User Online: 2 | Timeout: 11:21Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die weltweite Eisenhüttentechnik revolutioniert
Zwischenüberschrift:
Fritz Wilhelm Lürmann gilt als Pionier seiner Branche – Für 800 Taler "Ablöse" nach Osnabrück gelockt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Fritz Wilhelm Lürmann (1834–1919) gilt als einer der einflussreichsten Pioniere des Eisenhüttenwesens im 19. Jahrhundert. Von seinen 85 Lebensjahren hat er zwar nur 47 in Osnabrück beziehungsweise Georgsmarienhütte verbracht, in dieser Zeit aber bahnbrechende Erfindungen in der Hochofentechnik gemacht.
Als Lürmann 1903 seinen Lebensmittelpunkt von Osnabrück nach Berlin verlegte, war er bereits so angesehen, dass der Osnabrücker Magistrat sich dazu entschloss, ihn noch zu Lebzeiten mit einer Straßenbenennung zu ehren. Die Verbindung zwischen Bergstraße und Gutenbergstraße trägt seitdem seinen Namen.
Lürmann kam am 31. Mai 1834 in Iserlohn-Alexander höhe zur Welt. Der Vater war Großkaufmann und wünschte, dass sein Fritz ins Geschäft einsteigt. Der aber wollte nicht so recht. Mehr als der normale Schulstoff behagte ihm der Zeichenunterricht in der Sonntagsschule. In der freien Zeit durchstreifte er die Umgebung Iserlohns und beobachtete, so oft er konnte, bei Menden einen kleinen Holzkohle-Hochofen, dessen Lederbälge von einer Wassermühle angetrieben wurden.
1849 sollte er aufs städtische Gymnasium wechseln. Das wollte er aber nicht. Fritz erklärte, er wolle jetzt das " Eisenmachen" lernen. Der Vater lenkte ein und gab ihn Ostern 1850 an die Königliche Gewerbeschule nach Halberstadt, wo ein Freund des Hauses Chemie lehrte. Das war so ganz nach dem Geschmack des jungen Lürmann. Er reüssierte so gut, dass er nach zwei Jahren an das Gewerbeinstitut Berlin wechselte, einem Vorläufer der Technischen Universität Berlin in Charlottenburg.
Auf Empfehlung seines Chemie-Professors erhielt Lürmann 1855 eine erste Anstellung beim Hochofenwerk Haßlinghausen (heute Sprockhövel). Die Firma schickte den blutjungen Chemiker auf Studienreisen zu Hüttenwerken in Belgien, Nordfrankreich und an der Saar. Mit einem früh geschärften Blick für die Schwachstellen anderer Anlagen wirkte er am Bau des neuen Haßlinghauser Hochofens mit.
Und nun kommt Osnabrück ins Spiel. Im September 1856 weilte eine Abordnung des Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenvereins auf kollegialem Besuch in Haßlinghausen. Lürmann erklärte den Herren die dort eingeführten Innovationen so überzeugend, dass sie den Plan fassten, ihn abzuwerben.
Es klappte: Für eine " Transfersumme" von 800 Talern wechselte Lürmann nach Osnabrück. Am 14. Juli 1858 setzte der 24-Jährige den neuen Hochofen der Georgsmarienhütte in Betrieb und wurde erster Betriebsleiter. Ständig war er am Forschen und Experimentieren, um die Abläufe zu verbessern.
1867 gelang ihm der Durchbruch mit der sogenannten " Schlackenform". Das ist eine wassergekühlte Röhre, über die das Abfallprodukt der Roheisenerzeugung, die Hochofenschlacke, kontinuierlich abgeleitet und der Weiterverarbeitung zugeführt werden konnte. Bis dahin war das in gefahrvoller Handarbeit bei Unterbrechung des Hochofenprozesses geschehen. Mit dieser höchst einfachen, aber umso genialeren Erfindung, die eine Verdoppelung der Tagesleistung des Hochofens ermöglichte, revolutionierte Lürmann die gesamte Hüttentechnik. Weltweit setzte sich die Erfindung innerhalb kürzester Zeit durch.
Leider konnte Lürmann persönlich keinen sehr großen Nutzen aus der Erfindung ziehen. Denn das preußische Handelsministerium verweigerte den Patentschutz mit dem Argument, dass das Prinzip der Wasserkühlung beim Hochofen bekannt und daher nicht schutzwürdig sei. Durch eine äußerst restriktive Politik der Patentgewährung erleichterte das Ministerium die schnelle Verbreitung von Neuerungen zulasten der Erfinder. Lürmann musste sich mit einem von den Hüttenwerken freiwillig gewährten Honorar von lächerlichen 200 Talern begnügen.
Lürmanns zweite große Erfindung war eine Steinpresse, mit der sich aus granulierter Hochofenschlacke Mauersteine herstellen ließen. Um nicht wieder unter Wert abgespeist zu werden, verließ er 1873 die Georgsmarienhütte und verwertete die Erfindung in einer eigenen, mit Kompagnons gegründeten Firma. Die stellte 1875 bereits über sechs Millionen Schlackensteine her. Der wirtschaftliche Erfolg ermutigte Lürmann zum Bau der repräsentativen Villa an der Natruper Straße 13/ 15. Hier richtete er auch sein Ingenieurbüro ein, das Pläne und Gutachten für den Bau von Hochofenwerken in der ganzen Welt erstellte.
1903 zog Lürmann mit seinem Büro nach Berlin, wo die Technische Hochschule ihm den Doktorgrad ehrenhalber verlieh. Sohn Fritz wurde Teilhaber. Gutachten und Entwürfe bezogen sich nun auch auf Stahl- und Walzwerke, Gasmaschinen und Kokereien.
Die erfolgreiche internationale Tätigkeit der " Global Player" des Hüttenwesens riss mit Beginn des Ersten Weltkriegs ab. Persönliche Schicksalsschläge folgten, Fritz musste den Tod einer Tochter und dreier Söhne miterleben. 1918 starb auch die Gattin nur wenige Wochen, nachdem das Paar wieder nach Osnabrück gezogen war. Am 24. Juni 1919 schloss auch Fritz Lürmann für immer die Augen.
Bildtexte:
Die Lürmann´sche Villa, Natruper Str. 13/ 15, wurde vor einigen Jahren von der Helbrecht-Grundstücksgemeinschaft aufwendig restauriert.
Die Lürmannstraße am Westerberg (im Hintergrund die Bergkirche) wurde bereits zu seinen Lebzeiten nach Fritz Wilhelm Lürmann (1834–1919) benannt.
Foto:
Jörg Martens, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


Anfang der Liste Ende der Liste