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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Vorne Würde, hinten Effizienz
Zwischenüberschrift:
Das Krematorium am Heger Friedhof wird 75 Jahre alt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Christliche Überzeugungen und Feuerbestattung gingen lange Zeit nicht gut zusammen. Einäscherungen wurden als " heidnisch" verdammt. Hauptgrund war der Glaube an die leibliche Auferstehung. Und der Reliquienkult: Wären die Märtyrergebeine verbrannt worden, hätte man sie nicht mehr verehren können. Erst im späten 19. Jahrhundert setzte langsam eine Liberalisierung ein, auch unter dem Druck des Bevölkerungswachstums und hygienischer Missstände. Osnabrück bekam " sein" Krematorium 1937.

Es war die Zeit des Nationalsozialismus, der sowieso lieber an altgermanische Riten anknüpfte, zu denen auch die Leichenverbrennung gehörte. Falsch wäre aber, die Anhänger der Feuerbestattung in die rechte Ecke zu drängen. Feuerbestattungskassen und der " Verein der Freidenker für Feuerbestattung" existierten in Osnabrück lange vor 1933 und hatten gerade in der sozialdemokratischen Arbeiterschaft viele Mitglieder. Schließlich hatte sich auch SPD-Parteiführer August Bebel vor seinem Tod 1913 für die Kremation entschieden.

Das Krematorium war zum Ort eines pragmatischen Umgangs mit dem Tod geworden, weil es die Bestattung durch einen möglichst effizienten Ablauf beschleunigte und funktionalisierte. Das Krematorium vereinte erstmals funktionale Etappen der Bestattung in einem einzigen Gebäude: Verwahrort für Leichen, Ort der Trauerfeier und Ort der Einäscherung.

Dessen ungeachtet hielt die katholische Kirche noch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 1963 am Verbot für Amtsträger fest, an Feuerbestattungszeremonien mitzuwirken. Die evangelische Kirche sprach sich ebenfalls für die christliche Tradition der Erdbestattung aus, tolerierte abweichende Begräbnisformen aber früher als die katholische Kirche. Das Land Preußen erließ 1911 ein Feuerbestattungsgesetz, das die Errichtung von Krematorien ermöglichte. Anfang der 1930er-Jahre gab es in Deutschland bereits über 100 Krematorien.

Osnabrück war mit seinem Krematorium 1937 also relativ spät dran. Oberbürgermeister Erich Gaertner und Stadtsyndikus Johannes Petermann hatten sich sehr dafür eingesetzt, dass die Stadt endlich eine angemessene Trauerhalle mit Krematorium auf dem mit einer Fläche von 27 Hektar größten Friedhof der Stadt, dem 1925 eröffneten Heger Friedhof, bekam. Bis dahin hatte es nur die bescheidene Kapelle in der Nähe des Eingangs Lotter Kirchweg gegeben, die lediglich kleinen Trauergemeinden Platz bot.

Der Neubau am südwestlichen Rand des parkartig angelegten Hauptfriedhofs der Stadt ist aus unverputztem gelben Bruchstein errichtet und fügt sich damit gut in die hiesige Bautradition ein. Der weitgehend schmucklose, wuchtige und kantige Bau kann den Geist seiner Entstehungszeit nicht verleugnen. Insbesondere die drei überhöhten Rundbögen der Eingangsfassade, mit denen sich die Vorhalle zum Platz hin öffnet, und der lang gestreckte Vorplatz selbst wirken heute etwas dick aufgetragen pathetisch. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass der von den Hannoveraner Architekten Springer, Lemcke und Brinkmann entworfene Bau in allen Teilen stimmig durchkomponiert ist. Das wohl kurz nach der Fertigstellung aufgenommene Foto zeigt die Rückfront der Einsegnungshalle, an die ein halbrundes, quasi-sakrales Bauteil nach Art eines Chores angefügt ist. Hierin befanden sich die beiden Verbrennungsöfen. Rechts neben dem Säulengang schließt rechtwinklig der flache Leichenzellentrakt an.

In den Jahren 1993 bis 1995 wurde, etwas abgesetzt vom denkmalgeschützten alten Gebäudekomplex, ein neues Krematorium in poppigen Grün- und Pink-Tönen gebaut, ausgestattet mit moderner Filtertechnik und hohem Doppelschlot. Die beiden neuen Öfen waren auf maximal 3000 Verbrennungen pro Jahr ausgelegt und waren bald wieder an den Kapazitätsgrenzen angelangt. Denn der Trend zu Kremierungen hält an. Als Gründe werden der Wegfall des Sterbegeldes und die gegenüber Erdgräbern geringeren Kosten für Urnengrabstellen genannt. Der Einzugsbereich des Osnabrücker Krematoriums reicht weit über die Grenzen von Stadt und Landkreis hinaus. Die nächsten entsprechenden Einrichtungen sind erst in Hamm, Bielefeld, Minden und Oldenburg.

So kam es, dass 2008/ 2009 das Innenleben des Krematoriums erneut umgekrempelt werden musste. Gestiegene Umweltanforderungen machten eine neuartige Abgasreinigung und verbesserte Regeltechnik erforderlich. Auch wurde eine Brennkammer für übergroße Särge hergerichtet, weil der Anteil besonders großer und schwerer Menschen zunimmt. Alles zusammen kostete 1, 3 Millionen Euro, die über die Benutzungsgebühren wieder eingespielt werden sollen. Die Jahreskapazität liegt jetzt bei 4000 Einäscherungen. Nach Angaben der Friedhofsverwaltung werden alle Grenzwerte der Immissionsschutzverordnung weit unterschritten.
Bildtexte:
Das alte Krematorium am Heger Friedhof war als chorartiger Anbau in die Architektur der Einsegnungshalle einbezogen. Das Foto entstand kurz nach der Einweihung 1937.
Seit 1997 werden die Leichen in einem abgesetzten Baukörper kremiert. Die Verbrennungstechnik wurde 2009 noch einmal auf den neuesten Stand gebracht.
Foto:
Brüggemann-Berthold; Postkarte aus der Sammlung Helmut Riecken, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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