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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Als die Drahtzieher mehr Geld forderten
Zwischenüberschrift:
November 1912: Gestiegene Fleischpreise machen den Osnabrückern zu schaffen
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Der Balkankrieg beherrscht im November 1912 die weltpolitischen Seiten der Osnabrücker Zeitung. Aber auch im Lokalen schlägt sich der Konflikt zwischen dem Osmanischen Reich und seinen Nachbarn Bulgarien, Serbien, Griechenland und Montenegro nieder.

In der Geschäftsstelle der Zeitung ist eine " Balkan-Kriegskarte" im Format 54x78 Zentimeter " vielfacher Nachfrage entsprechend" zum günstigen Vorzugspreis von 50 Pfennigen zu erwerben. Die Landkarte zeigt in verschiedener Kolorierung die bisherigen Landesgrenzen, Ortschaften, Eisenbahnlinien und Landstraßen, sodass das Osnabrücker Publikum die Ereignisse auf den vier Kriegsschauplätzen genauestens verfolgen kann. Und dabei erkennen muss, wie die vom Deutschen Reich militärisch unterstützte Türkei nach und nach vom Balkan vertrieben wird.

Auseinandersetzungen vor der eigenen Haustür, wenn auch nicht kriegerischer Art, erlebt Osnabrück in Gestalt von Arbeitskämpfen. In der Eisengießerei Brück, Kretschel & Co. legen die Former die Arbeit nieder. Später kündigen sie sogar, um dadurch noch mehr Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Ähnlich gehen die Drahtzieher im Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerk (OKD; heute KME) vor. Nach der Anschaffung neuer Maschinen, speziell im Drahtzug, hatte die Werksleitung die Akkordsätze abgesenkt. Denn " infolge durchaus moderner Konstruktion und höherer Arbeitsgeschwindigkeit" könne der einzelne Arbeiter nun mehr leisten und dadurch auf den gleichen Arbeitsverdienst kommen. Die Zeitung zeigt kein Verständnis für die Massenkündigung seitens der Arbeiter: " Obgleich die Verwaltung bestrebt war, durch Verhandlung mit den Arbeiter-Vertretern den Übergang auf friedlichem Wege durchzuführen und deshalb bis auf weiteres ein angemessenes Einkommen auf Grund des durchschnittlichen Verdienstes im letzten Jahre schriftlich garantierte, erfolgte trotz vereinbarter weiterer Verhandlungen der Bruch dieser Übereinkunft."

Der Vaterländische Frauenverein bietet wieder Kochkurse für Fabrikarbeiterinnen, Arbeiter-Frauen und - Töchter an, Beginn am 12. November in der Overberg schule. Zur Begründung heißt es: " Alle Menschen, die körperlich arbeiten, müssen eine fettreiche, stärkemehlhaltige, reichliche Kost erhalten, und mehr noch im Winter als im Sommer, da Fett und Stärkemehl Wärme erzeugen. Es ist daher Pflicht der Frau, ihrem Manne eine solche Kost zuzubereiten, die ihn mit Kraft und Wohlbehagen erfüllt. Damit legt sie den Grund zum Glück der Familie und hat sich nicht dereinst Vorwürfe zu machen."

Die passenden Gerätschaften dafür annonciert das Haushaltswarengeschäft Wilhelm Becker an der Herrenteichsstraße 9–10 (an gleicher Stelle heute: " Vapiano" im L & T-Parkhaus). Direkt von der Messe werden angeboten: " Neue Püree-Pressen, von unübertroffener Leistungsfähigkeit und überraschender Wirkung. Besonders praktisch für Apfelmus und Kartoffelpüree." Ebenfalls im Angebot, um der reichen Apfelernte Herr zu werden: " Obstmesser mit gut schneidenden Reinnickel-Klingen, nicht anlaufend, in allen Preislagen."

