Gründer der Seifen-Fabrik Frömbling schon 1924 als 1. Vorsitzender des Osnabrücker Turnvereins (OTV) dafür sorgte, dass Juden den Verein verlassen mussten.

Osnabrück. Er war einer der großen Osnabrücker Industriellen. Fritz Frömbling legte mit seiner Seifenfabrik den Grundstein für den späteren " Seifen-Platz", aus dem die Drogeriekette " Ihr Platz" wurde. Was weniger bekannt ist: Der Patriarch war ein scharfer Rechtsex tremist und Antisemit. Nach Recherchen des Historikers Henry Wahlig nutzte er seine Macht im größten Osnabrücker Sportverein OTV schon 1924, um Juden auszuschließen.

Die Anteilnahme beim Begräbnis war riesig. Dicht gedrängt umstanden Trauernde die Osnabrücker Villa der Familie, um dem aufgebahrten Fritz Frömbling die letzte Ehre zu erweisen. Ein Jagdunfall. Ein Schuss, versehentlich abgefeuert aus der eigenen Büchse, war dem geachteten Fabrikanten am 5. Januar 1931 im Alter von 63 Jahren zum Verhängnis geworden. Zur Beerdigung kam, was Rang und Namen hatte: Vertreter des Staates, der Stadt, der Kaufmannschaft, der Turnvereine, der Schützenvereine, des nationalistischen Soldatenverbandes " Stahlhelm". Die Osnabrücker Presse darunter Vorläufer unserer Zeitung überschlug sich mit Würdigungen des Mannes, der Osnabrück als Eigentümer der Seifenfabrik Arbeitsplätze schenkte und dem Osnabrücker Turnverein (OTV) als 1. Vorsitzender Ansehen und Einfluss.

Die andere Seite des Fritz Frömbling hat Henry Wahlig entdeckt, und das eher zufällig. Während seiner Recherche für ein Buch über Juden im Sport unter der Nazi-Herrschaft stieß der Sporthistoriker an der Universität Hannover auf Notizen des Osnabrücker Lehrers Ernst Sievers. Schlimm sei das, wie Frömbling seine Macht im OTV einsetze, um Juden aus dem Verein auszuschließen, schrieb Sievers. Unter den Ausgeschlossenen war auch der Kaufmann Philipp Nussbaum, Vater des Malers Felix Nussbaum.

Für Sievers als überzeugten Sozialdemokraten Grund genug, aus dem OTV auszutreten. Ausschluss von Juden schon 1924? " Da hat es bei mir geklickt, da wurde ich neugierig", sagt Wahlig, dem aufgefallen war, dass sich in Osnabrück 1924 ein jüdischer Turnverein gegründet hatte. Wahligs Verdacht, dass dies etwas mit Veränderungen im OTV zu tun hatte, nahm Konturen an.

Der Forscher ging in die Archive und wälzte Akten. Im Vereinsregister des Amtsgerichts Osnabrück wurde er fündig: Mit einer Satzungsänderung wurde im Jahre 1924 verfügt, dass nur noch " vaterländisch gesinnte Personen" im OTV geduldet wurden. Wer dieser Definition entsprach, konnten Frömbling und sein Vorstand eigenmächtig entscheiden. Auch altgediente Mitglieder konnten auf dieser Grundlage nun ausgeschlossen werden. Wahlig erfuhr auch, dass Frömbling im OTV bereits Anfang der Zwanzigerjahre eine geheime Abteilung für rechtsextreme Freikorps eingerichtet hatte.

Der aus Münster stammende Wahlig hatte eine Lis te sämtlicher noch lebenden jüdischen Osnabrücker, die die Zeit des Nationalsozialismus miterlebt hatten. Wissend, dass 23 Prozent der Juden Osnabrücks nach 1924 dem Jüdischen Sportverein Osnabrück beigetreten waren, schrieb er die Zeitzeugen an, fragte sie nach ihren Kenntnissen über Juden in Sportvereinen der Zeit.

Lea Levy antwortete ihm. Die Tochter eines der damaligen Eigentümer des heutigen Kaufhauses L+ T lud ihn ein, sie in Israel zu besuchen. Wahlig reiste hin, und das Treffen mit der 94-Jährigen im Kibbuz Mizra wurde zum emotionalsten Erlebnis seiner bisherigen Wissenschaftlerkarriere.

Die Zeitzeugin Lea Levy

" Sie war ganz klein und zierlich und hatte sich fein gemacht", erinnert er sich an den ersten Moment mit Levy in ihrem kaum 20 Quadratmeter großen Zimmer eines Bungalows. " An ihrer Wand hatte sie eine Stadtansicht von Osnabrück. Lea Levy war Osnabrück immer noch sehr zugetan", gibt Wahlig seinen Eindruck von der alten Dame wieder. 1934, im Alter von 20 Jahren, war die Osnabrückerin geflohen. Seitdem lebte sie in dem Agrarkollektiv nahe der Stadt Haifa, in dem Wahlig sie 2009 besuchte. " Ich hatte mich sorgfältig vorbereitet", sagt der Sporthistoriker, " denn ich wusste: Ich bin jetzt Botschafter eines jungen, anderen Deutschland."

Levy, die inzwischen verstorben ist, erzählte ihm, wie ihre Eltern sie als Kind nicht mehr zum Sport in den OTV, sondern in den neuen Jüdischen Sportverein schickten. An Fritz Frömbling selbst erinnerte sie sich nicht, aber an die zunehmende Präsenz von Nationalsozialisten. Und an den von Frömblings OTV zum Jüdischen Sportverein gewechselten Übungsleiter Sievers, wie Wahligs Interview-Abschrift zu entnehmen ist: " Er hat Hilfe stellung gegeben auf eine Weise, dass ich jede Übung gemacht habe ohne Angst", sagte Levy. " Denn Herr Sievers stand am anderen Ende, und keiner fiel. Er war fantastisch."

