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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Neue Satzung: Baumschutz mit Tücken
 
Baumschutzsatzung ja, aber ...
Zwischenüberschrift:
Nach dem Ratsbeschluss stellt sich die Frage, welche Aufgaben künftig vernachlässigt werden
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Der Rat hat sie beschlossen, die neue Baumschutzsatzung, aber bei ihrer Umsetzung zeigen sich die Tücken: Um den Griff zur Säge zu vereiteln, braucht die Stadt Mitarbeiter, die beraten und kontrollieren. Mehr Personal wird der Rat aber nicht genehmigen. Deshalb ist schon jetzt abzusehen, dass im Fachbereich Umwelt und Klimaschutz andere Aufgaben nicht mehr erledigt werden können, wenn die Satzung umgesetzt wird. Möglichst noch in diesem Jahr soll das Regelwerk in Kraft treten. Sonst besteht die Gefahr, dass im Vorgriff Bäume gefällt werden.

Osnabrück. Wer einen Baum absägen will, braucht bald eine amtliche Genehmigung. So hat es der Rat vor einer Woche mit knapper Mehrheit beschlossen. Ob in der Verwaltung für den Baumschutz eine Stelle geschaffen wird und ob eine Fällgenehmigung Geld kostet, ist einstweilen offen. Der Fachbereich Umwelt und Klimaschutz will möglichst kurzfristig einen Entwurf ausarbeiten.

Das Votum für eine neue Baumschutzsatzung kam überraschend. Monatelang hatten die Politiker über eine Beratungspflicht gestritten, die den Griff zur Säge erschweren sollte. Am Ende wollte niemand seine Hand für die kostenpflichtige, aber unverbindliche Zwangsberatung heben. Mit den Stimmen von SPD und Grünen, den Linken und dem fraktionslosen Ratsmitglied Michael Florysiak wurde stattdessen eine Neuauflage der Baumschutzsatzung auf den Weg gebracht. CDU und FDP sehen darin jedoch ein bürokratisches Monster.

Frank Otte, der Vorstand für Städtebau, Umwelt und Klimaschutz, sieht das anders: Viele Menschen in Osnabrück wünschten sich einen wirksamen Schutz für Bäume. Die jetzt auf den Weg gebrachte Satzung bedeute keinen Mehraufwand gegenüber der Beratungssatzung. Mit einem geringeren Aufwand könne so ein höherer Effekt erzielt werden.

Für die erste Baumschutzsatzung der Stadt Osnabrück, die bis 2002 galt, hatte die Verwaltung einen Mitarbeiter beschäftigt, der allerdings auch noch andere Aufgaben wahrzunehmen hatte. Inzwischen müsse sich der Fachbereich Umwelt- und Klimaschutz aber nicht mehr nur um 100, sondern um 300 Hektar Naturschutz- und Kompensationsflächen kümmern, sagt dessen Leiter Detlef Gerdts. Allein der Zuwachs entspreche dem Gebiet des Stadtteils Wüste. Wenn ein Mitarbeiter für den Baumschutz zuständig sei, könnten andere Aufgaben nicht bewältigt werden, etwa der Aktionsplan gegen das Bienensterben.

Nach den Diskussionen der vergangenen Jahre erscheint es unwahrscheinlich, dass der Rat eine neue Stelle schafft, um dem Baumschutz mehr Gewicht zu geben. Damit geht der Schwarze Peter an den Rat: Ihm wird nun die Entscheidung zufallen, auf welche Aufgaben verzichtet werden kann, wenn der Baumschutz mehr Arbeitskraft bindet.

Offen ist bislang, welche Bäume geschützt werden sollen. Im Gespräch sind Stammumfänge zwischen 120 und 150 cm. In den 90er- Jahren war die Stadt bei 80 cm angefangen.

Auf jeden Fall soll die neue Satzung möglichst schnell wirksam werden. Mitarbeiter aus dem Fachbereich fürchten nämlich, dass Wohnungsbaugesellschaften sonst im Vorgriff auf die Neuregelung Bäume auf ihren Grundstücken roden könnten. Die für Naturschutz und Landschaftsplanung zuständige Fachdienstleiterin Christiane Balks-Lehmann ist zuversichtlich, dass die Bestimmungen Ende des Jahres in Kraft treten können. Zuvor müssten aber die Träger öffentlicher Belange beteiligt und deren Stellungnahmen abgewogen werden.

Bläht Baumschutz die Bürokratie auf? Seit Jahren wird über dieses Reizthema heiß diskutiert. Mehr auf noz.de
Bildtext:
Diese Platane im Garten des ehemaligen Kreishauses steht unter Naturschutz. Der Rat will, dass auch die Bäume in privaten Gärten vor der Rodung geschützt werden.
Foto:
Thomas Osterfeld

Die Geschichte der Baumschutzsatzung in Osnabrück
1993 trat in Osnabrück schon einmal eine Baumschutzsatzung in Kraft. Damals hatten SPD und Grüne im Rat die Mehrheit. Wer auf seinem Grundstück einen Baum mit einem Stammumfang von mindestens 80 cm (gemessen einen Meter über der Erde) absägen wollte, musste eine Fällgenehmigung einholen. Die war damals kostenlos. Den Bürgervereinen und dem Verein Haus und Grund missfiel aber der aus ihrer Sicht bürokratische Umgang mit den Bäumen. Gemeinsam mit CDU und FDP sammelten sie 15 000 Unterschriften gegen die Satzung. Unter dem anhaltenden Druck votierte der immer noch rot-grün dominierte Rat 1999 in geheimer Sitzung für die Aufhebung der Satzung. Zunächst wurde sie jedoch nur gelockert und lediglich für Bäume mit einem Stammumfang von 120 cm auf mindestens 1000 qm großen Grundstücken angewandt. Als CDU und FDP 2001 die Mehrheit im Rathaus errangen, setzten sie die Satzung wenig später außer Kraft. Seitdem wird in Osnabrück heftig über den Baumschutz gestritten.

Kommentar
Zubeißen

Baum ab? Nein danke! Der Ratsbeschluss für eine neue Baumschutzsatzung hätte ohne seine emotionale Komponente wohl keine Mehrheit gefunden. Da war die Enttäuschung, dass der mit großem Aufwand formulierte Entwurf einer Baumberatungssatzung mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Denn so viel war klar: Wichtige Arbeiten im Naturschutz würden unerledigt bleiben, und am Ende würden die Bäume doch gefällt. Dann schon lieber ein Tiger, der auch zubeißen kann, sagten sich die Politiker. Und stimmten für die Baumschutzsatzung.

Das war nicht zu Ende gedacht. Wenn es gelingt, die Sägen zum Schweigen zu bringen, werden andere Aufgaben im Naturschutz vernachlässigt. Denn kein Politiker wird es wagen, zusätzliches Personal zu fordern. Zudem bahnt sich an, dass die Baumschutzsatzung mit jedem Machtwechsel im Rathaus an- oder ausgeknipst wird, weil sie nicht von einer breiten Mehrheit getragen wird. Es ist ehrenwert, zu gestalten, statt die Hände in den Schoß zu legen. Aber es wäre schade, wenn am Ende nur Symbolpolitik dabei herauskommt.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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