Fleisch ist knapp, und die Fleischpreise haben drastisch angezogen. Um der Osnabrücker Bevölkerung dennoch ausreichend eiweißhaltige Nahrung zu bieten, kauft die Stadt Waggonladungen von Seefischen in den Nordseehäfen auf und verkauft sie im Verein mit den Fischhändlern der Stadt zu günstigen Preisen. Immer dienstags sind öffentliche Verkaufsstände eingerichtet, und zwar am Rosenplatz nahe der Litfaßsäule, am Akzisehaus Hasetor nahe dem Lyra-Denkmal, in Eversburg bei Gastwirt Klatte, an der Buerschen Straße/ Ecke Blücher straße (Gastwirtschaft Spannhorst), auf dem Neumarkt am Kriegerdenkmal, an der Hermannstraße/ Ecke Kurze Straße (Gastwirtschaft Harie) und am Arndtplatz. " Es ist zu hoffen, dass die Bürgerschaft die ihr damit gebotene Gelegenheit zum Bezuge eines kräftigen und guten Nahrungsmittels zu verhältnismäßig billigem Preise benutzen und dass die Einrichtung dazu beitragen wird, eine Linderung der Zeit der Teuerung zu bringen", meint die Zeitung.

Gleichzeitig gibt es auch Osnabrücker, die sich kaum Sorgen um die Teuerung machen müssen. Ihnen bietet Osnabrücks Spitzengastronomie im Wartesaal 1. und 2. Klasse im " Central-Bahnhof" unter anderem täglich frische englische und holländische Austern, Malossol-Kaviar, Hummer und Ostender Seefische. Hoflieferant Heinrich Schorn verbürgt sich für " bekannt vorzügliche reine Weine bis zu den feinsten Auslesen".

Die gleiche Klientel verlustiert sich möglicherweise bei der Schnitzeljagd des Osnabrücker Reitervereins, auf den die Zeitung zurückblickt. Beim Gasthaus Bellevue versammelte sich ein Feld von 14 Reitern, 13 Herren und einer Dame. Als Fuchs ritt Hauptmann Gähde. Die Jagd führte anfangs nach dem Westerberg, dann in großem Bogen über freies Feld zurück durch das Hegerholz, über Hakenhof, den Brinkmeier′schen Hof in die dortigen großen Weiden. " Eine Reihe von Koppelricks, Hürden und Gräben wurde genommen, dann suchte der Fuchs die Deckung des Mutert′schen Gehölzes auf, um auf der anderen Seite wieder das Freie zu gewinnen. Zwischen der Schule in Hellern und der Blankenburg gelang es Herrn F. Kromschröder, den Fuchsschwanz zu greifen."

Immer wieder amüsant klingen die Wohnungsanzeigen: " Hochparterre-Wohnung von 4 Räumen, Veranda, Vorrats- und Mädchenkammer zum 1. Januar zu vermieten", " Schön möbliertes heizbares Zimmer mit Morgen- und Abendkaffee, nur an besseren Herrn, Hegerstraße 4". Der Schutz persönlicher Daten war noch kein Thema, wie diese Beispiele zeigen: " Infolge Versetzung des Herrn Hauptmann Döring ist die 2. Etage zu vermieten. Martinistr. 33", " Die seit 7 Jahren von Herrn Senator Jahrmann bewohnte 2. Etage Martinistr. 19 (Ecke Arndtplatz) ist per 1. Januar zu vermieten."

Aus Tecklenburg wird berichtet: In allen Betrieben musste heute mit einbrechender Dunkelheit Feierabend gemacht werden, denn die Stadt war, so unglaublich es klingt, ohne Licht. Schon seit einigen Tagen ist bei den Kaufleuten kein Tropfen Petroleum mehr zu haben. Diese erklärten, dass sie von der Deutsch-Amerikanischen Petroleumgesellschaft sehr unregelmäßig bedient würden. Da auch die Straßen nicht beleuchtet werden konnten, herrschte überall tiefe Dunkelheit.
Bildtexte:
Der Drahthof vor dem Grobzug des Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerks (um 1930). Vor 100 Jahren forderten die Drahtzieher eine Lohnerhöhung.
Wartesaal der 1. und 2. Klasse im " Bremer Flügel" des Bahnhofs nach dem Umbau 1925.
Haushaltswaren Becker an der Herrenteichsstraße 9 bis 10 (um 1925).
Foto:
Bildarchiv OKD, aus: Inge Frankmöller, Neues Bauen in Osnabrück, Rasch Bramsche 1984, S. 85
Rudolf Lichtenberg, aus: Lichtenberg Bilder einer Stadt II, hrsg. von Rolf Spilker und Birte Tost
Autor:
Joachim Dierks
Themenlisten:


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