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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Das Eislager für das kühle Helle
Zwischenüberschrift:
Bierverlag Lundberg am Breiten Gang um 1925
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Früher stellte man die Scherzfrage: Was haben der VfL und die Herforder Brauerei gemeinsam? Antwort: in jeder Stadt eine Niederlage. Inwieweit das für den VfL zutrifft oder zutraf, soll hier nicht vertieft werden. Fest steht dagegen, dass die Felsenkeller-Brauerei Herford tatsächlich in jedem größeren Ort im Umkreis eine Niederlage oder Niederlassung hatte.

In Osnabrück war dies die Brauerei-Niederlage von Wilhelm Lundberg am Breiten Gang 10. Lundberg war sozusagen ein Zwitter. Einerseits lagerte und vertrieb er Herforder Pils als Agent der Felsenkeller-Brauerei auf deren Rechnung, andererseits war er mit Duldung der Herforder auch selbstständiger Bierverleger, der als exklusiv geltende süddeutsche Biere wie Tucher, Münchner Löwenbräu oder Bitburger in der gehobenen Gastronomie platzierte. Die historische Fotografie zeigt Firmensitz und Wohnhaus der Inhaber-Familie am Breiten Gang 10.

Der zweieinhalbgeschossige Bau fällt insbesondere durch seine Fensterformen auf, die selbst im Zeitalter des in dieser Hinsicht nicht gerade zimperlichen Historismus gleichsam aus dem Rahmen fielen. Die manieristisch geschwungenen Bögen verliehen dem Haus eine orientalische Note. Manch ein Osnabrücker mag sich wohl gedacht haben: " Der Dogenpalast in Venedig ist nix dagegen."

Dabei diente ein Großteil des Gebäudes einfach nur zum Einlagern von Natureis. In Zeiten, als Kühlaggregate noch nicht verbreitet waren, musste mit jedem Bierfass eine Portion Eis geliefert werden, damit der Wirt seinen Gästen auch im Sommer ein " kühles Helles" zapfen konnte. Der riesige Keller steckte voller Eis, und auch das Erdgeschoss war, zumindest in den Jahren dieser Aufnahme, überwiegend Eislager. Im linken Gebäudeteil, beiderseits des Haupteingangs zum Breiten Gang, lagen die Kontorräume. Aber rechts vom Regenfallrohr an der Langseite war hinter den drei dunklen Toren das Eis gestapelt. Unter dem Kragdach fuhren die Gespanne vor und luden das Eis auf die Rampe.

Familie Lundberg wohnte im zweiten Obergeschoss. Ob sie es da wohl etwas fußkalt hatte durch das viele Eis direkt darunter? " Nein, keinesfalls, die Geschossdecke war hervorragend isoliert, mit Extralagen von Kork", erinnert sich Grete Lüer, geborene Lundberg. Die heute 91-jährige Tochter von Wilhelm Lundberg verlebte Kindheit und Jugend in dem um 1880 von ihrem Großvater Friedrich-Wilhelm gebauten Haus und schwärmt noch heute von den herrlichen großen Räumen.

Vor dem Firmenanwesen, zu dem auch Pferdeställe und Lagerräume in den Flachbauten rechts von den Bäumen gehörten, hat der Fuhrpark der Niederlage für das Foto Paradeaufstellung genommen. Chef Wilhelm Lundberg ist der kräftige Herr vor dem Lastkraftwagen, daneben sein Prokurist. Es war die Zeit, wo Pferdegespanne noch die Mehrzahl der Transportaufgaben abwickelten. 1911 hatte die Herforder Brauerei den ersten Lastkraftwagen angeschafft. 1928 waren die Pferdegespanne (15) immer noch den Lastkraftwagen (10) zahlenmäßig voraus. Zur Zeit des Fotos gab es Bier nur im Fass. Erst 1927 wurden die ersten Flaschen abgefüllt. Zunächst die Sorte Malzbier, ab 1928 dann auch Pils und Export.

Wenn es kräftig fror und Mutter Natur das Eis im Akkord produzierte, stand eine lange Schlange von Fuhrwerken im Breiten Gang und wartete darauf, bei Lundberg entladen zu werden. So die Erinnerung von Kurt Rintelen, der nebenan in Haus Nummer 11 (das ist das angeschnittene Gebäude links am Bildrand) groß geworden ist. " Da war Tag und Nacht was los. Wenn ein Gespann leer war, mussten alle eine Wagenlänge aufrücken, mit Peitschenknallen und ' Hü!', und das alles unter meinem Schlafzimmerfenster", blickt der heute 85-jährige pensionierte Bauingenieur amüsiert zurück.

Für die Bauern sei es eine gern wahrgenommene Verdienstmöglichkeit in der beschäftigungsarmen Jahreszeit gewesen, das Eis zu sägen oder zu hacken und dann zu fahren. Ein wichtiger Eislieferant war Bauer Ignaz Brinkmeyer, weiß Grete Lüer noch. Der habe das Eis aus den überschwemmten Düte-Wiesen gebrochen. Das sei körperliche Schwerstarbeit gewesen, nicht nur das Gewinnen, sondern auch das Abladen und Einlagern. Im Krieg hätte Lundberg polnische und französische Zwangsarbeiter dafür eingesetzt. Leichter sei das Geschäft erst geworden, nachdem Stangeneis maschinell hergestellt worden sei.
Bildtexte:
Brauerei-Niederlage Lundberg am Breiten Gang, der von links nach rechts vorne diagonal durch das Bild läuft. Nach rechts hinten zweigt die heute nicht mehr existente Russelstraße in Richtung Riedenstraße (heute Erich-Maria-Remarque-Ring) ab. Am rechten Bildrand die Türme der Herz-Jesu-Kirche, die nach dem Krieg ihr Aussehen verändert hat.
Die gesamte westliche Straßenseite des Breiten Gangs wird heute von Betriebsgebäuden des Druck- und Verlagshauses Fromm eingenommen.
Foto:
Rudolf Lichtenberg (Privatarchiv Kurt Rintelen), Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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