Zurück in Deutschland, konzentrierte sich Wahlig wieder auf seine Recherchen zu Fritz Frömbling. In alten Dokumenten entdeckte er einen weiteren Hinweis da rauf, dass Frömbling mit rechtsradikalen Kreisen in der Weimarer Republik Umgang pflegte. Der Name des Industriellen fand sich in Ermittlungsakten zu dem politisch motivierten Mord an dem Zentrumspolitiker Matthias Erzberger im Jahr 1921: Frömbling stand den Akten zufolge in Verdacht, gemeinsam mit anderen Rechtsradikalen aus Osnabrück einem Tatverdächtigen zur Flucht ins Ausland verholfen zu haben. Kurzfristig war Frömb ling deshalb inhaftiert. " Eine Mittäterschaft oder Mitwisserschaft konnte man ihm nicht nachweisen", sagt der 34-jährige Historiker, " aber die Dokumente belegen, wie nahe er diesen Kreisen stand."

Für Wahlig fügt sich all das zu einem schlüssigen Bild: Fritz Frömbling, Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), tat sich mit der frühen Satzungsänderung beim Osnabrücker Turnverein als besonders beflissener Antisemit hervor: " Die meisten Sportvereine schlossen jüdische Mitglieder erst ab 1933 aus", erläutert Wahlig. " Der OTV, der es bereits 1924 tat, war die große Ausnahme, und Fritz Frömbling hat das entscheidend vorangetrieben."

Die Taten und die Gesinnung des großen Sohns der Stadt sind in Osnabrück bisher nur wenig bekannt selbst unter seinen Nachkommen: " Wir wussten um seine nationale Gesinnung, aber dass er Antisemit war, war im kollektiven Gedächtnis unserer Familie nicht vorhanden", sagt Heinrich Frömbling, der Urenkel des Fabrikanten. Indizien ergänzen das Bild: Im ledergebundenen damaligen Gästebuch der Familie haben ehemalige Militärs Widmungen hinterlassen. Ein Generalleutnant schließt seinen Eintrag mit " Front Heil", dem Gruß der Organisation " Stahlhelm", die der jungen Demokratie der Weimarer Republik den Kampf angesagt hatte.

Konfrontiert mit dem antisemitischen Eifer seines Urgroßvaters im Osnabrücker Turnverein und dem Verdacht gegen ihn im Erzberger-Mord, sagt der 56-jährige Heinrich Frömbling: " Das ist sehr unheimlich. Da läuft es einem kalt den Rücken runter." Fritz Frömbling habe sich bei seinem Vorgehen wohl einer breiten Unterstützung bürgerlicher Schichten, die traditionell den OTV trugen, sicher sein können. " Seine Unternehmungen eine Seifenfabrik, eine Stärkefabrik, ein Steinbruchbetrieb auch mit Geschäftskontakten ins Ausland, standen jedoch auf einem ganz anderen Blatt", differenziert der Urenkel.

Die zum 150-jährigen Bestehen im Jahre 1999 herausgebrachte Vereinschronik des heutigen Osnabrücker Sportclubs (OSC), des Nachfolgers des OTV, beschreibt die Vereinnahmung des Vereins durch die Nationalsozialisten nach 1933. Sie führt auch den " Arierparagrafen" der 1935 geänderten Satzung auf und erwähnt, dass der OTV von der Schließung des jüdischen Sportvereins profitierte, indem er dessen Tennisplatz übernahm.

Lobend erwähnt

Dass Fritz Frömbling in Sachen " Arisierung" schon zehn Jahre zuvor vorgeprescht war, benennt die Abhandlung jedoch nicht, sondern schildert lobend seine Verdienste. Auch auf der OSC-Homepage, die auf die Vereinsgeschichte eingeht, ist das rechtsextreme Denken und Handeln des 26 Jahre lang amtierenden Vereinschefs kein Thema. Nach Angaben des früheren OSC-Vorsitzenden und Mitautors der Chronik, Günter Wienhold, hat der Verein erst seit Kurzem Hinweise auf die antisemitische Seite Frömblings.

Henry Wahlig hat seine Forschungsergebnisse inzwischen in einer Dissertation und in dem Buch " Sport im Abseits Die Geschichte der jüdischen Sportbewegung im nationalsozialistischen Deutschland" veröffentlicht. Dafür recherchierte er auch im Archiv des OSC. Wahligs Eindruck: " Dieses Kapitel der Vereinsgeschichte ist dort nicht präsent." Er fand keine Hinweise auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem früheren 1. Vorsitzenden Fritz Frömbling und der Ausgrenzung der jüdischen Vereinsmitglieder.

Der Zweite Weltkrieg in der Region: noz.de/ zweiter-weltkrieg
Bildtexte:
Henry Wahlig, Sporthistoriker, Uni Hannover.
Geachteter Fabrikant: Fritz Frömbling pflegte Kontakte zu rechtsradikalen Kreisen.
Die Seifen-Fabrik Frömbling in Osnabrück war Grundstein des späteren Handelsunternehmens " Seifen-Platz", aus dem die Drogeriekette " Ihr Platz" wurde.
Nationalistische Anteilnahme: die Todesanzeige der DNVP nach Frömblings Tod durch einen Jagdunfall.
Bodenständig ging es zu im Hause Frömbling: Der Patriarch (Foto) hielt in einem Gehege bei der Familienvilla Rehe.
Fotos:
privat
Reproducktion:
Michael Gründel
Autor:
Christian Schaudwet


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